Interview: Kathia Baltisberger | Fotos: Adrian Ehrbar / Caspar Martig
Pascal Steffen, das Jahr 2021 geht nicht als eins der besten in die Annalen. Gab es für Sie trotzdem ein Highlight?
Bei uns ist in diesem Jahr extrem viel gegangen, wir haben das Restaurant weiterentwickelt. Das fängt bei der Kleidung im Service an und hört in der Küche auf. Da sind wir noch filigraner geworden. Wir haben auch das «Day Dinner» ins Leben gerufen. An drei Sonntagen haben wir unser 9-Gänge-Menü als Lunch angeboten. Das hat viele Gastronomen angezogen, aber auch Gäste, die abends nicht mehr so viel essen mögen. Das werden wir nächstes Jahr sicher auch wieder machen.
Mussten Sie auch Tiefpunkte durchleben?
Es gab sogar viele Tiefpunkte. Aber ich bin ein positiv denkender Mensch. Natürlich prägen solch negativen Erlebnisse. Dann schaue ich, was man machen kann, damit es wieder besser wird. Aber oft reicht das nicht. Nehmen wir zum Beispiel die Situation mit den Mitarbeitern. Es ist so schwierig, gute Leute zu finden. Das ist ein Problem, das die ganze Branche betrifft und das kann man nicht mit positivem Denken lösen.
Wie schaffen Sie Anreize?
Das muss ich eigentlich gar nicht. Es ist sehr cool, bei uns zu arbeiten. Wir sind ein lukrativer Arbeitgeber. Wir haben neun Wochen Ferien, sonntags und montags ist geschlossen und wir haben nur noch abends geöffnet.
Wieso haben Sie den Lunch gestrichen?
Der Spagat war einfach zu gross. Am Mittag war das Konzept etwas einfacher. Aber wir haben 17 Punkte, die Gäste erwarten das auch am Mittag. Markus Arnold hat das mit seinem Easy-Lunch-Konzept in Bern super gelöst. Wir haben das vielleicht zu wenig kommuniziert. Und finanziell rechnet sich das nicht. Deshalb haben wir nur noch abends offen. Für mich ist das auch attraktiv, wenn man erst am frühen Nachmittag in der Küche sein muss.
Sie gehören zu den Chefs, die schon seit Jahren Gemüse in den Mittelpunkt stellen. Mittlerweile ist das ein Trend.
Ich finde das absolut geil. Das ist aktuell einfach ein Thema. Daniel Humm kocht nur noch vegan, Andreas Caminada hat ein Vegi-Restaurant. Ich bin ja nicht der erste Koch, der auf Gemüse setzt. Aber in der Schweizer Szene vielleicht einer der ersten, der das so umgesetzt hat. Das «Roots» ist nicht radikal, ich suche nicht das Extreme. Mir ist der bewusste Umgang mit den Produkten wichtig.
Der nächste Schritt wäre eine vegane Küche. Ist das eine Option für das «Roots»?
Nein, das ist keine Option. Wir haben vegane Gerichte auf der Karte und ich kann Veganern ein komplettes Menü ohne tierische Produkte servieren. Mein Snack war schon immer vegetarisch. Aktuell ist das eine Art Borschtsch mit geräucherter Rande. Viele Gäste sagen, da hats doch Speck drin. Aber nein, das ist sogar vegan. Aber ich verwende für eine Velouté gerne etwas Rahm oder Butter. Ich überlege mir einfach immer, ob es das jetzt wirklich braucht.
Sie haben sich aber selbst vegan ernährt im Lockdown. Wie war das?
Ich esse zuhause ohnehin meist vegetarisch. Da habe ich einen Monat lang auch keine Milch getrunken oder Joghurt gegessen. Ich will aber auch keine Ersatzprodukte. Ehrlich gesagt war das recht einfach für mich. Ich koche zu Hause so leidenschaftlich wie im «Roots». Da ist einfach etwas Kreativität gefragt.
Gibts ein Gemüse, das Sie nicht mögen?
Früher war es tatsächlich der Rosenkohl.
Und welches lieben Sie über alles?
Eigentlich alle. Wenn ich auf den Markt gehe, sehe ich so viele Sachen, dass ich gar nicht weiss, was ich nehmen soll. Ich stehe oft zehn Minuten in der Gemüseabteilung oder laufe durchs Städtchen bis ich alles gesehen habe. Dann entscheide ich mich, was ich koche. Am Samstag ist in Liestal Markt. Märkte dienen mir als Inspiration. Neulich hatte es noch so kleine Auberginen, die nicht mehr fertig gewachsen sind. So was kaufe ich dann und wir machen etwas daraus. Die waren toll im Aroma.
Sie sind seit diesem Sommer bei «Les Grandes Tables de Suisse». Was hat Ihnen das bislang gebracht?
Ich war endlich bei Guy Ravet essen. Die «Ermitage des Ravet» stand schon lange auf meiner Liste. «Les Grandes Tables» schlägt eine Brücke über den Röstigraben. Man denkt immer, die Romandie ist so weit weg. Aber im Ausland geht man ja auch bei Kollegen essen. Die Distanz ist nur eine Ausrede. Es sind viele angesehene Köche dabei und man kann sich ein schweizweites Netz aufbauen. Man kann sich austauschen und gegenseitig aufeinander schauen. Und ich kann das «Roots» auch in der Romandie bekannter machen.
Was sind Ihre Pläne für das nächste Jahr?
Die Weltherrschaft an mich reissen! (lacht) Ich konzentriere mich voll und ganz aufs «Roots». Wir möchten alles, was wir jetzt schon verbessert haben noch weitertreiben. Das Jahr brachte viele Herausforderungen und man musste sich immer wieder den Gegebenheiten anpassen. Wir haben uns trotzdem weiterentwickelt und das wird auch so wahrgenommen.
Bei welchem Kollegen wollen Sie 2022 unbedingt essen?
Durch die Reisebeschränkungen ist man ja vermehrt in der Schweiz geblieben. Wir haben so viele gute Köche im Land. Man kann hier Ferien machen und so viele unterschiedliche Sachen erleben. Als nächstes möchte ich unbedingt zu Franck Giovannini nach Crissier.
>> Die Channel-Serie zum Jahresende: Sieben begabte Chefs ziehen Bilanz. Heute: Pascal Steffen, 17 GaultMillau-Punkte im «Roots», Basel.