Text: David Schnapp | Fotos: Thomas Buchwalder

Einladend gemütlich. Mittagstermin mit Rudi Bindella Jr. beim Bahnhof Winterthur. Direkt gegenüber liegt das «National», eines von drei Restaurants, welche das Gastronomie-Familienunternehmen in der zweitgrössten Stadt des Kantons Zürichs betreibt. Im Vergleich mit dem manchmal etwas zwanghaft weltläufigen Zürich, wirkt Winterthur auf beschauliche Art einladend durch seine zurückhaltende, aber gemütliche und lebenswerte Art. Aber «Winterthur ist mit seiner Geschichte auch ein Industriemotor», sagt Rudi Bindella Jr. Seine Familie betreibt hier seit vielen Jahren schon Restraurants, «Winterthur ist wichtig für uns», so Bindella.

Rudi Bindella besucht Winterthur 2022

Ein Restaurant, verschiedene Stimmungen: Rudi Bindella Jr. im Winterthurer «National».

Freundliche Fantasiewelt. Das «National» an bester Lage ist ein Restaurant mit verschiedenen Stimmungen, eine gemütliche Beiz zum einen, die unverhofft in einen fast schon spektakulären Glasanbau mündet, wo orientalische Lämpchen an der Decke hängen, ein altes Glockenspiel die Zeit läutet, wo ein riesiges Gemälde des französisch-israelischen Malers Daniel Enkaoua in der Ecke steht und eine meterhohe Wand voller bunter Kacheln dem Raum in eine freundliche Fantasiewelt verwandelt.

Rudi Bindella besucht Winterthur 2022

Nicht klassisch italienisch, aber ein Klassiker im «National»: Rindertatar mit Paprika.

Rudi Bindella besucht Winterthur 2022

Fast schon spektakulär: der Glasanbau mit orientalischen Lämpchen im «National».

«Breites Universum.» Seit 2012 führt die Familie Bindella das Restaurant National, «unser Universum ist breit», sagt Rudi Bindella Jr. über das kulinarische Angebot. «Natürlich haben wir einen Italienfokus, aber es hat auch Platz für eine gewisse Breite.» Das handgeschnittene Rindertatar, das am Tisch zubereitet wird, gehört mit seiner leichten tomatigen Schärfe zu den Signature Dishes hier, auch wenn es nicht Bestandteil der ursprünglichen italienischen Küchengeschichte ist. Die Schneekrabbe mit Avocado und Fregola, Portulak und Senfdressing kommt mit einer feinen mediterranen Note daher und die gebratene Kalbsleber mit Zwiebeln, Kräuter und etwas Kalbsjus ist an die klassische «Veneziana»-Art angelehnt, wirkt aber etwas feiner und raffinierter.

Rudi Bindella besucht Winterthur 2022

Italienisches Essen für Generationen: Rudi Bindella Jr. mit Pizzaiolo Dario Barbarisi am Holzofen im «Santa Lucia».

Pizza seit 1965. Die Winterthurer seien treue Gäste, sagt Rudi Bindella Jr., während er sich auf den Weg macht ins «Santa Lucia», wo noch das Familienwappen von Grossvater Bindella zu finden ist und an die fast drei Jahrzehnte Geschichte erinnert, welche die Unternehmerfamilie mit der Stadt verbindet. Das Konzept «Santa Lucia» ist 1965 entstanden, hier haben Generationen von Schweizern italienisch Essen «gelernt». Die Pizza mit dem knusprigen Boden – anders als die neapolitanische Variante mit ihrem fast schon flüssigen Kern – ist «eine historisch gewachsene Rezeptur», sagt Bindella.
 

Klassiker aus dem Schmortopf. In der etwas gehobeneren Cantinetta Bindella, dem früheren Restaurant Wallfisch in der Altstadt, kommt der Klassiker des Hauses nicht aus dem Steinofen, sondern aus dem Schmortopf: «Ossobuco ist unser Bestseller, alleine im Februar haben wir 78 Kilogramm Kalbshaxen zubeitet», sagt Geschäftsführer Daniel Steiger. Für die Küche der Cantinetta ist Somasundaram «Kandee» Kandeepan verantwortlich, der hier seit 23 Jahren arbeitet und bei den Bindellas im Wortsinn eine Tellerwäscherkarriere gemacht hat. 

Rudi Bindella besucht Winterthur 2022

Beliebter Freundinnen-Treff: die Cantinetta Bindella in Winterthur.

Rudi Bindella besucht Winterthur 2022

Bestseller: der Ossobuco von Küchenchef Somasundaram Kandeepan in der Cantinetta Bindella.

Investition in die Qualität. Nach der letzten Betriebsvisite in Winterthur macht sich Rudi Bindella Jr. wieder auf den Weg ins Büro. Als Vertreter der nächsten Generation im Unternehmen ist er unter anderem für neue Restaurantideen zuständig. In Zürich hat er mit der Trattoria Sempre italienische Sharing-Küche etabliert, in Bern ist im vergangenen Jahr die Lifestyle-Pizzeria «Più» eingezogen, weitere Lokale sind geplant. «Ich möchte aber nicht bloss Konzepte im Copy-Paste-Verfahren installieren. Mein wichtigstes Projekt ist zurzeit die Steigerung der Qualität in unseren Betrieben. Indem wir zum Beispiel noch mehr in die Qualität der Rohprodukte investieren, deren Güte sich am Ende auf das Gericht auswirkt», sagt Rudi Bindella Jr. über seine unmittelbaren Pläne.