Fotos: Adrian Bretscher

Heisshunger & Neugierde. Sofort läuft mir das Wasser im Munde zusammen! Stellt man mir einen Teller hausgemachte Ravioli vor die Nase, macht mich alleine schon der Anblick heisshungrig. Ich kann nicht anders, als die Gabel zu packen und mit dem Essen zu beginnen. Es drängt mich, herauszufinden, wie sich der Teig auf der Zunge anfühlt. Und was der Koch oder die Köchin in der zarten Hülle versteckt hat. Was macht gute Ravioli aus? Dieser Frage will ich nachgehen – an drei Zürcher Adressen, die Gourmets regelmässig angesichts dieser kulinarischen Thematik empfehlen: «Conti», «Casa Ferlin», «Eden Kitchen». Grosses Bild oben: die Ravioli im Conti.

Conti Zürich Ravioli Marco Fontó und seine «Pasta-Queen Ginevra» Davino

Sind verantwortlich für die «Conti»-Ravioli: Küchenchef Marco Fontó & Ginevra Davino.

Conti: Durchschimmernde Füllung. Mein erster Stopp führt mich hinters Opernhaus, ins Ristorante Conti. Seit vielen Jahren ist der Bindella-Betrieb (14 Punkte) eine tolle Bühne für italienische Spezialitäten – und es ist tatsächlich unglaublich, welch aromatisch üppige Speisen aus der eigentlich winzigen Küche im 1. Stock im Speisesaal landen: Spaghetti all’astice oder Wolfsbarsch in Salzkruste etwa. Doch ich bin wegen der Ravioli da – und die machen optisch schon einen prima Eindruck: Eine gute Portion Butter gibt dem Gericht einen schönen Glanz, einige Blättchen Salbei sind auszumachen. Etwas Parmesan liegt auch schon obendrauf. Und die Füllung schimmert durch den Teig hindurch. Wie eingangs beschrieben, kann ich keinen Moment länger warten, greife zu – und werde nicht enttäuscht. Hauchdünne Hülle, aber doch mit leichtem Biss. Die Brasato-Füllung schmeckt intensiv nach Fleisch, hat genau die richtige Menge Salz abbekommen. Sie ist so fein zerkleinert worden, dass sie fast an mürbes Brät erinnert. Einzig, dass da viel mehr Geschmack drinsteckt. Bravo! 

Leichtfüssig: Ravioli mit Ricotta und Zitronenbutter im «Conti».

Leichtfüssig: Ravioli mit Ricotta und Zitronenbutter im «Conti».

Der Bindella-Betrieb bietet die perfekte Bühne für Pasta.

Der Bindella-Betrieb bietet die perfekte Bühne für Pasta.

Saisonal: warme Datteritomaten krönen die Spargelravioli.

Saisonal: warme Datteritomaten krönen die Spargelravioli.

Ravioli-Parade von Pasta-Queen Ginevra. Küchenchef Marco Fontó und seine «Pasta-Queen Ginevra» Davino (O-Ton des Chefs, weil sie den ganzen Tag ausschliesslich Pasta macht) wollen zeigen, dass sie noch mehr drauf haben. Und servieren mir infolge gleich mehrere Varianten der italienischen Teigtaschen: Ravioli mit Ricottafüllung und Zitronenbutter, eine leichte Variante. Ravioli mit Spargel-Ricottafüllung und warmen Datteritomaten, jetzt grad saisonal. Ravioli «Carbonara», gefüllt mit Guanciale, Eigelb, Ricotta und Pecorino, «von der Sommerkarte». Welch formidables Mittagessen, blickt man über die Menge Butter hinweg, die in meinem Bauch liegt! 

Klassiker in der «Casa Ferlin»: zweifarbige Ravioli mit Kalbfleischfüllung.

«Casa Ferlin»-Klassiker: Ravioli mit Kalbfleischfüllung.

Der Ravioli-Mann bei den Ferlins: Avdi Llabjanaj.

Der Ravioli-Mann bei den Ferlins: Avdi Llabjanaj.

