Fotos: Adrian Bretscher
Mandarin Oriental: Rösti dazu, what else? Dreimal Zürcher Geschnetzeltes in einer Woche? Und ob das geht! Jüngst hatte ich das Vergnügen, diese althergebrachte Spezialität in den besten Hotels im Stadtzentrum von Zürich zu testen. Selbstverständlich mit Rösti, die ja bezüglich des Könnens des Kochs auch schon Bände spricht. Nach den drei Lunches war ich vor allem überrascht, wie unterschiedlich das Traditionsgericht von den getesteten Köchen interpretiert wird. Und dass mir überall Rotwein dazu empfohlen wurde. Doch gehen wir der Reihe nach.
Chef Halat hat sich durchprobiert. Mein erster Stopp führt mich ins aktuelle «Hotel des Jahres», ins Mandarin Oriental Savoy am Paradeplatz. Dort steht die Spezialität in der Brasserie auf der Karte, in Englisch als «Stewed Veal Zurich Style, Mushrooms, Rösti» umschrieben. Executive Chef Benjamin Halat verrät mir am Tisch, dass er beim Jobantritt vor zwei Jahren ziemlich viele Varianten des Gerichts in der Innenstadt probiert hat, bevor er dann seine ureigene Version kreierte: «Die Vorgabe lautete, dass man die Champignons zwar schmecken, aber keinesfalls in der Sauce haben wollte.»
Frische Sauce dank etwas Essig! Wie sieht das Gericht nun bei Halat aus? In die Tellermitte kommt eine goldgelbe, sehr knusprige Rösti. Sie wird dekoriert von drei hübsch tournierten Champignon-Köpfen, die der Gast je nach Gusto auch zur Seite schieben kann. Das Kalbfleisch gibt der Kellner erst am Tisch dazu. Es ist weich, wie es sein soll. Und die Sauce ist tatsächlich raffiniert: Sie basiert auf Champignon-Brühe, die mit Kalbsfond reduziert wird. Zuletzt kommt Rahm hinzu – und ein Spritzer Apfelessig. Letzterer sorgt für merkliche Frische in diesem sonst eher deftigen Gericht. Der vom Kellner empfohlene, sehr ausgewogene Rioja passt zur Spezialität. Nierli gibt es im Savoy übrigens keine: «Als wir letztes Jahr loslegten, konnte man sie dazu bestellen – leider war die Nachfrage so gering, dass wir die Innereien wieder gestrichen haben.» Ist vielleicht das Publikum zu jung im Mandarin Oriental?
Baur's: Ganz klassisch, samt gehacktem Peterli. «Bei uns geht ungefähr jede fünfte Portion mit Nierli raus», sagt der Kellner in der Brasserie Baur’s im Hotel Baur au Lac und fügt an, dass diese Quote bei den über 60-Jährigen rasant ansteige. Obwohl mir diesbezüglich noch ein paar Jährchen fehlen, beschliesse ich, die Innereien mitzubestellen. Und bekomme eine durch und durch klassische Version des Zürcher Traditionsessens: Das Geschnetzelte, das auf den Tisch kommt, ist butterzart. An Rahm wird für die Sauce nicht gespart. Die Champignons scheinen von Hand nach Grösse verlesen worden zu sein. Und die Nierli geben dem Gericht noch eine zusätzliche Textur. So hat man das Gericht wahrscheinlich schon vor 50 Jahren serviert – gehackte Petersilie als Garnitur inklusive! Die Rösti ist schön goldbraun, fair portioniert, vielleicht eine Spur zu mehlig im Innern. Auch hier wird als flüssige Begleitung zum Rotwein aus dem Ausland geraten – ein Pinot Noir aus dem Burgund macht sich gut.
Storchen: Wir sind ein «Zunfthaus» Ich gehe als drittes zu Stefan Jäckel in die «Rôtisserie» im Hotel Storchen. Der Blick aufs Grossmünster ist an diesem Mittag einmal mehr fantastisch – die perfekte Kulisse fürs Zürcher Geschnetzelte, das es hier in zwei Varianten gibt. Einmal in einer Version 2.0, gehalten in der Handschrift von Stefan Jäckel: Auf Rösti-Nuggets kommt ein Bündner Kalbsfilet. Die Sauce bedeckt als luftiger Espuma das ganze Gericht. Die Champignons werden oben drüber gehobelt. Mit fast den gleichen Zutaten macht der 17-Punktechef jedoch auch eine klassischere Version des Gerichts, auf die in der Karte im Kleingedruckten hingewiesen wird: «Wir sind schliesslich ein Zunfthaus», kommentiert der Starchef.
Traditionsgericht, neue Technik. Jäckels Rösti ist perfekt. Das Kalbfleisch hat dank etwas Mehl tolle Röstnoten. Zudem ist es noch eine Spur gröber geschnitten als bei der Konkurrenz und bleibt so bis zur letzten Gabel weich und saftig. Fehlerfrei auch die Nierli. Der grosse Clou im «Storchen» (und damit das Zünglein an der Waage) ist die Sauce: Zwar werden nur klassische Zutaten verwendet, aber mit einer modernen Gerätschaft namens Polytron verarbeitet. Dank dieses Geräts, das sonst in Chemielaboren zum Einsatz kommt, gelingt dem Chef die Emulsion perfekt. Und wirkt trotz ordentlich viel Rahm und Butter zugleich superdicht und sensationell leichtfüssig. Es mag ein wenig patriotisch klingen: Dass die Bedienung hier einen Merlot aus dem «nahen» Tessin als Wein vorschlägt (aus dem «Living-Circle»-Partnerbetrieb Terreni alla Maggia), halte ich in einem Hotel mit internationaler Kundschaft für die richtige Entscheidung. Es ist also wahrscheinlich nicht allein der passende Blick aufs Grossmünster dafür verantwortlich, dass das Zürcher Geschnetzelte von Stefan Jäckel für mich obenauf schwingt.