Fotos: Olivia Pulver
Neuer Ort, neues Glück. Stefan Wiesner alias «Der Hexer vom Entlebuch» steht am Feuerring und nodderet in der Kohle. Ringsum stehen seine Gäste und Stefan erzählt ihnen Geschichten aus seiner Kindheit. Zum Beispiel davon, wie er dem Vater früher geholfen hat, Rehpfeffer zu machen. Wenn der Vater nicht geschaut hat, stibitzte er die Kotelettli und ass sie später mit seinem besten Freund. Oder wie er als Bub einst beim Lotto ein Poulet gewonnen hat. Darüber freute er sich dermassen, dass er das kalte Huhn abends mit ins Bett nahm. Die Gäste lachen und Stefan Wiesners Gesichtszüge werden weich. Man sieht ihm die Erleichterung an. Der Hexer steht in seinem neuen Reich, seinem neuen Zuhause, seinem «Mysterion» in Bramboden. «Ich bin froh, dass meine Geschichte hier fortgesetzt wird. Und dass meine Philosophie weiterleben darf.»
Ein steiniger Weg. Stefan Wiesner hat eine schwere Zeit hinter sich. Er verkaufte sein «Rössli» (17 GaultMillau-Punkte und ein Michelin-Stern) in Escholzmatt, um an einem anderen Ort sein Glück zu finden. Zweimal machten ihm Behörden oder Anwohner einen Strich durch die Rechnung. Bis er dann – wie aus heiterem Himmel – die Möglichkeit bekam, die «Weitsicht» in Bramboden zu pachten. Bramboden ist ein Weiler, der zur Gemeinde Romoos gehört. Hier oben, auf 1053 Meter über Meer, gibt es nicht viel. Eine Handvoll Bauernhöfe, eine Kirche und die Weitsicht. Der Weg hier hoch ist lang und kurvenreich. Doch das sollte kein Hindernis sein. Schon gar nicht, wenn man weiss, was einen hier oben erwartet.
Werkstatt. Die Weitsicht heisst neu «Wiesner Mysterion». Mysterion ist altgriechisch und bedeutet Geheimnis. Stefan Wiesner ist in kürzester Zeit mit Sack und Pack hier hochgezogen. Das Resultat ist verblüffend und lässt den Schluss nahe, dass Magie im Spiel war. Der Hexer winkt ab. «Alle haben angepackt. Sogar ein Jodelclub hat beim Zügeln geholfen», sagt er dankbar. Das «Mysterion» versprüht den gewohnten Hexer-Charme. Im grossen Gastraum, der Werkstatt, befindet sich Stefans ganzes Sammelsurium an Habseligkeiten. Der Raum ist dekoriert mit Hörnern, Federn, Pilzen, Flechten und abgesägten Klauen. In der Bibliothek stehen unzählige Bücher übers Kochen, Alchemie und Kräuterkunde. Hier finden auch Stefan Wiesners Kurse statt, wo er sein ganzes Wissen weitergibt.
Das Highlight: die Terrasse. Hinter einem schweren Samtvorhang befindet sich das Gourmetrestaurant. Der Raum ist hell, alles sieht aus wie neu. Ist es aber nicht. «Das Mobiliar ist aus dem Rössli. Mir gefällt, wie wir alles eingerichtet haben», sagt Wiesner ganz bescheiden und doch stolz. Das Ambiente ist modern: Es gibt keine Tischtücher mehr, Besteck und Weingläser werden nicht «allpott» gewechselt. Das Highlight des «Mysterions» ist definitiv die Terrasse. Von hier hat man einen unglaublichen Blick auf die Biosphäre Entlebuch, die Berner und die Zentralschweizer Alpen. Die Gäste essen bei schönem Wetter draussen. Daneben befinden sich Wiesners Feuerringe, wo er Kurse gibt, und die seine Küchencrew für die Zubereitung der Gerichte nutzt.
Gourmet-Lunch. Das Food-Konzept im «Mysterion» ist etwas anders als im «Rössli». Das Gourmet-Restaurant ist von Mittwoch bis Samstag und nur mittags geöffnet. «Ich will meine Mitarbeiter einfach nicht 16 Stunden arbeiten lassen. Ausserdem sollen die Gäste die Aussicht geniessen können und die ist tagsüber am besten.» Der Wiesner-Zauber besteht aus einem 9-Gang-Menü. Aktuell kocht er seine eingangserwähnten Kindheitserinnerungen. Das Poulet vom Lotto gart er in einem Mantel aus Erde im Feuerring. Vom Reh gibts Filet und Pfeffer, kombiniert mit Fichten und Schokolade von Tochter Amy.
Bibi-Gaga. Sein Lieblingsessen war als Kind immer Bibi-Gaga. «Das war das erste Gericht, das ich gelernt habe zu kochen. Spiegeleier auf Tomaten mit viel Aromat.» Im «Mysterion» ist es allerdings ein Onsen-Ei mit Tomatenschalen-Salz, gebackenem Liebstöckel und Tomatensud. Das Aromat macht Stefan Wiesner selbst. Ohne Glutamat. Das versteht sich von selbst. Der Hexer scheut auch nicht davor zurück, eine Portion Pommes frites zu servieren – natürlich im Hexer-Style. Der Grund dafür ist einfach: «Ich liebe Pommes!», so Wiesner.
Selbstbedienung für Wanderer. Essen können Gäste auch einfacher. In der Werkstatt gibt es jeweils ein 4-Gang-Menü, ebenfalls am Mittag. Wiesners Kräutersalat, Onsen-Ei mit Brennnesselpesto, Pouletbrust mit Löwenzahn und natürlich des Hexers berühmtes Arven-Glace. Diesen Lunch kriegen auch Gäste, die einen Kurs beim Hexer buchen. Sowohl für den Wiesner-Zauber als auch für die Werkstatt-Kost müssen sich die Gäste anmelden. Trotzdem können Einheimische oder Wanderer spontan einkehren. Für diese Gäste hat Wiesner den Weitsicht-Treff eingerichtet. Die Gäste bedienen sich sieben Tage die Woche selbst mit Getränken, Fleischkäse oder einem Rotschmierkäse aus der Vitrine.
20 Zimmer. Das «Wiesner Mysterion» ist ein Ort, an dem alle Willkommen sind: Gourmets, Naturfreunde, Wissbegierige, Wanderer. Stefan Wiesner bietet auch Internships an für Köche. Und er ist Teil von Andreas Caminadas Fundaziun Uccelin. Im «Mysterion» hat es auch Platz für ganze Gruppen. Firmen können Seminare durchführen oder einen Wurstkurs besuchen. Schlafen können die Gäste in den 20 puristisch eingerichteten Zimmern. Frühstück gibts auch. Am Wochenende fährt ein Postauto nach Bramboden. Wer unter der Woche mit dem ÖV kommt, fährt mit dem Zug nach Entlebuch, wo Stefan seine Gäste persönlich mit dem Büsli abholt.
>> Wiesner Mysterion
Brambode 6
6167 Bramboden