Casa Ferlin: Täglich Sonntag! Zweiter Mittagshalt: «Casa Ferlin»! Franz Ferlin und seine Tochter, also vierte und fünfte Generation, begrüssen mich mit Händedruck im Restaurant, das 1907 eröffnet worden ist und früher mal auf den sinnigen Namen «Chiantiquelle» hörte. Ich werde an einen der weiss gedeckten Tische geführt, blicke im Saal umher und bekomme an einem ganz normalen Mittwochmittag einmal mehr den Eindruck, hier an der Stampfenbachstrasse 38 sei immer Sonntagmittag! 

Ein Wort? Heimkommen. Die Ravioli? Wir bestellen die gemischte Variante, die (neben den unvergleichlichen Scaloppine al limone) als Hausspezialität gelten. Einerseits mit grünem Teig und leichter Rahmsauce. Andererseits mit weissem Teig und geschmolzener Butter. Die Hülle ist vielleicht stellenweise eine Spur dicker als im Conti, was das Vergnügen aber keineswegs schmälert. Sondern viel mehr für die Handarbeit bei der täglichen Herstellung steht. Die Füllung aus Kalbfleisch macht – weil sie etwas gröber daherkommt als im «Conti» – unvergleichliche Freude. Viel Fleischaroma ist da, eine gute Portion Salz. Ein Wort, um die Ravioli der Casa Ferlin zu beschreiben, reicht eigentlich aus: Heimkommen! 

Wilde Sache: Ravioli mit Gams-Füllung in der «Eden Kitchen».

Wilde Sache: Ravioli mit Gams-Füllung in der «Eden Kitchen».

Ist eben auch ein Künstler in der Küche: Starchef Marco Ortolani.

Ist eben auch ein Künstler in der Küche: Starchef Marco Ortolani.

Marco macht's wie die Mamma. Wir sind gespannt, wie sich da Marco Ortolani einreiht. Der italienische Chef in der «Eden Kitchen» im Hotel La Réserve Eden au Lac (16 Punkte) hat schon mehrfach bewiesen, dass er nicht nur ausgefallene italienische Gerichte hinbekommt, sondern sich auch akribisch um die «Zubereitungen alla mamma» kümmert. «Ravioli sind», so sagt er gleich zur Begrüssung, «eigentlich nur ein Behältnis, das man mit allen möglichen Zutaten füllen kann. Fleisch, Fisch, Gemüse - auf die Füllung kommt es an!» In seinem Fall ist es heute Wildfleisch, genauer Gams! 

Camouflage auf dem Teller. Und schon wenig später serviert er einen Teller, den man dann doch einen Augenblick länger anschaut als andere Ravioli. Will er, dass die Kreation ein wenig an ein Camouflage-Muster erinnert? Wieso sind seine gefüllten Teigwaren länglich? Letztendlich geht es um den Geschmack: Die Füllung ist ungeheuer charaktervoll, schmeckt würzig nach Wild, wirkt leicht mürbe auf der Zunge. Und all die Sprenkel auf dem Teller machen plötzlich viel Sinn: Das rote Coulis aus Quitte und Hibiskus sorgt für Süsse, Blumigkeit und Säure. Der weisse Schaum auf Champignon-Basis gibt dem Gericht aromatisch Boden, das grüne Liebstöckelöl noch mehr Komplexität. Und der braune, dickflüssige Jus, den Ortolani gern zu Wildgerichten serviert und der viel Guanciale enthält, garantiert Mundfülle! Natürlich dies alles, ohne den Geschmack des Gams-Fleisches in den Ravioli zu überspielen. Der Teig? Ist dünn, hat aber Biss. Fantastico! 

Braucht es einen Sieger? Nach dem dritten Teller Ravioli in nur einer Woche komme ich ins Grübeln. Muss ich da wirklich einen Sieger küren? Mein Erlebnis war an jedem der Mittage unterschiedlich, aber jedes Mal hatten die gefüllten Teigwaren eine eigene Handschrift. Und jedes Mal bin ich glücklich aus dem Restaurant gegangen. Der Gewinner also? Es ist der Gast, der in einem Restaurant einen gelungenen Teller hausgemachte Ravioli vor sich hat. 

 

>> www.bindella.ch

>> www.casaferlin.ch

>> www.lareserve-zuerich.com


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