Text: David Schnapp Fotos: Nik Hunger

Die Ruhe vor dem Samstagabend. Noch ist es ruhig im «Josef» an der Josefstrasse mitten in Zürich. In ein paar Stunden aber wird die Bar belebt und jeder Tisch besetzt sein. Mit seinem kleinen Team wird David Heimer rund 100 Essen «schicken», wie es in der Gastronomie-Sprache heisst. Die Küche, aus der das geschieht, ist klein, gekocht wird auf Gas und Feuer, der Raum wird also auch heiss. «Genau das liebe ich an meiner Arbeit», sagt der 14-Punktechef voller Energie und Überzeugungskraft.

Hitze und Freude. Die Magie dieser Atmosphäre, die Hitze, die Anspannung, aber auch die Freude und Schönheit dieser Tätigkeit hat David Heimer früh erkannt. Schon als Elfjähriger hat er bei seinem Onkel, einem Unternehmer, in dessen Resort eine Schnupperlehre in der Küche gemacht. «Von da hat habe ich die Schulferien in der Küche verbracht», erzählt Heimer, der in Karlstad in der Provinz Värmland aufgewachsen ist. 

Restaurant Josef

Immer noch Kult: Auch Dank David Heimers Küche bleibt das «Josef» im Trend.

«Fischen und Jagen.» Die Heimers – der Vater Agronom, die Mutter Biologin – waren Selbstversorger mit eigenen Jagdgründen, «Fischen und Jagen, Beeren und Pilze sammeln, aber auch das Schlachten von Elchen oder Hirschen waren Teil meiner Kindheit», erzählt der junge Koch, der später auch noch in einem Skateboardladen gearbeitet hat, und Malen als eines seiner Hobbys bezeichnet. 

Arbeit als Prinzip. Arbeit war für David Heimer schon früh ein prägendes Lebensprinzip, «das Taschengeld mussten wir Kinder uns mit Einsätzen im Garten verdienen», sagt er beispielsweise. Dass ihn das Kochen besonders fasziniert, hat vielleicht auch damit zu tun, dass nur aus harter Arbeit eine aussergewöhnliche Küche entstehen kann. Aber für Heimer gibt es noch einen übergeordneten, fast poetischen Aspekt: «Für mich ist Kochen einfach wahnsinnig schön, man hat es mit tollen Produkten zu tun, es ist kreativ und am Schluss schmeckt das Resultat erst noch gut.»
 

Restaurant Josef, David Heimer, Küchenchef mit Sous-Chef Davide Peli

«Kochen ist einfach wahnsinnig schön»: David Heimer mit Davide Pelli, einem seiner beiden Sous-Chefs.

«Energie im System.» Die Küche mache es einem dabei nicht immer einfach, «sie fordert einen, immer besser zu werden», sagt Heimer. Die Freude und Begeisterung des «Josef»-Chefs ist fast physisch greifbar, wenn er erklärt, dass auch der «sportliche Mannschafts-Aspekt» ein Grund dafür sei, dass er seinen Job mit soviel Leidenschaft angeht. «Eine Küche ist nur gut, wenn viel Energie im System ist», sagt Heimer. Als Chef könne er nicht allein für 100 Gäste kochen, es brauche ein Team, und er sei dafür zuständig, die Treibstoffzufuhr zu regeln, damit der Motor hoch genug dreht, aber nicht überhitzt.

Prägende Zeit. Schon 2012 kam David Heimer erstmals nach Zürich ins «Josef», wurde Sous-Chef in dem Restaurant, das seit vielen Jahren fester Teil der so genannten Szene-Gastronomie ist, sich dabei aber immer wieder neu erfindet und kulinarisch wohl noch nie so relevant war wie gerade jetzt. 2017 zog Heimer zurück nach Schweden, im weltberühmten «Fäviken Magasinet» von Magnus Nilsson erlebte er zwei prägende Jahre. «Magnus ist ein Genie der Küche, bei ihm habe ich meine Wurzeln als schwedischer Koch entdeckt», sagt Heimer heute.

Restaurant Josef; Hirschrücken, wilder Broccoli, Kürbis

Feuer und Flamme: Hirschrücken, wilder Broccoli oder Kürbis bereitet David Heimer auf dem Holzkohle-Grill zu.

Kochen im Moment. Die Jagd, das Feuer, oder Techniken zum Einmachen oder Fermentieren von Früchten des Waldes etwa waren fester Teil des «Fäviken»-Repertoires und den Bezug zu seiner Heimat stellt David Heimer heute auf lockere Art auch mitten im Zürcher Kreis 5 her. Fleisch brät er am liebsten auf Holzkohle, ein Hirschrücken etwa wird am Knochen über der Glut gegart, dabei wird das Stück immer wieder gewendet, bekommt zwischendurch etwas Ruhe und ist am Schluss perfekt rosa, leicht rauchig und erhält mit grilliertem und karamellisiertem Kürbis, Hirschjus und einer Cognac-Pfeffer-Sauce eine wunderbar herbstlich-stimmige Einbettung. «Ich mag das Kochen mit Feuer, es ist eine Art, sehr im Moment zu leben», sagt Heimer.

Kochen braucht Zeit. Auch wenn ein Abend im Josef dem Küchenteam viel abverlangt, nimmt sich David Heimer die Zeit, welche die perfekte Zubereitung seiner Meinung nach eben verlangt. «Es geht hier letztlich um natürliche Prozesse, einen Steinpilz kann man nicht in 30 Sekunden zubereiten. Am besten brät man ihn langsam bei tiefer Temperatur in Butter für zehn, fünfzehn Minuten», erklärt der Koch. 

Neue Heimat. Zürich ist für David Heimer längst Heimat geworden, er möge das Land, die Leute, die Berge, sagt er. Gleichzeitig webt er als Verbindung zu seinen Wurzeln geschickt feine Fäden in seine Arbeit ein, die eine sehr persönliche Handschrift zeigen. Den Zander aus dem Lago Maggiore ergänzt er mit Karlix-Kaviar, eine schwedische Delikatesse. Der Rogen wird von Felchen gewonnen, die im Brackwasser leben, und die Saison dafür ist kurz. Den Fisch selbst pochiert Heimer in einem Sauerkrautsaft-Dill-Sud, auch das ist «typisch schwedisch», wird hier auf dem Holztisch im «Josef» aber fast schon zu einem Zürcher Klassiker. 

 

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