Interview: Elsbeth Hobmeier
Die portugiesischen Weine sind weniger bekannt als diejenigen aus Spanien, Frankreich, Italien. Wie wichtig ist Portugal als Weinland?
Portugal ist ein spannendes Weinland. Hinsichtlich Weinkonsum pro Person und Jahr ist es mit mehr als 60 Litern weltweiter Spitzenreiter. Als Weinproduzent liegt es weltweit auf Rang zehn, europaweit auf Rang fünf. Und es spielt als grösster Korkproduzent der Welt eine wichtige Rolle.
Welchen Platz nimmt Portugal bei den Schweizer Weinkonsumenten ein?
Wenn wir Schweizer Weine ausklammern und nur von den Importen sprechen, ist Portugal in Sachen Rotwein viertwichtigstes Weinland nach Spanien, Frankreich und Italien. Beim Weisswein ist es anders: Neben
den Schweizber Abfüllungen verblasst bei uns alles andere. Dafür stellt Portugal mit Portwein und Madeira zwei spannende Nischenprodukte! Zwar gelten diese Weine vom Alkoholgehalt her als Spirituosen, aber punkto Geschmack und Geschichte sind es aufgespritete Weine. Besonders interessant sind die vielen einheimischen Rebsorten, etwa die Touriga Nacional, die sehr hochwertige und aromatische Weine liefert.
Eine der grossen Weinregionen ist Alentejo. Was zeichnet sie aus?
Das Alentejo ist riesig. Und dort ist es meistens schön warm, die Sommertemperaturen steigen auf über 35 Grad. Die Weine sind daher eher voll, rund und fruchtbetont. Fast ein Drittel der Fläche von Portugal wird von der Alentejo DOP und von Vinho Regional Alentejano abgedeckt. Von hier stammt auch etwa die Hälfte der weltweiten Korkproduktion.
«Das Alentejo ist riesig», von hier stammt auch die Hälfte aller Korken weltweit.
Bei einer Reise durchs Alentejo fällt auf, dass kaum reinsortige Weine, sondern meistens Cuvées produziert werden.
Assemblagen dominieren, das ist richtig. Die Hauptsorten beim Rotwein sind Aragonez, Trincadeira, Alicante Bouschet und Castelão, die oft gemischt werden. Beim Weisswein sind Antão Vaz, Roupeiro, Arinto, aber auch Verdelho, Alvarinho und Viognier wichtig. Traditionell gelten in Portugal eher das Weingut und die Marke als Verkaufsargument, nicht die Traubensorte.
Traditionell werden die Trauben in grossen Vergärungsbecken, den Lagares, mit den Füssen gestampft und zermanscht. Macht das einen Unterschied gegenüber den üblichen Pressen?
Das Fussstampfen ist sehr arbeitsaufwendig und deshalb auch nicht geeignet für grosse Kellereien. Aber die Extraktion mit den Füssen ist sehr sanft, die Qualität der so extrahierten Tannine sehr gut, weil keine bitteren Tannine aus Kernen und Schalen gelöst werden. Diese Methode ist also eher für kleine Mengen an qualitativ hochstehenden Weinen geeignet. Trauben mit den Füssen zu stampfen, ist heute oft eher Folklore als praktische Realität. Aber es ist eine gute Geschichte, die das Weingut erzählen kann.
Barriquekeller vom João Portugal Ramos: Auch hier sind Cuvées Trumpf.
Man trifft recht oft auf ältere Jahrgänge. Reifen die Alentejo-Weine besonders gut?
Das hängt davon ab, ob der Wein die Tanninstruktur, die Konzentration und die Balance hat, um sich in der Flasche positiv zu entwickeln. Auch einfachen Rotweinen tut ein paar Jahre Flaschenreife oft gut. Die besten portugiesischen Rotweine brauchen wie auch andere Spitzenweine gut und gerne zehn Jahre, bis sie ihr Potenzial entfalten.
Zu welcher Gelegenheit, zu welcher Art von Gerichten sollte man einen portugiesischen Wein geniessen?
Ich finde es immer besonders reizvoll, Weine und Speisen aus demselben Land oder aus derselben Region zu kombinieren – zum Beispiel die Gemüsesuppe «Caldo verde» mit einem Vinho Verde. Oder einen Tomatenreis nach portugiesischer Art mit rotem Marquês de Borba von João Portugal Ramos.
>> Jan Schwarzenbach ist ein ausgebildeter Winzer und Weinakademiker, der sich durch seine umfassenden Kenntnisse und sein Fachwissen in der Weinbranche einen Namen gemacht hat. Bei Coop Mondovino ist er für die Auswahl und Bewertung der Weine verantwortlich.
Fotos: Heiner H. Schmitt / Coop; Hans-Peter Siffert
