Fotos: Nik Hunger
Leicht süsslich, kaum bitter. Unschuldig weiss liegen sie auf meinem Teller. Und köstlich sind sie! Leicht süsslich, mit bloss einem Hauch von Bitterkeit, darüber hinaus schön saftig und auffallend angenehm im Biss. Ja, ich bin versucht zu sagen: Es sind die besten weissen Spargeln, die ich bisher in meinem Leben geniessen durfte! Was ich mehreren Menschen zu verdanken habe: dem Spargelbauer Bodo Mönich, dem Spargelhändler Caspar Ruetz, dem Starchef Stefan Heilemann und, so darf ich ganz unbescheiden behaupten, mir selbst. Grosses Bild oben: Spargeln by Stefan Heilemann, «Spargelkönig» Caspar Ruetz.
Essenziell: Sandiger Boden. Die Geschichte dieser wunderbaren Spargeln beginnt nämlich rund 400 Kilometer nördlich in Deutschland: In Griesheim, zwischen Frankfurt und Mannheim gelegen, habe ich den Spargelhof Mönich besucht. Dort ist der Boden sandig, wie ich mich gleich beim Aussteigen versichern kann – unglaublich wichtig, wenn der Spargel möglichst schlank sein und keine Seitentriebe machen soll. Zwar ist das Spargelfeld einige Kilometer von der sogenannten badischen Spargelstrasse entfernt, doch auch hier hat der Rhein vor vielen Jahren seine Schlaufen gezogen und fruchtbaren, körnigen Boden abgelagert. Darin will ich wühlen. Denn ich bin hier, um Spargel zu stechen.
Wer’s richtig macht, hört es knacken. «Hier sind Handschuhe und ein Korb», instruiert mich Bodo Mönich. «Und hier ein Spargelmesser und eine Spargelkelle, diese zwei Werkzeuge sind immer in der rechten Hand.» Der Spargelbauer zeigt mir, wie’s richtig geht: Erst sucht er ein Köpfchen, das aus der Erde herausschaut. Zwei Finger der linken Hand steckt er parallel zum Spargel in den Erdwall, um zu fühlen, in welche Richtung die Stange wächst. Parallel dazu stösst er das Messer etwa 25 Zentimeter tief in die Erde. Mit der gut geschliffenen Spitze sticht er zu! Macht man alles richtig, hört man ein lautes Knacken – was mir am Anfang überhaupt nicht gelingen will. Nachdem der Spargel gestochen ist, wird der Erdwall mit der Kelle wieder in Form gebracht.
Leichte Schmerzen und ein wenig Schweiss. «Nicht herumstochern!», korrigiert mich Seniorchef Mönich, der die Verantwortung im Betrieb eigentlich schon an die nächste Generation weitergegeben hat. Und baut damit ein wenig Druck auf. «Auch die guten Arbeiter werden nervös, wenn ich danebenstehe», sagt er lachend. Doch ist sein Einwand gerechtfertigt, denn es geht darum zu verhindern, dass unabsichtlich weitere Triebe zerstört werden, die noch wachsen werden. Nach 20 Minuten spüre ich mein Kreuz, da ich die leicht gebückte Haltung beim Spargelstechen nicht gewohnt bin. Nach 40 Minuten bin ich am Schwitzen. Bis die gewünschten zwei Kilo gestochen sind, die ich nach Hause nehmen möchte, dauert es gesamthaft mehr als eine Stunde. Eigentlich kann ich ja von Glück reden: Kaum vorstellbar, welche Schlammschlacht das wäre, würde es regnen. Und trotzdem: Ich bin deutlich langsamer als die 250 Mitarbeiter, die während der Spargelernte auf dem Betrieb mithelfen.
Der «Spargelkönig» und die Starchefs. Etwa 700 Tonnen versandfertiger Spargel können so jedes Frühjahr in Handarbeit auf dem Spargelhof gewonnen werden. Einen beachtlichen Teil davon bringt «Spargelkönig» Caspar Ruetz in die Schweiz, der auch meinen Tag hier in Deutschland eingefädelt hat. Er schaut mir genüsslich bei der Arbeit zu, alle paar Minuten klingelt sein Telefon, weil nochmals eine neue Bestellung eintrudelt. Ruetz ist bei Starchefs bestens bekannt, denn er bringt nichts weniger als den perfekten Weissspargel von Deutschland nach Zürich. Und zwar in Wunschgrösse. Mehr darüber wird er übrigens bei zwei Spargelessen im Restaurant Buech in Herrliberg am 28. April und am 18. Mai erzählen.
Currywurst für die Erntehelfer. Ob ich mir mit meinem gut einstündigen Einsatz auf dem Spargelfeld ein Mittagessen wirklich verdient habe? Bodo Mönich ist jedenfalls grosszügig und lädt mich nach getaner Arbeit in die Kantine ein, die den Erntehelfern zur Verfügung steht. Es gibt eine nahrhafte Gemüsesuppe mit Weissbrot. Und danach eine tadellose Currywurst mit hausgemachter Sauce, Bratkartoffeln und Salat. Ich habe Heisshunger, obwohl ich anders als Mönichs Mitarbeiter nur ungefähr eine Stunde lang auf dem Feld geackert habe.
Heilemann schält schnell. Müde komme ich Stunden später nach Hause. Und lege die für mich so kostbaren rund zwei Kilo Spargeln in den Kühlschrank. Tags darauf bin ich mit 18-Punkter Stefan Heilemann im Restaurant Widder in Zürich verabredet. Er ist einer derjenigen Küchenchefs, die regelmässig bei Caspar Ruetz bestellen. Freundlicherweise hat er zugesagt, «meine» Spargeln zuzubereiten. Er schält sie mit einem Tempo, das mich - wie die Erntehelfer am Vortag - beeindruckt. Und packt sie anschliessend in einen Sousvide-Beutel, gibt pro Kilo 250 Gramm Butter, 30 Gramm Zucker, 20 Gramm Salz und wenig Wasser hinzu. «Das Aroma soll ja nicht verwässert werden», erklärt der Starchef.
Drei Köche für meinen Spargel! Als ich nach rund einer Viertelstunde in den ersten gegarten Spargel hineinbeissen darf, bin ich hocherfreut. Es schmeckt wunderbar! Besser geht es nicht mehr, denke ich. Und täusche mich da gewaltig: Drei Köche richten nun meinen Teller an – so viel Aufmerksamkeit für «meinen Spargel» rührt mich. Flinke Hände ergänzen ihn mit einer Creme aus geräuchertem Sauerrahm und Bärlauch. Mit Erbsen, Morcheln und Zuckerschoten. Mit Salzzitronen-Escabeche, Kapern, Bärlauch-Hollandaise und dehydriertem geriebenem Eigelb… Und machen es zu einem der schönsten Gerichte, die ich je geniessen durfte. Bodo, Caspar, Stefan, ich ziehe vor eurer Arbeit den Hut!
>> Am 28. April und am 19. Mai präsentiert Caspar Ruetz im Restaurant Buech, Herrliberg seinen importierten Spargel gleich selbst. Jeweils 12 Uhr. Drei-Gang-Menü inkl. Glas Champagner, Wasser & Kaffee: 109 Fr.
Weitere Informationen: www.restaurantbuech.ch