Fotos: Pascal Grob
Souveräne Küche, souveräner Service. Die «Kronenhalle» ist Zürichs legendärstes Restaurant, öffnet jeden Tag ausser an Heiligabend, feiert dieses Jahr sein 100-jähriges Jubiläum. Und ziemlich erstaunlich: Über 170 Gäste finden in der Brasserie, dem Chagall-Saal und der Schweizer Galerie gleichzeitig Platz, trotzdem bleibt über Mittag und Abend kaum ein Tisch frei. Das hat gute Gründe: Einerseits natürlich das einzigartige Ambiente, kreiert durch die Gemälde und Zeichnungen von Picasso, Chagall, Miró, Kandinsky, Braque und Tinguely. Die doppelt eingedeckten Tische mit weissen Tüchern sowie dem darunterliegenden grün-weissen Stoff mit Blumenmuster. Andererseits die 85-köpfige Equipe, von denen rund 30 in Küche und Service pro Schicht im Einsatz sind, deren Zusammenarbeit so reibungslos funktioniert wie ein Schweizer Uhrwerk. Küchenchef Peter Schärer (grosses Bild oben) stellt seit über 30 Jahren die gleichbleibende Qualität der Brasserie-Gerichte sicher mit seiner Brigade aus Sous-Chefs, Poissoniers, Entremetiers, Sauciers und Kochlehrlingen. Das Team von Restaurantleiterin Julia Scussel richtet mit souveränen Handgriffen die Gerichte direkt vor dem Gast am Guéridon, dem Beistelltisch, an – oft in zwei Etappen, damit die grosszügige Portion beim Essen nicht kalt wird.
Zumstegs Testament. Wer in die «Kronenhalle» geht, erwartet eine gewisse Beständigkeit. Das wusste auch Inhaber Gustav Zumsteg, der die Brassier-Klassiker auf der Menükarte gleich testamentarisch geregelt hat. «Ich verwalte gewissermassen Zumstegs Erbe, habe mit ihm abgemacht, dass ich die Küche nach seinem Tod so weiterführe, wie er es gern hätte», verrät Küchenchef Schärer im SRF-Dok über die «Kronenhalle». «Die Gerichte auf der linken Seite unserer Karte waren schon so, als ich gekommen bin – sie werden auch so sein, wenn ich wieder gehe.» Ebenfalls im Testament verewigt und unantastbar: Die Hängung der knapp hundert Kunstwerke, die Anordnung der Tische, die Drapierung des grün-weissen Stoffs mit Blumenmuster, das unter der weissen Tischdecke liegt. Und die Wirtschaftlichkeit der «Kronenhalle»: Falls sich das Restaurant nicht mehr selbst finanzieren kann, gehen die Türen zu. Die Stiftung soll den Restaurantbetrieb nicht quersubventionieren.
Die besten «Kronenhalle»-Gerichte. Für «Züri isst»-Blogger Pascal Grob gehört die Adresse an der Rämistrasse zu den Restaurants, die er in der Limmatstadt am häufigsten besucht. «Die entschleunigende Atmosphäre, die bewundernswerte Resilienz gegenüber Food-Trends und der hochprofessionelle Umgang mit den Gästen. Das Anrichten am Guéridon, die Präsentation der Voiture. Alles zusammen wirkt wie ein einstudiertes Ballett. Ein Restaurant mit einer Grandesse, die in Zürich einzigartig ist und auch im Ausland schwierig zu finden wäre», so Grob über den Grund, weshalb er jedem Besuch so entgegenfiebert, als wäre es das erste Mal. Für den GaultMillau-Channel hat er sein Ranking der besten «Kronenhalle»-Gerichte erstellt:
Mein Favorit unter den «Kronenhalle»-Vorspeisen, drei Komponenten für die perfekte Symbiose: Eine klassische, kräftige Bouillon als Basis, zubereitet aus Rindsknochen und geröstetem Suppengemüse wie Karotten, Zwiebeln und Sellerie. Der fluffig-leichte, tadellos abgeschmeckte Knödel aus Rindsleber. Und zu guter Letzt etwas fein geschnittener Schnittlauch. Eine der besten Suppen der Stadt!
