Text: Urs Heller
Rehravioli im Suppentopf. «Full House» bereits vor Weihnachten! Das «Badrutt’s Palace» startet fulminant in die Wintersaison. Mit neuen Chefs in den beiden Signature Restaurants «Igniv» und «Matsuhisa». Vor allem für Timo Fritsche war es eine Challenge: Im Sommer führt er in Fürstenau GR für Andreas Caminada das «Oz» (100 % vegi!), jetzt muss/darf er erstmals in einem «Igniv» ran und in St. Moritz Marcel Skibba ersetzen, der neu Küchenchef auf Schloss Schauenstein ist. Erster Eindruck: Der Fritsche packt’s, kann auch mit Fisch & Fleisch, lässt aber verstärkt seine Gemüsekompetenz ins Sharing-Menü einfliessen. Ist bei den Gyoza wirklich nicht zu übersehen: Selbstgepflückter Szechuanpfeffer aus dem Schlossgarten, passt prima zum Schweinenacken in der dünnen Füllung. Hammergang: Eine hammerhaft intensive Wildconsommé mit Rehravioli, Karotten, Sellerie und schwarzem Trüffel; der Gast taucht hier selbst die grosse Kelle in den weissen Suppentopf. Überraschende Combo: Short Rib mit Ezme, einer Marinade, die man eher aus der Döner-Bude kennt.
King Crab, Kaviar & Radiesli. Im «Matsuhisa» steht ein Neuer in der offenen Küche: Vasileios Kalogeropoulos. Seine Referenz: Sieben Jahre «Nobu» London, als rechte Hand von Mark Edwards, dem Executive Chef im weltweiten Imperium von Mister Nobu. Die ersten Gänge zeigten, was der Kerl draufhat: Erst Nori Tacos mit Tofu-Rührei, weissem Trüffel und einer verblüffend scharfen «Hot Miso», dann King Crab mit Wakame, Radiesli-Saft und einem grossen Löffel Kaviar. Das «Matsuhisa» ist Gourmet-Restaurant und Showbühne zugleich: Im Minutentakt betreten die Gäste die smart umgebaute Tennishalle, mal im Designerkleid, mal im Billig-Fummel. Die Begrüssung ist für alle gleich: Ein ziemlich lautstarkes «Irasshaimase»!
Monsieur Luvara und seine 80 Köche. Im festlich-eleganten «Le Restaurant» geht’s klassisch zu und her: Hummer-Spaghetti auf Zarenart aus dem Gueridon, Pojarski Helen Badrutt. Aber Executive Chef Maxime Luvara, Boss und Vorbild für 80 (!) Köche, hat zu lange bei Alain Ducasse auf Dreisterne-Niveau gekocht, als dass er es dabei belassen würde. Diskret fliessen seine eigenen Kreationen in die Karte ein: Sautierte Languste an Chorizo-Öl und Krustentier-Dashi, Täubchen aus Poitu mit Pastinaken, in Ahornsirup glasiert. Wetten, dass es dabei nicht bleibt? Nur in der «Chesa Veglia», dem ältesten Haus von St. Moritz (1648) muss zwingend alles beim Alten bleiben. Signature Dish: «Blanc et Rouge», eine ganze Bresse-Poularde kombiniert mit einem stattlichen Châteaubriand (für vier Personen).
Penne, Ramen, Surf & Turf im Paradies. Räumen wir gleich mal mit einer Fehlinformation auf. Man muss im «Paradiso Mountain Club» nicht Member sein, um auf der schönsten Sonnenterrasse des Engadins ein paar wunderbare Stunden zu verbringen. Auf dem elegant eingerichteten «Paradiso Music Deck» sind alle willkommen (reservieren!), die Karte ist verführerisch: Beef Nachos, Lobster Roll, Ramen Noodle Soup, aber auch Spaghetti Napoletana, Penne Bolognese und Mezze-Maniche Carbonara. Punkt 15 Uhr dreht dann der Resident DJ etwas heftiger auf. Eine Etage tiefer ist Brasserie-Küche angesagt, for members only und für Gäste des «Badrutt’s Palace»: Chef Loris di Santo aus Sizilien empfiehlt Tsarskaya Austern, einen «Paradiso Lobster Salad», Black Tiger Prawns und Surf & Turf: Châteaubriand & Lobster. Executive Chef Maxime Luvara hat die Karte geschrieben: «Brasserie-Gerichte mit einem luxuriösen Twist», lautet die Ansage. Die «Palace»-Crew kann auch Berghütte, meistert den Grossansturm souverän und ausgesprochen freundlich. Wir geniessen Kompetenz und Küche, nicht ohne eine «Gedenkminute» für Hansjörg und Anja Zingg, die die «Formel El Paradiso» erfunden haben und von ihren Chefs nach so langer Dienstzeit etwas gar ruppig aus dem Paradies vertrieben wurden.
>> Fotos: Olivia Pulver, Marcus Gyger, Gian Giovanoli, Reto Guntli, HO