Fotos: Lucia Hunziker
«Madame 1000 Volt». Sie kümmert sich um Tochter, Ross und Hund. Sie rollt mit ihrem silbernen V-Zug-Truck bei der Art Basel vor und serviert «Snäks». Sie dreht für Rezeptvideos für ein perfektes Frühstück – nächster Woche auf dem GaultMillau-Channel. Und vor allem kocht sie an Basels nobelster Adresse, im «Stucki», unglaublich souverän, mischt in ihre eleganten Menüs immer wieder Gänge, die uns vom Stuhl hauen. Tanja Grandits ist «Madame 1000 Volt», lebt aus, was ihr lieb und wichtig ist und weiss, dass man nur dann auf so vielen Hochzeiten tanzen kann, wenn man verlässliche Partner hat. Die hat sie: Marco Böhler ist einer der besten Küchenchefs im Land, Julien Duvernay ein Pâtissier der Extraklasse, und Grégory Rohmer bringt Klasse und Ruhe ins Restaurant.
Tanja ist jetzt auch Käserin. Der Hammergang diesmal? Eine wahre Wildkräuter-Orgie! Pimpinelle, Bronzefenchel, Brennnessel, aber auch Liebstöckl und Mini-Lattich, teilweise von einem kleinen Tempurateig umhüllt, darunter Kalbstatar, lässig mit dem grossen Löffel und nicht etwa in einem starren Förmli angerichtet, dazu Meerrettich und Molke. Molke? Die Chefin erklärt: «Ich habe ein neues Hobby: Ich kriege von einem Bauern Geissmilch und mache jeden Mittwochmorgen meinen eigenen Geisskäse. Die Molke verwende ich dann zum Kalbstatar.» Grandits, die Käserin? Der Andeerer Kult-Käser «Floh» (Martin Bienerth) hat es ihr beigebracht, Tanja war eine gute Schülerin. Und eine faire Chefin, die Komplimente weiter reicht: «Eigentlich hat unser Souschef Fabian diesen Gang erfunden.»
Der grüne Teller. Vor den wilden Kräutern eine sanft gebeizte «Brüggli»-Lachsforelle, gezüchtet auf dem Sattel in der Innerschweiz. Die kriegt was mit auf dem Weg zum Gast: eine raffinierte Miso-Mayo, die man gerne weglöffelt, erfrischende Melonenkugeln, schwarzen Sesam, Orangenzesten. Beim wilden Heilbutt mögen wir die leichte Safran-Dashi und die «Beilagen: Kokos, Pfälzer Rüebli. Dann wird’s grün im Teller: Zur Jakobsmuschel gibt’s eine Matcha-Grüntee-Espuma, Basilikum, Basilikum-Essig und Basilikum-Butter. Und auch der nächste Gang ist ein echter «Tanja-Gang»: Eigelb, eine Crème aus Albula-Kartoffeln, Bergkäse aus Andeer (Ducca), Rapsöl und Rapssamen aus dem Thurgau finden wundersam zusammen. Will man jemandem das japanische Modewort «Umami» erklären, kann man einfach diesen Gang bestellen.
Haxen? Entrecôte: Ein Fall für Marco. Zeit für die Fleischgerichte, Chef Marco Böhler übernimmt. Den Königsgang bestellen wir immer wieder: Glasierte Kalbshaxe, 24 Stunden lang bei 64 Grad im Ofen, so unglaublich zart, dass man kein Messer mehr braucht. Die Haxe bleibt auf der Karte, die Zutaten wechseln: Diesmal gibt’s nussige Buchweizen-Granola (!) dazu und Muskatblüten. Den perfekten Lieferanten füs Entrecôte hat Marco in Gstaad entdeckt: Die «Buuremetzg» von Robert Bratschi. Böhler weiss sehr genau, wie lange das Entrecôte im Saanenland abgehangen wurde: «Sechs Wochen und vier Tage». Tanja Grandits ist selber nicht unbedingt ein «Fleischtiger», aber sie weiss, was passt: Am Fleisch ein sehr dünner und sehr eleganter Kirschessig-Lack («nur ein Pinselstrich»), Sumac-Artischocken, roter Langpfeffer aus Indien.
Peperoni zum Dessert. Pâtissier Julien Duvernay huscht schnell aus dem «Stucki»-Keller an den Tisch, präsentiert stolz seine neueste Kreation: Ein Peperoni-Dessert! Die Chefin warnt: «So weit ist Julien noch nie gegangen, aber ich muss zugeben, es schmeckt wunderbar.» Finden wir wider Erwarten auch: Peperoni, Zitronenthymian-Sorbet, Johannisbeeren und Frischkäsemousse finden tatsächlich zusammen. Dessert No. 2 ist keine Herausforderung, aber Genuss pur: Aprikosen mit Haselnuss-Krokant und wunderbarem Passionspfeffer.
Grégory stampfte mit. Wo Tanja kocht, hat’s der Sommelier nicht leicht, wenn es darum geht, die Weinbegleitung perfekt auf die subtilen Geschmacksnuancen abzustimmen. Grégory Rohmer findet den Weg, schenkt aus Grossflaschen ein, was nicht jeder kennt. Eine erfrischen «Gio Clos Saint-Vincent» aus kleiner Produktion im Hinterland von Nizza. Oder einen «Palistorti di Valgiano» aus der Toskana. Auf diesem Familienbetrieb bei Lucca in der Toskana ist noch Hand-und Fussarbeit angesagt; bei der Ernte 2015 hat Grégory einen Monat mitgearbeitet und mitgestampft.