Fotos: David Künzler
Zuchtfisch aus Sins. Fisch aus Schweizer Zuchten erfreuen sich grosser Beliebtheit. Was aus den heimischen Seen kommt, reicht oft nicht, um die Nachfrage zu decken. Zuchtfische sind eine optimale Ergänzung zum Wildfang. Im Industriegebiet von Sins im Aargauer Freiamt hat sich ein interessanter neuer Anbieter etabliert. Die Edelkrebs AG zieht hier Masu-Lachse auf – auch bekannt unter dem Namen Bachtellachs oder Cherry Salmon. Die Züchtung aus Japan schaffte es vor rund 18 Jahren in die Schweiz, ist aber nur selten auf den Tellern der Chefs zu finden. Das könnte sich bald ändern. Florian Gemperle, Geschäftsführer und Inhaber der Edelkrebs AG, hat Schweizer Starchefs nach Sins eingeladen, um sie von seinem Produkt zu überzeugen. Gekommen sind unter anderem die Chedi-Twins Fabio Toffolon und Dominik Sato (grosses Bild oben), Julian Marti («EquiTable», Zürich), Stefano Corrado («Anna», Zürich), Dario Moresco («Orsini», Zürich) und viele mehr.
Keine Antibiotika, keine Hormone. Florian Gemperle zeigt seinen Gästen erst die Brutstation. Hier schwimmen Tausende winziger Fische in einem Becken. «Das sind die Äschen», erklärt Gemperle das zweite Produkt der Edelkrebs AG. «In der Schweiz ist die Äsche eine vom Aussterben bedrohte Fischart. Sie ist sehr sensibel und verträgt keinen Stress. Aber sie ist auch eine Delikatesse. Die Aufzucht ist sehr aufwendig, weshalb wir wohl die einzigen sind in der Schweiz, die das machen», so Gemperle. In einem etwas grösseren Becken schwimmen die Masu-Lachse. Im Gegensatz zu den Äschen kauft Gemperle die Lachse als so genannte Setzlinge – und zwar bei Bachtellachs in Hochybrig. In Sins schwimmen sie erst zwei Monate in der Brutstation. Antibiotika, Chemikalien, Hormone und Wachstumsförderer kommen hier aus Prinzip nicht zum Einsatz. Haben die Fische eine bestimmte Grösse erreicht, kommen sie in die grossen Becken der Maststation.
Grosse Fische sind interessant. Die Chefs beobachten die schwimmenden Lachse und wie auf Kommando springt zwischendurch einer aus dem Wasser und sorgt für beste Unterhaltung. «Gibt es eine Strömung im Becken?», fragt einer der Chefs. «Ja, die ist auch sehr genau justiert, sodass sie nicht zu stark und nicht zu schwach ist», antwortet Gemperle. In den 13 Becken sind die Lachse nach Grösse sortiert. Die Fische werden zwischen einem und zwei Jahren alt. Im letzten Becken schwimmen Kaliber von beachtlicher Grösse. «Die sind fast schon etwas zu gross», findet Gemperle. «Genau diese Exemplare finde ich interessant», sagt Stefano Corrado vom «Anna», der den Bachtellachs bereits aus seiner Zeit bei Antonio Colaianni im «Mesa» kennt. Auch die Twins aus Andermatt liebäugeln mit den grossen Exemplaren. «Aktuell haben wir einen Saibling im Menü, den wir über Binchotan-Kohle auf der Hautseite knusprig anbraten. Das könnte man mit dem Masu-Lachs sicherlich auch machen», sagt Fabio Toffolon.
Perfekt für Sashimi. Dass Köche sehen wollen, wo ihre Produkte herkommen, und wie sie produziert werden, ist kein Trend mehr, sondern längst selbstverständlich. Und bevor sie den Masu-Lachs auf die Karte schreiben, wollen sie natürlich wissen, wie er schmeckt. Dafür hat Florian Gemperle prominente Verstärkung geholt: Antonio Colaianni bereitet für seine Berufskollegen einen Lunch zu. Vier Gänge und einige Snacks – alle aus Masu-Lachs oder Äsche. «Ich war damals der erste in der Schweiz, der Bachtellachs zubereitet hat», erzählt Colaianni. Und er ist auch heute noch Fan des besonderen Fisches. Colaianni serviert seinen Gästen zunächst ein Carpaccio vom Masu-Lachs, verfeinert mit Yuzugel, getrockneten Tomaten und Mini-Gurken. «Das ist natürlich cool, dass man einen Fisch hat, den man als Sashimi aufschneiden kann, aber vorher nicht einfrieren muss», findet Fabio Toffolon. Auch Dan Shu aus dem «Gaijin Izakya» ist begeistert. «Ich bin in Vancouver mit dem Cherry Salmon gewissermassen aufgewachsen. Den Fisch roh zu servieren, ist geschmacklich immer die beste Art», sagt Shu.
Weniger Fett, mehr Textur. Auch das kaltgeräucherte Tartar mit Kartofflschaum, Eigelb und Röstzwiebeln – die Abwandlung eines Colaianni-Klassikers – überzeugt die Gäste. Die Profis gehen an die Gerichte anders heran als durchschnittliche Gäste: Zunächst wird am Produkt gerochen und mit dem Finger geprüft, wie die Konsistenz des Fleisches nach dem Braten ist. Erst dann folgt der Geschmackstest. Das Fazit: Der Masu-Lachs hat weniger Fett als Lachs aus anderen Zuchten oder aus Wildfang. «Dadurch ist die Textur eine andere. Ich finde es spannend für den Gast, wenn er etwas auf dem Teller hat, das es nicht überall gibt», sagt Stefano Corrado. Florian Gemperle bestätigt: «Der Masu-Lachs hat einen Fettanteil von etwa sieben Prozent. Dadurch ist er etwas fester im Biss.» Antonio Colaianni gart den Lachs für den Hauptgang sanft, nur mit etwas Olivenöl, im Holdomat. Der Fisch ist perfekt zart, fällt leicht auseinander und passt hervorragend zum Zitronenrisotto. Auch Julian Marti ist ein ehemaliger Schützling Colaiannis: «Ich kenne den Fisch noch aus dieser Zeit. Ich denke, ich nehme ihn jetzt wieder ins Menü.»
Mit oder ohne Haut. Die Chefs können bei der Edelkrebs AG Filets mit oder ohne Haut bestellen. Auch im Ganzen ist der Fisch zu haben und zwar das ganze Jahr über. Einmal pro Woche werden die Fische geschlachtet. Bleibt am Ende nur eine Frage offen: Wieso heisst die Firma Edelkrebs AG, wenn sie eigentlich Fische züchtet? «Eigentlich wollten wir Edelkrebse, eine einheimische bedrohte Krebsart, züchten. Doch nach fünf Jahren mussten wir erkennen, dass es wirtschaftlich nicht funktioniert», sagt Gemperle. Beim Masu-Lachs hingegen gibt es Grund für Optimismus: «Nach dem heutigen Event, den tollen Gerichten von Antonio und der Begeisterung der Köche bin ich sehr zuversichtlich, was unsere Zukunft betrifft», so Gemperle.