Text: Urs Heller I Fotos: Patricia Heller, Marcus Gyger
35 Jahre sind genug. Ein Grosser geht: Franz Wiget schliesst nach 35 erfolgreichen Jahren den prächtigen Landgasthof «Adelboden» ob Schwyz. Der Chef geht durch die Vordertüre, auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Vor sechs Monaten hatte Wiget auf dem GaultMillau-Channel seinen Rücktritt angekündigt. Sechs Monate lang war das Restaurant jeden Abend restlos ausgebucht. Eine Hommage der Gäste, die Ruth und Franz Wiget ins Herz geschlossen haben und immer schätzten, was sie im «Adelboden» kriegen: Herzliche Gastfreundschaft. Einen perfekten Service. Und eine grandiose, auf klassischer Basis aufgebaute Küche. Zum «Wiget-Fanclub» gehörten viele Berufskollegen. Und auch der GaultMillau; Franz Wiget war 2012 unser «Koch des Jahres», holte danach auch zwei Michelin-Sterne in die Innerschweiz.
Das letzte Abendmahl. «Dernière. Die Adelbodenküche im Heumonat 2022», stand schlicht auf der letzten Menükarte. Eine wunderschöne Sommernacht, natürlich ein volles Haus. Die «Gupfbuebä», eine Ländlerkapelle mit Kultstatus aus Unterägeri, spielten auf. «Wir haben uns erfolgreich selber eingeladen», verkündete der Kapellmeister. «Musik» auch aus der Küche. Franz Wiget und sein Team gaben ein letztes Mal Vollgas. Eine Genussbombe nach der anderen, perfekt zubereitet wie immer. Nicht ohne Überraschungen: In seinem letzten Menü servierte Wiget zum ersten Mal konfierte, entbeinte Wachteln aus der Dombes, «weil meine Frau diese Vögeli so gerne hat.»
Der perfekte Hummer. Einer wie Wiget geht nicht ohne einen letzten, besonders genialen Auftritt. Der Knaller diesmal: Perfekt grillierter Atlantik-Hummer auf Fregola Sarda, mit einer unfassbar guten Sauce. Madras Curry und vor allem Ingwer, genial ausbalanciert, bauten Spannung auf im Teller. Die Gänge davor: Ein «Goldenes Ei» mit weissem Basilikumschaum. Carpaccio von der Langustine mit Avocado und Granny Smith. Gänseleber mit Gelee und Gänseleber-Süppli. Mit der Leine gefangener Küstenkabeljau mit ein paar Miesmuscheln, «damit noch etwas Salzigkeit in den Teller kommt.»
Gummelistunggis & «Daube de Boeuf». Natürlich durfte der «Signature Dish» des Hauses nicht fehlen: «Gummelistunggis», Wigets grossartiger (Agria-)Kartoffelstock, geduldig durchs Sieb gestrichen, in all den Jahren immer wieder verfeinert und perfektioniert. Ein rosa gebratenes Muotathaler Kalbsfilet gab’s dazu, vor allem aber «Daube de Boeuf» einen unglaublichen Eintopf aus der Provence. «Boeuf Bourguignon kann jeder», sagt Wiget, «ich suchte in meinen Kochbüchern nach einer anderen Lösung.» Für seine «Daube» tauchte er das Rindfleisch tagelang in den Rotwein. Natürlich kriegt man davon nie genug. Also gab’s auf besonderen Wunsch gegen Mitternacht nochmals eine letzte Runde: Gummelistunggis, Rindfleischwürfel, Wundersauce.
Tränen flossen (noch) keine. Ruth und Franz Wiget verabschiedeten sich fröhlich von der fröhlichen Tafelrunde (Stammgäste, Freunde, Kids). Tränen gab’s (noch) keine. Der Patron: «Wir haben uns den Rücktritt reiflich überlegt, waren innerlich gut auf diesen letzten Abend vorbereitet. Aber klar: Spurlos geht so ein Moment nach intensiven 35 Jahren im Beruf nicht vorbei.» Letzte Botschaft auf der Webseite: «Geschätzte Gäste, wir sind ab dem 1. Juli im Ruhestand. Wir danken für Ihre Treue.» Der GaultMillau dankt auch: Für die fantastische Zeit, für unzählige wunderschöne Stunden im «Adelboden».