Text: Daniel Böniger I Fotos: Salvatore Vinci
Zusagen? Oder doch nicht? Zugegeben, ich bin kein Freund von falschen Filets und Schein-Schnitzeln. Und darum erst unentschlossen, als mich Pascal Bieri, einer der Köpfe hinter dem Schweizer Brand «Planted», zum Mittagessen einlädt. Auf den Teller, so schreibt er, soll das neue «Chicken-Filet» zu liegen kommen. Es wird diesen Monat breit lanciert und soll angeblich «neue Massstäbe im Bereich pflanzlicher Lebensmittel» setzen. Klingt zumindest interessant, denke ich. Und sage zu.
Umwelt vor Tierwohl. An einem Donnerstag im September treffen wir uns kurz nach zwölf Uhr im Zürcher Pop-up-Restaurant Brenso (zuvor «Metzg»), wo der talentierte Küchenchef Lorenzo Dal Bo am Herd ein Gastspiel gibt. Bieri und ich schütteln uns die Hände, einigen uns aufs Du. Mein erster Eindruck: ein sympathischer Kerl. Das Gespräch beginne ich mit ein paar harmlosen Fragen: Warum habt ihr «Planted» überhaupt gegründet? Bei ihm als ehemaligen GLP-Politiker sei die Umweltthematik, weniger das Tierwohl, im Zentrum gewesen, antwortet Bieri. Warum Schnitzel kopieren, wo es doch gute fleischlose Gerichte gibt? Er findet, dass Gerichte wie Zürigeschnetzeltes so gut sind, dass sie bleiben werden. Aber eben, besser wäre es ohne Fleisch.
15 Prozent bei «Planted» arbeiten in der Produktion. Ich bohre tiefer: Wieso sind die Planted-Produkte in Plastik verpackt? Sie würden recyclebare Verpackungen verwenden, so Bieri. Plastik sei wegen der Haltbarkeit des Produkts noch unumgänglich: «Und als Start-Up kannst Du nicht warten, bis jedes Detail zur vollsten Zufriedenheit gelöst ist.» Stimmt es, dass der Bereich Produktion von «Planted» nur sehr wenige Mitarbeiter hat? Sie seien rund 200 Leute, davon arbeiteten 30 in der Produktion, 70 in der Forschung. «Wir konnten schon mehrere erfolgversprechende Techniken patentieren.»
«Güggeli» vor Gericht. Hellhörig werde ich, als wir während der Vorspeise (fermentierte Zucchetti, Weintrauben und veganes Joghurt) auf ein noch hängiges Bundesgerichts-Urteil zu sprechen kommen. Derzeit wird darum gerungen, ob Bezeichnungen wie «Güggeli» oder «Zubereiten wie Fleisch» auf Verpackungen veganer Lebensmittel zulässig seien. Es ist der Kanton Zürich, der gegen «Planted» in dieser Instanz geklagt hat - Pascal Bieri wagt an diesem Mittag keine Prognose, wie das Verfahren ausgehen wird.
Dick drin bei der Deutschen Bahn. Ebenso spannend sind die Themen, die wir danach streifen: Nebenher erfahre ich von ihm, dass bei der Deutschen Bahn inzwischen jede dritte verkaufte Currywurst vegan sei und vom Schweizer Unternehmen Planted stammt! Und: Bieri sieht keine Konkurrenz bei den Herstellern von im Labor produziertem In-vitro-Fleisch, im Gegenteil: «Wer weiss, vielleicht können wir mit unserer Technik ja helfen, dessen Textur zu verbessern.» Wieso kein Laborfleisch, mutmasst der Unternehmer, dass durch die verarbeiteten Pflanzenfasern von Planted eine Struktur bekommt, wie man sie vom richtigen Fleisch her kenne?
Geschmacklich überzeugend. Schliesslich kommt der Hauptgang auf den Tisch - und ich bin gespannt, ob die «Pouletbrust» aus Erbsen-Protein mir schmecken wird. Aussehen tut das Gericht von Lorenzo Dal Bo jedenfalls prächtig. Und geschmacklich überzeugt die Kreation aus dem sorgsam mit Korianderöl marinierten «Poulet», Bohnen in Chili und Salsa Verde mariniert, frittierten Erbsensprossen & vegetarischem «Zero Waste Jus» aus Rüstabschnitten.
Massstab ist das Original! Doch wie hat es Pascal Bieri vorher selbst formuliert? Als wir über eine Lyonerwurst sprachen, die derzeit in Entwicklung sei: «Messen lassen müssen wir uns natürlich an richtigem Fleisch.» Und diesbezüglich fällt vor allem die etwas schwieriger zu kauende äusserste Schicht des falschen Poulets auf meinem Teller auf. Kommt das von der Marinade? Oder haben wir zu lange geplaudert, bevor der erste Bissen im Mund landete? Als ich den störenden Rand nämlich wegschneide, bleibt tatsächlich ein nicht allzu trockenes, sehr strukturiertes «Fleisch» übrig, das dem tierischen Original verblüffend nahe kommt. Gut, aber unsereins isst ja eh lieber Keule als Brust.
Doppelte Neugier auf Zukünftiges. Erst lobe ich gegenüber Pascal Bieri sein neues Produkt. Dann aber auch Küchenchef Lorenzo Dal Bo. Mir scheint, der gebürtige Italiener könnte auch ein Stück Schuhsohle in einen Hauptgang einbauen, und ich würde es essen. Und darum bin ich ab diesem MIttag nicht nur gespannt, wie sich das Schweizer Startup Planted von Bieri weiterentwickelt. Sondern genauso sehr, wo der smarte Küchenchef Dal Bo sein nächstes Restaurant eröffnen wird!
>> Homepage: ch.shop.eatplanted.com