Andy Mattmann: Erst Agronom, dann Beizer. Der Spruch «We love Bio!» prangt an der Eingangstüre des «Daizy». Und es ist weit mehr als ein schmissiger Slogan: Andy Mattmann, Küchenchef und Nummer 1 im Restaurant im Zürcher Binz-Quartier (Bild oben), ist ein überzeugter Verfechter nachhaltiger Kost. «Bio ist besser für meine Gäste, für mich selbst und für die Umwelt!», sagt er. Und weiss genau, wovon er spricht, hat er doch Agronomie an der ETH studiert – bevor er sich in den Neunzigerjahren der Gastronomie zuwandte. Erst als Caterer, dann als Restaurateur. Es dürfte damit auch mehr als blosser Zufall sein, dass er von Bio Cuisine mit zwei Sternen, respektive «Blüemli», ausgezeichnet worden ist. Was sie bedeuten? Zwischen 60 und 90 Prozent der verwendeten Lebensmittel im «Daizy» sind bio-zertifiziert.
40 Mitarbeiter, 200 Mittagsgäste täglich. Es ist ein aussergewöhnliches Restaurant – wegen seiner Grösse und wegen seines hybriden Konzepts: Im zweigeteilten Restaurant stehen maximal 250 Sitzplätze zur Verfügung. 20 Leute sind fix angestellt, ebenso viele als Freelancer. Morgens wird Café getrunken, vegane Gipfeli gegessen. Zum Lunch kann die Kundschaft zwischen einem Selbstbedienungs- und einem A-la-carte-Angebot wählen. Ja, sogar ein Blumenladen (mitten im Betrieb!) gehört zum Angebot. Wie gross ist der Andrang? «Wir haben 200 Mittagsgäste jeden Tag», so Mattmann.
Zum Teilen geeignet: Artischocken mit Zitronenhummus & Portulak.
Mattmann telefoniert mit seinem Bio-Gemüselieferanten. «Wann bist du da?»
Ebenfalls auf der Abendkarte: Randen-Gnocchi mit Cashew-Creme & Spinat.
Abends wird Naan-Brot geteilt. Abends dann setzt das «Daizy» auf ein Sharing-Konzept, mit dem grössere Familien und Gruppen angesprochen werden, die geselliges Essen schätzen. In die Tischmitte kommen Snacks wie hausgemachtes Garlic-Naan aus dem Tandoori-Ofen oder Randenfalafel mit Ingwer-Dip. Dazu grössere Gerichte wie grillierte Artischocken mit Zitronenhummus und Portulak oder Bio-Alpenlamm mit Ofengemüse. Es gibt auch Themenabende auf der grossen Terrasse, bei denen Grilladen, Paella oder Pizza im Fokus stehen. Angesprochen sind Gäste, die nachhaltig und gesund essen möchten. «Das sind dann weniger diejenigen, die gleich drei Flaschen, sondern eher ein gutes Gläschen offenen Wein zum Essen bestellen», so Mattmann.
Mittags wird in diesem Bereich das Buffet für die Gäste aufgebaut.
Gesund und bunt: Jeder stellt sich zusammen, was er gern isst.
Alain mit dem queitschgelben Lieferwagen. Eine ziemlich grosse Kiste, dieses Daizy. Ist es nicht ziemlich kompliziert, Bioware für einen so breit aufgestellten Betrieb einzukaufen? Mattmann sagt, dass sich diesbezüglich in den letzten Jahres einiges getan hat. Erzählt von den Engrosmärkten, die inzwischen eigene Bio-Linien hätten. Und natürlich von seinem Gemüselieferanten Alain Batänjer, der an diesem Nachmittag die wöchentliche Bestellung vorbeibringt. Sein quietschgelber Lieferwagen ist rappelvoll mit Gemüse aus dem Berner Seeland, dem Bio-Gemüsespeicher des Landes (mehr darüber hier). Seine Favoriten sind heute der erlesene Winterspinat, Pastinaken, die für den Detailhandel zu gross sind, die gewaschenen Rüebli… Sein Kommentar beim Ausladen: «Bio-Gemüse muss nicht hässlich sein!»
