Text: Stephan Thomas Fotos: Lucia Hunziker
Treffpunkt der Kenner & Winzer. Natürlich macht in letzter Zeit vor allem das benachbarte Grand Resort Bad Ragaz von sich reden. Aber die Gourmets wissen schon längst, dass man auch im «Rössli» hervorragend tafeln kann. Ueli Kellenberger ist ein Tausendsassa in der Küche. Von seinem Kaninchen toskanische Art beim letzten Besuch schwärmen wir noch heute, von dem perfekten Carnaroli-Risotto nicht weniger. Sollten sie es nach dem Dinner nicht mehr nach Hause schaffen: Das «Rössli» ist auch ein Hotel, und zwar ein auf höchstem Niveau durchgestyltes. «Für die Umgestaltung wurde ein Wettbewerb durchgeführt, zehn Architekten wurden eingeladen. Eigentlich völlig übertrieben für ein so kleines Haus. Aber der befreundete Hochparterre-Chefredaktor Köbi Gantenbein aus dem Nachbardorf Fläsch hat das für uns organisiert.»
Der Schlüssel zur Metzgerei. Unter dem gleichen Dach befindet sich auch eine Metzgerei. Dass sie Kellenberger heisst, ist kein Zufall. Die beste Adresse für Fleisch in grossem Umkreis wird von Ueli's Bruder Eduard geführt. Natürlich hat Ueli den Schlüssel und kann sich auf dem nächstmöglichen Weg mit Rohstoffen versorgen. «Man kann nicht behaupten, dass ich deswegen mehr Fleisch auf der Karte hätte. Aber eine praktische Sache ist die Geschichte schon.» Die Kombination Gasthaus/Metzgerei ist selten geworden. Früher gab es hierzulande manchen «Ochsen» & Co., wo so gewirtschaftet wurde.
In der Ruhe liegt die Kraft. «Ich habe in der Schule gute Noten gehabt, wäre wohl fürs Gymnasium prädestiniert gewesen. Aber ich habe mir gesagt, irgendwer muss doch auch die Sachen machen, wo Zupacken gefragt ist.» Eduard Kellenberger ist kein Mann der grossen Töne. Er lässt lieber seine Produkte sprechen. Die Auslage seiner Metzgerei lässt einem die Augen übergehen. Überall Vielfalt, bedingungslose Frische und Perfektion. Die ungekünstelte Freundlichkeit der Verkäuferinnen verrät, dass da ein guter Geist herrscht. Eduard Kellenberger ist einer, der noch selber metzget - nicht zuletzt aus Liebe zum Beruf. Und er ist einer, der sich viele Gedanken macht. «Ich versetze mich gerne in die Leute. In den Bauern, der mir sein Tier verkauft. In den Punkte-Koch, den ich mit Fleisch beliefere. In die betagte Kundin, die alle zwei Tage hundert Gramm Aufschnitt abholt. Sie ist mir lieber als einer, der mich über den Klee lobt, aber dann ein Jahr lang nicht mehr zu sehen ist. Ich mag stille Komplimente. Etwa wenn jemand zwanzig Kilometer Fahrt auf sich nimmt, um bei mir einzukaufen.» Was, nebenbei gesagt, viele tun.
Nose to tail. Das praktiziert Eduard Kellenberger seit langem. Den Fokus auf heimisches Fleisch sowieso. Nicht erst, seit beides in aller Munde ist. Die Lämmer beispielsweise bezieht er von der nahen St. Luzisteig. Sie liefern köstliche Koteletts und Merguez. Ein Herausforderung ganz allgemein: Es gibt saisonale Runs auf gewisse Produkte - doch auch der Rest des Tiers will verwendet werden. «Im Moment möchten alle Flanksteak haben, aber das ist gemessen am ganzen Rind ein ziemlich kleines Stück.» Kellenberger hat das im Griff. Dass er seine Vierbeiner mit ganz wenigen Ausnahmen aus der Region bezieht, muss nicht betont werden. Da nützen ihm natürlich seine über Jahrzehnte aufgebauten Kontakte zu den Bauern, bei denen er die Tiere aussucht. Die aktuellen Renner im Angebot: Trüffel-Kalbfleisch-Würstchen. Beef pur-Würstchen. St.Galler Olma-Bratwurst IGP. Und nicht zuletzt Pizzawurst.
Bündner Herrschaft & Burgunder. Es gibt neben Fleisch und Küche einen dritten Grund, ins «Rössli» zu pilgern. Die Weinkarte ist schlicht hervorragend. Ueli Kellenberger kennt den Schweizer Wein wie nur wenige andere. Nicht von ungefähr ist er einer der Experten, die bei GaultMillau die 125 besten Winzerinnen und Winzer der Schweiz küren. Auf seiner Karte nehmen natürlich die Weine aus der benachbarten Bündner Herrschaft den ersten Platz ein. Kellenbergers Weinhorizont reicht aber viel weiter. Mit ihm lässt sich ebenso über weisse Burgunder fachsimpeln, und über vieles andere mehr. In seinem Angebot sind erfreulicherweise viele gereifte Weine, die Preise oftmals im Schnäppchenbereich. So sehr, dass man auch einmal eigens wegen einer besonderen Flasche anreist.