Fotos: David Hubacher
Etikett «legendär». Kitchen Partys gibt es mittlerweile überall und viele, diese aber darf völlig zu Recht mit dem Etikett «legendär» behangen werden: Zum Start des 30. Gourmet Festivals St. Moritz drängten sich am Montag, 29. Januar 2024 Dutzende Köche, rund 300 Gäste sowie zehn Starchefs aus der ganzen Welt zwischen Herden, Backöfen und Nebenräumen der Grossküche des Badrutt’s Palace. Zum Reiz des diesjährigen Festivals trägt natürlich bei, das ausschliesslich Chefs aus Drei-Sterne-Restaurants eingeladen wurden, sie kommen aus Hongkong, London, Singapur, Wien oder den französischen Alpen und sorgen für ein Line-up, das absolut einmalig ist.
Streetfood von Starchefs. Der Sinn des oft kopierten, aber nie erreichten Anlasses ist schnell erklärt: Ausgerüstet mit einer schwarzen Kochschürze und einem Glas Laurent-Perrier «La Cuvée» machen sich die Gäste auf, um bei den verschiedenen Köchen eine Kleinigkeit zu Essen zu bekommen. Dies ist angesichts der beengten räumlichen Verhältnisse einfacher beschrieben als umgesetzt, aber das Gedränge wie an einer Street Parade gehört zum Charme dieses Fests, wo Drei-Sterne-Köche in den Gassen der Hotelküche – wenn man so will – Streetfood verteilen.
Bestes Löffelgericht? Wobei die wichtigsten Zutaten des Abends – nicht ganz überraschend – Trüffel und Kaviar waren, die in verschiedensten Kombinationen verwendet wurden. Das beste Löffelgericht kam dabei von Emmanuel Renaut aus Megève, der zu feiner Brunoise geschnittene Kardonen wie einen Risotto zubereitete hatte, und diesen mit schwarzem Trüffel würzte. Renaut hatte ausserdem den wohl prominentesten Commis des Abends dabei: Édouard Loubet war 2011 GaultMillaus Koch des Jahres in Frankreich und half dem Kollegen, den Risotto zu rühren. Die einfachste Art, Kaviar zu servieren, fand übrigens Tristin Farmer. Der Chef des zur Frantzén-Gruppe gehörenden Restaurants «Zén» in Singapur legte den Rogen vom Stör einfach in ein knuspriges Algenblatt.
Grösste Schwierigkeit? Eric Vildgaard, der mit seinem Restaurant Jordnær für zwei Monate als Pop-up im Swiss Deluxe Hotel Badrutt’s Palace eingezogen war und so etwas wie das kulinarische «Must see» des bisherigen St. Moritzer Winters ist, bereitete für die Kitchen Party 300 knusprige, blumenförmige Waffeln zu, die an der Unterseite mit einem leichten Shirmps-Cocktail gefüllt und oben mit Kaviar vollendet wurden. Weil der dänische Starchef mit Gang-Vergangenheit aus Prinzip jede Komponente seines Menüs täglich frisch zubereitet, machte ihm der Auftrag für diesen Snacks allerdings zu schaffen: «Wegen der grossen Menge mussten wir einen Teil der Waffeln gestern schon herstellen. Das merkt zwar niemand, aber für mich war das wirklich schwierig.»
Schönste Pinzettenarbeit? Stefan Stiller, der deutsche Koch, der seit 20 Jahren in China kocht und unter anderem das Drei-Sterne-Restaurant Taian Table in Shanghai führt, sorgte für die schönste Pinzettenarbeit des Abends und machte sich damit das Leben nicht eben einfacher. Dicht bedrängt von hungrigen Gästen nahm sich Stiller aber die Zeit, um sorgfältig Schnittlauchblüten auf eine Art Sandwich mit australischem Rindfleisch, Filet-Tartar, Rettich, Gochujang-Chilipaste und Kimchi zu platzieren.
Bester Comfort Food? Simon Rogan, der in Cartmel (UK) das Drei-Sterne-Restaurant in L'Enclume mit eigener Farm betreibt, war fasziniert von der Szenerie, die an die «Rush Hour» in der Tokioter U-Bahn erinnerte, wo sich geduldige Menschen diszipliniert aneinander vorbeischieben: «That’s just crazy», so der Brite. Rogan servierte einen Würfel, der aus einem festen Käse-Pudding bestand, welcher in Birkenzucker karamellisiert und mit walisischem Trüffel garniert wurde und sorgte für den eigenwilligsten besten Comfort Food der Party.
Höchster Butteranteil? Wahlweise als erfrischende Vorspeise oder als eigenwilliges Dessert liess sich der Signature Dish von Juan Amador einsetzen. Die geeiste Beurre blanc mit Haselnussschaum und Oscietra-Kaviar ist eine treue Begleiterin des Deutschen mit «spanischem Pass und Herzen», wie er sagt. Amador hat das Kunststück fertiggebracht, nacheinander in drei verschiedenen Städten Restaurants zu eröffnen (heute arbeitet er in Wien) und jedes Mal mit drei Sternen ausgezeichnet zu werden. Und seine zu cremigem Eis gefrorene klassische Sauce der französischen Küche war ausserdem das Gericht mit dem höchsten Butteranteil: «mehr als 50 Prozent», verriet der Koch lachend. «Es heisst ja schliesslich Beurre blanc», so Amador. Zum Schluss sagte der 55-Jährige auch noch, dass er über das Ende seiner Karriere nachdenke: «Ich habe viel erlebt, nicht alles ist mir gelungen und ich kann mir vorstellen, auch noch etwas anderes zu tun – Kunst beispielsweise interessiert mich.» Im Moment aber, soviel steht fest, kocht Juan Amador noch bis zum 3. Februar im Engadin, und seine geeiste Beurre blanc gehört zu den Gerichten, die man gegessen haben sollte.