Das Gericht, das ich in der «Kronenhalle» am liebsten und häufigsten bestelle – vor allem in Kombination mit dem zuvor erwähnten Gurkensalat. Ein ganzes, saftiges Mistkratzerli, gebraten mit viel Butter, Knoblauch sowie Rosmarin, das das Servicepersonal auf dem Beistelltisch gekonnt tranchiert und in zwei Etappen auftischt. Einziger Wermutstropfen: Die Pommes frites sind nicht hausgemacht.
Platz zwei in meinem Ranking der besten «Kronenhalle»-Hauptspeisen rollt direkt in der «Voiture» an den Tisch, gibts nur mittwochs und samstags über Mittag: Bollito misto – ein Fleischtopf mit Siedfleisch, Kalbszunge, Schüblig, Kalbskopf, gefülltem Schweinsfuss («Zampone») sowie Pouletschenkel und -brust. Dazu noch Sellerie, Lauch, Rüebli, Wirz, eine ausgezeichnete Salsa verde, Knoblauch-Mayonnaise sowie ein gemischter Salat aus Gurke, Rande und Rettich. Ein Gericht, das an alte Zeiten erinnert, aufgrund des «Nose to tail»-Prinzips aber so relevant ist wie eh und je.
Ein Gurkensalat, der meiner Idealvorstellung davon ziemlich nahe kommt. Und eine Allzweckwaffe im «Kronenhalle»-Angebot, die als Beilage einen idealen Kontrapunkt setzt zu den herzhaften Hauptgerichten. Geschälte und in dünne Scheiben geschnittene Gurke, Weissweinessig, Rapsöl und etwas Dill – ein Gericht, das nie auf der Karte steht, aber jederzeit bestellt werden kann.
«Matjes» entsteht aus jungen, nicht geschlechtsreifen Heringen mit hohem Fettanteil, die in einer Salzlake gereift sind. Das Resultat: ein milder Geschmack, eine zarte Konsistenz. Auf dem Teller kommen noch Crème fraîche, geraffelter Apfel, fein gehackte weisse Zwiebeln und Schnittlauch hinzu. Eine leichte Vorspeise, die in Kombination mit Rösti auch als Hauptgericht eine wunderbare Figur macht.
Der «Kronenhalle»-Bestseller, der jeder Gast mindestens einmal bestellen sollte. Eine hervorragende Variante des «Zürcher Geschnetzeltes», die bewusst nicht so heisst. Die feinen Unterschiede: Butterzartes Kalbsfilet statt Kalbsbäggli sowie Champignon, die gleich püriert in die sämige Rahmsauce kommen. Ausserdem muss ich mein früheres Urteil revidieren: Die Rösti hat zur Höchstform zurückgefunden, glänzt stets mit einem idealen Verhältnis zwischen goldbrauner Kruste und butterigen Kartoffelspänen. Das Gericht wird in zwei Etappen aufgetischt.
Eine weitere Suppe aus dem Repertoire der «Kronenhalle», die trügerisch unspektakulär aussieht, dann aber ziemlich spektakulär schmeckt. Der Name verrät die tonangebende Zutat: Ochsenschwanz. Dazu kommt ein Schuss Sherry, der eine herb-süsse, nussige Note beisteuert.
Auch das gute alte «Entrecôte Café de Paris» beherrscht das Restaurant an der Rämistrasse: Die Küche bezieht das lange abgehangene Rindfleisch aus den Schwyzer Voralpen, trifft den gewünschten Garpunkt ohne Probleme. Und geizt glücklicherweise nicht mit der namensgebenden Butter-Kräuter-Sauce.
Eine Leibspeise der Schweiz, die den gutbürgerlichen, herzhaften Charakter der «Kronenhalle»-Küche nochmals unterstreicht. Trotzdem ist sie etwas leichter als der Bestseller mit Rahmsauce: kurz angebratene, saftige Kalbsleber mit leicht karamellisierten Zwiebelstreifen. Auch hier ist Rösti als obligatorische Beilage ein Must.
Bei den «Kronenhalle»-Gästen ist das Schoggimousse hoch im Kurs, ich erkundige mich lieber nach der wunderbaren, nicht zu süssen Fruchtwähe, die wahlweise mit oder ohne Schlagrahm auf den Teller kommt. Das Angebot richtet sich jeweils nach der Jahreszeit: Apfel, Birne, Kirsche oder Zwetschge.