Text: Daniel Böniger I Fotos: Salvatore Vinci
Ogis Sackmesser & Parmelins Tipp. Oh, du kleine Schweiz! Die Eigenheiten unseres Staates bringen es mit sich, dass auch das gemeine Fussvolk mit etwas Glück ein-, zweimal im Leben einem Bundesrat begegnet. Bei mir wars Adolf Ogi, der mir im Militärdienst zu Weihnachten die Hand schüttelte und ein Sackmesser schenkte. Und vor ungefähr zwei Jahren dann Bundesrat Guy Parmelin: Als dieser erfahren hatte, dass ich über Essen und Trinken schreibe, riet er mir ausdrücklich, doch mal bei Pierrick Suter in Lucens VD vorbeizugehen. Dies sei sein Lieblingslokal! Einige Sessionen des Parlaments sind seither schon vergangen - doch behielt ich den Tipp stets im Hinterkopf. Endlich kam ich jetzt dazu, dort hinzugehen.
Lebensfreude auf dem Teller. Die erste Überraschung: An einem ganz gewöhnlichen Donnerstagmittag ist das Lokal gleich beim Ortsbahnhof praktisch bis auf den letzten Platz besetzt. Was wohl daran liegt, dass das Essen alles andere als ganz gewöhnlich daherkommt: Dafür steht schon ein Velouté mit Miesmuscheln, gewürzt mit exotischen Gewürzen, mikroskopisch feinen Tomatenwürfeli & schwarzem Schaum von der Nori-Alge. Wie alle Kreationen an diesem Mittag schmeckt sie nicht nur fantastisch, sondern sieht auch farbenfroh aus. Ich bin versucht zu behaupten, das Gericht verströmt eine gute Portion jener Lebensfreude, um die wir Deutschschweizer die Romands immer wieder beneiden.
Vorspeise bei Pierrick Suter: Langustinen-Tatar mit Tomatengelee.
Auch das Kalbsfilet aus dem Simmental - der Hauptgang - verströmt Lebensfreude.
Dessert? Aber sicher, und zwar mit Pistazie, Kirschen und Pfirsichsorbet.
Der Wein? Aus Zürich! Schöner sah ich einen Steinbutt noch selten in seine Lamellen zerfallen, als beim folgenden Gang: Wunderbar glasig ist der mit Spinat gefüllte Fisch, und es passt, dass das begleitende Saisongemüse vor allem auf Eigengeschmack getrimmt ist. Für Frische sorgt eine Kaffirlimettensauce oben drüber. Und ins Glas kommt hierzu - dem Röstigraben zum Trotz - ein Zürcher Räuschling von 2017 vom Eglisauer Winzer Mathias Bechtel!
Parmelins Geburtstagsessen. Kommt der Bundesrat häufig vorbei? Ich streue die Frage möglichst unauffällig ins Gespräch mit Pierrick Suter ein, nur bloss nicht zu neugierig rüberkommen. Der 17-Punkte-Küchenchef gibt sich zu meiner grossen Überraschung ganz freimütig: «Mehrmals jährlich kommt er - und dieses Jahr hat er sogar seinen Geburtstag hier gefeiert.» Zehn Personen seien am Tisch gewesen.
Bundesrat Guy Parmelin trinkt gern Wein, aber auch wie hier Wasser.
Gleich beim Bahnhof Lucens VD: «Table des Suter» von aussen.
Trinkt der Bundesrat nur einheimisch? Angesichts solcher Offenheit werde ich ein wenig vorwitziger und frage nach, ob «Monsieur Le Conseiller fédéral» denn ausschliesslich Weine schweizerischer Herkunft trinke? «In aller Regel schon», bestätigt Suter und fügt lächelnd an: «Aber natürlich sagt er auch zu einer guten Flasche Bordeaux nicht nein!» Bei mir im Glas ist nun ebenfalls ein Rotwein: Ein Mondeuse Noire 2020 von Memétus im Lavaux begleitet ein rosa gebratenes Simmentaler Kalbsfilet mit Cannaroli-Risotto, geschmackvollen Eierschwämmli und Rucola-Pesto, mein Hauptgang an diesem Mittag.
Käsewagen oder Süssspeise? Einen Ausrutscher leiste ich mir dann doch: Ich bestelle das Dessert, anstatt den formidablen Käsewagen vorfahren zu lassen… Ich bin bereits fast fertig mit der Variation aus Pistazien, Kirschen und Pfirsichsorbet, als das Gefährt mit über 30 Käsen vorbeirauscht. Wow, diese Auswahl ist bereits Grund genug, um nochmals hierher zu kommen! Nimmt Guy Parmelin eigentlich Käse oder Dessert? Es scheint eine Frage zu sein, die wirklich nur ein Deutschschweizer stellen kann. Ohne mit der Wimper zu zucken, sagt Suters Gattin und Gastgeberin Jane-Lise: «Natürlich beides!»
Pierrick Suter ist Mitglied bei den Jeunes Restaurateurs und bei Grandes Tables de Suisse.
Grund genug vorbeizukommen: Über dreissig Sorten warten auf dem Käsewagen.
Autor Daniel Böniger scheint das Mittagessen auf der Terrasse sichtlich zu geniessen.
Etwas Diskretion muss sein. Der Waadtländer Bundesrat ist ganz offensichtlich ein Geniesser durch und durch. Das beweist der Besuch in Lucens zweifelsohne. Was hat er denn an seinem Geburtstag gegessen? Pierrick Suter sagt, er könne sich nicht mehr daran erinnern. Vielleicht hat er’s wirklich vergessen? Vielleicht ist es auch einfach nur Diskretion? Schliesslich gehört zum Schweizer Staatsverständnis nicht zuletzt, dass wir einem Staatsmann sein Privatleben gönnen. Danke für den Tipp, Herr Bundesrat, sage ich hier jetzt trotzdem.
>> Mehr Informationen zu Restaurant Table des Suter finden sie hier.
Foto Guy Parmelin: Alessandro della Valle/Keystone.
