Text: Daniel Böniger I Fotos: Salvatore Vinci
Zürich HB, 11.32 Uhr. Sternen, Löwen, Kreuz - es gäbe unzählige Restaurants zwischen Zürich und Bern. Doch wer, wie ich oft, mit dem Zug reist, muss mit dem Speisewagen vorliebnehmen. Sind die Bordrestaurants der SBB tatsächlich so übel, wie man schnell mal dahinredet? An einem Donnerstagmittag kurz vor halb zwölf Uhr betrete ich am Zürcher HB den IC 1 und setze mich an einen der weiss gedeckten Tische im oberen Stock. Freundlich begrüsst mich der Kellner in der schnieken Uniform.
Veganes Tatar? Wir sind noch nicht mal in Altstetten, als schon ein Mineralwasser auf dem Tisch steht. Und bereits nach Dietikon wird das bestellte vegane Tatar serviert, eines der Gerichte, die jüngst anlässlich einer Auffrischung der Speisekarte ins Angebot gekommen sind. Was auffällt: vor allem die «kecken» zwei Schnittlauch-Stängel als Deko obendrauf. Das Gericht selbst schmeckt deutlich nach gedörrten Tomaten, gegrilltem Gemüse, einige Rüeblistücke sorgen für Biss. Wäre das Brot dazu noch kurz getoastet worden - man wäre durchaus zufrieden.
Der schnellste Service der Schweiz. Ins Glas kommt kurz nach Killwangen-Spreitenbach eine weisse Assemblage aus Genf, lobenswerterweise inzwischen auch per Dezi erhältlich. Fruchtig, frisch und fadengerade schmeckt er. Da vermisse ich keinen Moment lang den Eidächsli-Wy, der früher in den Zugskombüsen aufgetischt wurde. Es dürfte Aarau sein, das vorbeizischt, als mir die Bedienung einen Schweizer Klassiker hinstellt - notabene mit einer Geschwindigkeit von über 150 Stundenkilometern: Hörnli, Hack und Apfelmus…
«Crunch» dank Röstzwiebeln. Das Gericht ist erneut mit gekreuztem Schnittlauch dekoriert, trotzdem bin ich positiv überrascht: Waren die Teigwaren bei einem Besuch im Speisewagen vor einigen Jahren noch eindeutig verkocht, wie ich in meinen Notizen nachgelesen habe, bestehen die Hörnli inzwischen die «Regenerations-Hürde». Die Rindshacksauce ist geschmackvoll, die Fleischqualität ansprechend. Für «Crunch» sorgt eine Handvoll Röstzwiebeln über dem Gericht. Das Apfelmus ist süss und sauer zugleich, und der Reibkäse zwar aus dem Säckli, aber immerhin: Schweizer Sbrinz. Wie daheim, darum Daumen hoch!
Quasi Menü-1-Niveau. Ich probiere desweitern ein grünes Thai-Curry, das ebenfalls erst seit kurzem auf der Menükarte steht: Die Kindermenü-Schärfe wird lobenswerterweise überschritten, der Reis ist locker-flockig. In der Sauce finde ich Peperoni, Maiskölbchen, Bohnen und Bambusstreifen. Das Pouletfleisch ist auffallend saftig, aber auch schön gebräunt, weil es vor dem Tranchieren (und Verpacken) angebraten worden ist. Das Fazit: Viel besser schmeckt das Menü 1 in den meisten Betriebskantinen zwischen Limmat und Aare ziemlich sicher auch nicht. Und der Preis von etwas mehr als zwanzig Franken fürs Curry geht angesichts der ganzen Logistik, die eine solche Bahnküche braucht, in Ordnung.
Satt - und schon in Bern. Am Ende reicht die Zeit sogar noch für einen Espresso. Dieser erreicht das Niveau italienischer Autobahnraststätten nicht ganz, ist aber auch deutlich besser als bei der deutschen Bahn… Ich gebe 7 von 10 Punkten. Und nach weniger als einer Stunde kommt bereits die Durchsage: «Meine Damen und Herren, in wenigen Augenblicken erreichen wir Bern…» Und dies erst noch satt.
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