«Chum chum chauf chäs» klingt ein bisschen wie ein Lockruf, eine Aufforderung. Kein Wunder: Rona Diem ist Neo-Sennerin. Und falls sie nicht gerade 200 Ziegen auf der Bündner Alp hütet und deren Milch zu Geissenkäse verarbeitet, steht sie freitags an ihrem Marktstand auf dem Helvetiaplatz. 30 bis 40 verschiedene Käsesorten aus Rohmilch sind im saisonal wechselnden Angebot: Kuh, Geiss, Schaf, Hart-, Halbhart- und Weichkäse, cremig oder rezent – eine schmeckt besser als die andere. Kein Wunder, bin ich in den letzten Monaten immer wieder über ihren Namen gestolpert: im Pop-up-Restaurant L’appartement. In der Weinbar «169 West». Im «Slow Food»-Paradies «Berg & Tal». Und zuletzt im «Kronenstübli».
Was Diem mit «Chum chum chauf chäs» besonders am Herzen liegt? Die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu propagieren, wo es Mensch, Tier und Boden gut geht. Heisst konkret auch Einkaufspreise zu bezahlen, die Grossverteiler nicht zahlen würden, mit denen Kleinmanufakturen aber ihre Existenz sichern. Und: Die Kundschaft auf die Geschmacksvielfalt von Rohmilchkäse zu sensibilisieren. Für einen ersten Überblick habe ich Rona Diem nach neun Tipps gefragt, die ihr aktuelles Sortiment gut widerspiegeln.
«Toni ist ein Geissenbauer, der alles selbst macht: von der Aufzucht der Tiere übers Melken bis zum Käse und dessen Vermarktung. Einmal in der Woche liefert er seine Kostbarkeiten persönlich aus. Einer meiner Lieblingskäse von ihm ist der verführerische Geissen-Ricotta aus Vollmilch mit Raucharoma. Einfach so aufs Brot oder als Apero, über die Pasta gerieben, oder auch im Ofen mit Kürbis. Eine Wucht, Umami pur.»
«Mein persönlicher Lieblingskäse und einer der sinnlichsten Käse an meinem Marktstand. Am liebsten esse ich ihn pur, ohne Brot oder sonstiger Ablenkung – ausser Rotwein, das passt wunderbar. Der cremige Blauschimmel-Käse aus Schafmilch ist vollmundig mit Noten von Pilz, Karamell und ‹Glück›. Die beiden Schwestern Aninia und Julia haben die Käserei von ihrem Vater übernommen und führen sie mit viel Liebe und exaktem Handwerk weiter.»
«Dieses gereifte Edelstück wird gekäst, wie man früher Käse hergestellt hat, darum schmeckt er auch anders – wilder und roher. Das Rezept hat Eberle von seinem Grossvater übernommen. Statt flüssigem Lab verwendet er beispielsweise getrocknete Kalbsmägen, in denen das Enzym Chymosin vorkommt, die Milch eindicken lässt – das erfordert viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Der Nachtwächter für unseren Marktstand reift mindestens 14 Monate und wird mit Thurgauer Pinot geschmiert und gepflegt, was ihm die dunkle Rinde verleiht.»
«Stefan Föhn war Zuckerbäcker und betreibt mit seiner Frau Sabine nun einen Demeter-Hof mit Rätischem Grauvieh unterhalb des Piz Beverins auf 1900 Meter über Meer. Dort verwandelt er die Milch seiner eigenen Kühe in der Hofkäserei zu sündhaft guter Crème Fraîche, Quark, Joghurt – und diesem leckeren Brie! Was mir am Käse besonders gefällt: die Ausgewogenheit und eine leicht säuerliche Note, die Spannung erzeugt. Seine Molkereiprodukte gibts nur bei Gelegenheit: So kleine Mengen regelmässig in die Stadt zu transportieren, lohnt sich von der Logistik her leider nicht.»
«Unter den Schweizer AOP-Käsen ist der Etivaz mein Favorit und für mich der eigentliche Star – nicht etwa Gruyère! Er hat einen interessanten, eigenwilligen Geschmack und überzeugt mit Zitrus-, Gewürz- und Nussnoten. Hergestellt wird er ausschliesslich auf Waadtländer Alpen während den dreieinhalb Alpsommer-Monaten, gekäst werden die 30-Kilo-Laiber von Hand und über dem Feuer. Nach zehn Tagen kommt er von der Alp runter ins Dorf in den Gemeinschaftskeller, wo alle Laibe am gleichen Ort unter den gleichen Bedingungen reifen.»
«Normalerweise stehe ich nicht auf Firlefanz wie Gewürze im Käse oder auf der Rinde. Ein Käse schmeckt mir gut, wenn der Käse gut ist – und nicht aufgrund einer speziellen Affinage. Bei dieser Kombination wurde ich aber schwach: das Florale des Lavendels und dieser Doppelrahmkäse mit viel Tiefgang – Suchtgefahr! Den Käse gibts nur bei mir: Sie haben mir ursprünglich den Käse vorgeschlagen, als ich etwas zum Muttertag gesucht habe. Nun finde ich ihn so gut, dass sie das ganze Jahr extra für mich eine kleine Charge machen.»
«Auf dieser Alp oberhalb von Vals habe ich zwei Sommer als Hirtin und Sennin gearbeitet. Die Milch wird täglich verkäst und im Käsekeller auf der Alp geschmiert sowie gepflegt, während die kleinen Laibe reifen. Elegant, ausgewogen und cremig ist der junge Peiler-Geissenkäse – genau so wie er mir gefällt. Auf der Alp fressen die Tiere nur, was sie finden: Kräuter, Pflanzen und Gras – und liefern so die beste Milch! Ein Unterschied der Geissenmilch im Gegensatz zu Kuhmilch: Sie hat kleinere Fettmoleküle und nimmt dadurch Geschmack schneller auf, weshalb Geisskäse schneller rezent werden.»
«Ein hervorragender Rohmilchkäse von Thomas Stadelmann aus dem Toggenburg, wo im Nachbarsdorf der bekannte Willi Schmid käst. Stadelmanns Käse überzeugt mich immer wieder aufs Neue: Er ist sehr aromatisch und ausgewogen, ohne zu rezent oder bissig zu sein. Der Unterwasser Extra ist der perfekte Begleiter auf Reisen: Wenn ich wandern gehen, packe ich diesen Käse ein.»
«Der Meteorit ist ein grandioser Parmesan-Ersatz aus der Region! Ein Rohmilchkäse, gereift für eineinhalb bis zwei Jahre, der bezüglich Konsistenz und Geschmack dem Parmesan ähnelt – aber noch ein bisschen verrückter ist! Der Meteorit sprudelt im Mund in alle Richtungen und hat was von einem Feuerwerk: Salzigkeit, Umami, Nuss, Frucht – und rezent. Freut mich immer, Käse von solcher Eigenheit in der Region zu finden.»
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Kontakt
Chum chum chauf chäs
Helvetiaplatz-Markt (nur freitags)
https://www.chumchumchaufchaes.ch/
Öffnungszeiten
Freitag, 7.00 bis 11.00 Uhr
Empfehlungen
Blauer Traum, L'Etivaz, Meteorit, geräucherter Geissen-Ricotta