Stimmt das Gerücht? Das beste Cordon bleu seit vielen Monaten? Es wurde mir ausgerechnet auf einem Dampfschiff serviert! Für mich eher überraschend. Meine bisherigen Erfahrungen mit Kombüsen-Essen auf Schweizer Seen waren eigentlich meist bescheiden – umso neugieriger bin ich geworden, als jüngst jemand mir gegenüber erwähnte, dass die «Tavolago» auf dem Vierwaldstättersee durchaus Kulinarik auf ansprechendem Niveau anbiete. Nur ein Gerücht? An einem schönen Sommertag geht man der Sache doch gerne mal auf den Grund! Grosses Bild oben: Executive Chef René Striegler.
Arbeiten in der Kombüse: Heiss & hektisch. Executive Chef René Striegler empfängt mich mit sattem Händedruck auf dem Dampfschiff Stadt Luzern. Tatsächlich habe ich einen Tag mit bestem Wetter erwischt, sodass um 11 Uhr mittags mehrere hundert Leute am Luzerner Landesteg an Bord steigen. Durch eine unauffällige Tür geht es in die Kombüse, erst eine steile Treppe runter, dann stehe ich in einer Küche, die allerdings auch für Landratten taugen würde: Mehrere Herdplatten, drei Fritteusen, begehbarer Tiefkühler, ein Bain-Marie, in dem verschiedene Gemüse warm gehalten werden. Küchenchef Markus Pompe («wie Pumpe, aber mit o») nimmt im Minutentakt Coupons aus dem Drucker. Liest die Bestellungen mit lauter Stimme vor. Seine beiden Mitarbeiter produzieren schon jetzt, wenige Augenblicke nach dem Ablegen, ein Gericht nach dem anderen. Heiss und hektisch ist es hier unten – bald verziehe ich mich wieder aufs Oberdeck.
Quer durch die Karte! In der 1. Klasse ist ein Tisch für mich reserviert. Dank flauschigem Teppich mit Rosen-Muster, dank Kronleuchtern und weissen Vorhängen wirkt der Saal überaus elegant. Mein Plan: Ich probier mich mal quer durch die Karte! Mit einem «Vitello Forello» beginne ich das Zmittag schon äusserst vielversprechend: Es handelt sich um gegartes, dünn aufgeschnittenes Kalbfleisch, das mit einer leicht rauchigen Forellensauce bedeckt ist. Dekoriert wird mit Kapernäpfel, eingelegten roten Zwiebeln und zwei, drei Blättern Salat, die sogar mit Sauce benetzt worden sind. Die Vorspeisen-Portion (Fr. 22.50) ist grosszügig; mit (übrigens gelungenen) Pommes frites kombiniert, wäre das an einem heissen Tag durchaus ein Mittagessen.
«Seeli» auf dem Kartoffelstock. Kaum in Vitznau an- und wieder abgelegt geht es weiter mit gebackenen Egliknusperli, einem der Klassiker bei «Tavolago». Mehr als 5 Tonnen davon werden jährlich verkauft, mit MSC-Label. Sie kommen bei der Menge natürlich nicht aus der Schweiz – aber Russland werde seit zwei Jahren auch nicht mehr berücksichtigt, sondern deutsche Lieferanten, so René Striegler. Die Fischchen im Backteig leuchten goldbraun, sind perfekt knusprig; dass das Frittieröl in aller Regel täglich gewechselt wird, glaube ich sofort. Nur ein Gericht ist noch beliebter, lernt man vom obersten Vierwaldstättersee-Koch: die Nidwaldner Hacktätschli mit zweierlei Rüebli an Urbräu-Jus. Bis zu 2000 Portionen davon werden wöchentlich verkauft! Sie sind gut gewürzt und saftig, zeigen schöne Röstaromen. Und der Jus dazu schmeckt hervorragend. Gut, hat es von dieser tiefbraunen Sauce noch ein «Seeli» im Kartoffelstock – da verzeiht man doch glatt, dass es sich um «Stocki» handelt.
Lamm vom Alt-Ständerat. «Es ist ein gutes Produkt, und erst noch aus der Schweiz!», erklärt sich René Striegler. Denn Regionalität wird auf den Schiffen des Vierwaldstättersee wirklich gross geschrieben. So gibt es an Bord kein Coca-Cola, sondern nur Sinalco-Cola. Das Mineralwasser kommt aus Knutwil, das Tonic Water von Swiss Mountain Spring. Auf einer Alp im Kanton Uri züchtet die «Tavolago» pro Jahr etwa 500 eigene Lämmer fürs rote Thai-Curry, «Hirt» ist der Alt-Ständerat Isidor Baumann! Hinzu kommen rund 70 eigene Truthähne für den Schinken fürs kalte Plättli, eigener Werft-Honig, Pilze aus Stansstad oder das bereits erwähnte Urbräu von der Brauerei Rosengarten in Einsiedeln. Sogar das Ketchup ist nicht von Heinz, sondern von Thomy.
Kartoffelsalat – mit oder ohne Mayo? Womit wir wieder beim Cordon bleu wären - es ist nämlich gefüllt mit dem Weichkäse «Hohle Gasse» von Baer aus dem nahen Küssnacht am Rigi. Beachtliche 75 Gramm werden pro Portion eingewickelt – so dass der geschmolzene Käse beim Anschneiden des mächtigen panierten Fleischpakets geradezu herausquillt. Er ist weder zu würzig, noch zu brav. Und dasselbe gilt für den verwendeten Landrauchschinken. Die Panade aussenrum ist gelungen knusprig, das Schweinefleisch durchgebraten, aber noch saftig. Ja, so muss ein Cordon bleu sein! Auch der Kartoffelsalat dazu schmeckt mir, nicht zuletzt dank einer grosszügigen Portion grobkörnigem Senf. Sie sind doch ursprünglich aus Dresden im deutschen Norden, Herr Striegler, ist da wirklich keine Mayo drin? «Nur ganz wenig», sagt der Executive Chef, «man muss sich anpassen!» Ich verabschiede mich von ihm, denn bald schon legt das stolze, 1928 erbaute Dampfschiff Stadt Luzern in Flüelen an. Vielleicht gebe ich im Winter dem Fondueboot mal eine Chance.
>> Alle kulinarischen Angebote auf dem Vierwaldstättersee finden Sie unter www.lakelucerne.ch
>> Fotos: Jürg Waldmeier, Christian Perret / SGV