One-Man-Show mit gutem Netz. Mit seinen rund zwei Metern Grösse ist Alain Batänjer eine eindrückliche wie sympathische Erscheinung. Man findet den Gemüsehändler, der auf ein beachtliches Netz von biologisch arbeitenden Bauernbetrieben zurückgreifen und damit gut auf die Daizy-Wünsche eingehen kann, übrigens nicht im Internet! «Ich bin eine One-Man-Show», sagt er, «und meine Kundenliste ist so schon viel zu lang!» Übrigens schreibt Batänjer, der Mann hat ordentlich Stil, auch seine Rechnungen von Hand.
Lieferant Alain Batänjer: «Bio-Gemüse muss nicht hässlich sein!»
Zu gross für den üblichen Detailhandel: Pastinaken.
Das ersehnte Gemüse ist inzwischen da: Andy Mattmann packt an.
Nicht immer zertifiziert: Artischocken & Kartoffeln. Trotz allem beisst sich Daizy-Chef Andy Mattmann an einigen Produkten manchmal regelrecht die Zähne aus: Bei Auberginen sei die Qualität bei der Bio-Ware seiner Ansicht nach wie vor schwankend. Artischocken kaufe er, wegen der grossen Mengen, noch immer im türkischen Feinkostladen. Nicht ganz einfach sei zurzeit die Situation bei den Bio-Kartoffeln: «Letztes Jahr kämpften viele Schweizer Bauern mit der Krautfäule.» Zurzeit seien die auf dem Markt erhältlichen Knollen eher klein. «Und weil ich oft mit meinen Mitarbeitern zusammen Kartoffeln schäle, weiss ich, wie mühsam das sein kann.» Mit einer Lösung hat er sich schwer getan: Trotzdem Schweizer Bio-Ware? Oder zertifizierte Erdäpfel aus dem fernen Ausland? Zurzeit macht er hier die Ausnahme und setzen auf konventionelle Schweizer Kartoffeln.
Hier essen mittags die A-la-Carte-Gäste – mit Blumenladen im Hintergrund.
Bio Cuisine: Leitplanken statt strikte Regeln. Umso mehr findet er für das flexible Zertifizierungskonzept von Bio Cuisine lobende Worte: Dass jeder Betrieb selber entscheiden kann, ob er ein, zwei oder drei Blüemli zum Ziel habe; also ob ein Bio-Anteil von mindestens 30, 60 oder 90 Prozent angestrebt wird. Die Organisation stelle sinnvolle Leitplanken und Lehrgänge zur Verfügung, an denen man sich orientieren könne. Er findet das Label «praxisnah»: Wenn mal etwas wirklich nicht erhältlich sei, müsse man nicht gleich die ganze Karte umschreiben oder auf tiefgekühlte Vorräte zurückgreifen. «Das Granola macht man dann halt ausnahmsweise mal mit konventionellen Datteln, auch wenn man es lieber anders hätte», so der Küchenchef. Offensichtlich weiss er genau, welche Produkte in seinem Restaurant nicht bio sind – meist ist es umgekehrt.
Sogar Bier und Brände sind bio. Sogar die Brauerei Dr. Brauwolf im Nachbargebäude stellt inzwischen ein Bio-Bier her, «weil ich sonst auf eine andere Marke gewechselt hätte», sagt Andy Mattmann. Denn auch Getränke zählen fürs Bio-Cuisine-Label. Und so hat der Gastronom letzten November sogar das Schnapsregal auf Bio umgestellt: Die Spezialitätenbrennerei Humbel im aargauischen Stetten habe eine ungeheuer grosse Auswahl an Destillaten mit Zertifikat. «Wir sind weiterhin dran, noch einen Zacken besser und gesünder zu werden.» Jetzt fehle eigentlich nur noch ein Produkt, für das sich bisher noch keine valable Bio-Lösung gefunden hat: Coca-Cola.
>> www.daizy.ch
Das Label «Bio Cuisine» zeigt den Gästen, wie viel Nachhaltigkeit sie auf dem Teller erwartet. «Bio Cuisine» ist dreistufig aufgebaut und zeichnet den Anteil an Bio- sowie Knospe-Produkten im Betrieb aus. Basis ist der Einkaufswert der Lebensmittel und Getränke. GaultMillau Schweiz unterstützt diese «Bio-Cuisine»-Initiative. www.bio-cuisine.ch