Fotos: Salvatore Vinci
Käse ist der Star! In der «Traube» in Trimbach (SO) verzichtet man zum Käsegang auf Chutneys, Senf, Nüsse oder Früchtebrot. «Guter Käse braucht diesen Schnickschnack nicht», sagt Starchef Arno Sgier. Und sein Sommelier Lennart Speikamp, der die Auswahl auf dem Wagen jeweils zum Gast fährt, pflichtet seinem Chef bei: «Der Käse muss der Star sein!» Ich bin also definitiv am richtigen Ort gelandet, um herauszufinden, wie man idealerweise eine gute Auswahl mit edlen Milchprodukten zusammenstellt.
Das optimale Genussfenster. Im 17-Punkte-Restaurant wird das Käsesortiment im Teamwork bestimmt: Chef Sgier will ein Wörtchen mitreden, Sommelier Lennart Speikamp ebenso – doch am längsten Hebel sitzt Christoph Bruni aus Thun. Der kompromisslose Affineur, der die «Traube» exklusiv beliefern darf, gibt seine Produkte nämlich erst dann her, wenn sie die perfekte Reife erreicht haben. Das sei eh der wichtigste Faktor, wie ich hier schnell lerne: «Es geht nicht darum, möglichst viele Sorten anbieten zu können, sondern das «optimale Genussfenster» für jeden Käse zu finden», so Sommelier Speikamp. Die einzige Regel? Sgier erklärt, dass in der Traube darauf geachtet werde, dass eine gute Balance verschiedener Käse-Grundtypen zu finden sei: Geiss- und Schafskäse; Hartkäse; Rot-, Blau- und Weissschimmelkäse. Jetzt komme dann beispielsweise wieder die kurze Saison für den Vacherin Mont d’Or aus dem Jura, der genau jetzt richtig schmecke.
Käse als Visitenkarte des Restaurants. Einen Käsewagen anzubieten ist für ein Restaurant teuer. Und die A-jour-Haltung der Auswahl geht mit beträchtlichem zeitlichen Aufwand einher. Und doch, findet Arno Sgier, sollte man das Käseangebot keinesfalls vernachlässigen: «Für mich ist es, wie die Weinkarte, eine Visitenkarte des Restaurants!» Wenn es in einem Speiselokal bloss Industrieware «oder Gouda aus Holland» gebe, dann sei zumindest er zum letzten Mal dort gewesen. Wie eingangs erwähnt sind für ihn Chutneys, Senf und Ähnliches tabu: «Hat man einen wirklich guten Champagner im Glas, gibt man auch keinen Holundersirup hinzu», ergänzt Sommelier Speikamp. Keine Regel ohne Ausnahme: Wer etwas Glück hat, «oder wirklich nett fragt», bekommt in der «Traube» vielleicht ein Löffelchen vom Johannisbeer-Gelée von 1939, den ein Gast jüngst in einem Estrich entdeckt und dann hierhergebracht habe. Ein unglaublich komplexes, intensiv fruchtiges Aroma, inzwischen näher an Zwetschge als an Johannisbeere.
Speikamp ist Team Weisswein. Ein gutes Glas Wein zu Käse? Das darf natürlich sein! Aber was passt? Mir kommt meine Weinausbildung wieder in den Sinn, die in Sachen Mariage von Wein und Käse mehr Verwirrung als Klarheit stiftete. Geht jetzt Chasselas eigentlich zu Rotschmierkäse? Muss es zu Stilton immer Portwein sein? Passt vielleicht Süsswein zu Gruyère? Ich frage Fachmann Lennart Speikamp: Wie findet man den richtigen Wein zum Käse? «Ich bin grundsätzlich Team Weisswein», meint der Weinschenk. Fügt aber sogleich an, dass er da niemandem Vorschriften machen wolle. Die Vorlieben seien hier durchaus individuell, manchmal könne auch ein kühler Gamay die richtige Wahl zum Käsegang sein.
Tipp des Sommeliers: Jurassischer Macvin. Und wenn vom schweren Barolo zum Hauptgang noch ein Glas übrig ist? Der Sommelier schlägt vor, dass man sich als Gast auch mal überlegen könne, die Käse passend zum Wein auszuwählen – statt umgekehrt. «Beim Barolo fällt beispielsweise gereifter Ziegenkäse eher weg, wobei…» Was zu fast allen Käsen ins Glas passe: aufgespriteter Macvin aus dem Jura, den er mir an diesem Mittag zu meinem Käsegang kredenzt. Endlich kommt er punkto Käse zur Sache, denke ich. Denn vor lauter Plaudern über Käse, wären der Camembert und der Langres auf dem Wagen nämlich schon fast weggelaufen. Der Sommelier schneidet die von mir gewünschten Käsesorten, legt je ein Stück davon liebevoll auf den Teller: u.a. französischer Ziegenweichkäse «Mothais sur feuille», Alpmilch-«Delice» verfeinert mit fermentiertem Knoblauch, älteren Etivaz.
Muss es chlii stinke? Als die rechteckige Glocke über der Käseauswahl angehoben wurde, war das im ganzen Raum zu riechen. «Muss es wirklich immer e chlii stinke?», will ich von Arno Sgier wissen. Er selbst ist ja einer, der nach dem Hauptgang lieber mit Käse den Magen schliesst, als noch ein Dessert zu bestellen. Erwartungsgemäss bejaht Sgier meine Frage und erklärt, dass für ihn kräftige Aromen durchaus erwünscht seien, «auch wenn ich nicht sicher bin, ob stinken hier das richtige Wort ist.» Er verrät im gleichen Atemzug, dass er sogar beim Raclette daheim jeweils etwas Gorgonzola ins Pfännchen gebe, damit die Sache genug Pfiff habe. Bezüglich der eher kräftigen Käse stimmt ihm Sommelier Speikamp bei, er wolle einfach keine Ammoniak-Noten riechen, das wäre dann doch zu viel des Guten.
So geht Lagerung zu Hause. Wie verhindert man überreifen Käse daheim? Er soll, so sagen Sgier und Speikamp einhellig, kühl und dunkel gelagert werden. Wer Plastikfolie verwende, solle sie nicht allzu satt um den Käse wickeln, damit dieser atmen kann. Käsepapier in Kombination mit einer Plastikbox sei sicher eine gute Variante. Oder, «wer auf Plastik verzichten will», ein ganz leicht feuchtes Baumwolltuch. Wir sind uns einig, dass der Käsegang, zwischen Hauptgang und Dessert genossen, in den letzten Jahren tatsächlich ein wenig an Popularität verloren hat. Und darum erwähne ich jetzt meine grosse Sorge: Wird der Käsewagen irgendwann ganz aussterben? Das «Traube»-Team beruhigt mich: «Da und dort wird er Bestand haben, es gibt zu viele Liebhaber», sind sich Sommelier und Starchef einig. Und nach dem Genuss eines perfekten Käsegang hier in Trimbach hoffe ich ganz fest, dass die beiden recht behalten.