Text: Isabel Notari | Fotos: Nik Hunger
In den vergangenen zwölf Jahren lebte Anja Leuenberger, 30, in New York. Vor ein paar Monaten ist das Aargauer Topmodel in die Schweiz zurückgekehrt und wohnt jetzt in einer Dachwohnung bei Zürich. Herzstück und Zentrum des lichtdurchfluteten Appartements ist die offene Küche mit der Kochinsel. Schaut Anja aus dem Fenster, blickt sie auf viel Wald und die Sihl. «Ich liebe es, hier zu stehen und zu kochen», sagt die Veganerin, die aus Überzeugung auf tierische Produkte verzichtet. Zu gross ist die Liebe zu Tieren, zu gross das Unverständnis, dass man Hund und Katze als Haustier hält, Kuh und Schwein dagegen schlachten darf. Fleisch steht nur für Shadow auf dem Speiseplan. Der Dackel lebt mit Anja in der Drei-Zimmer-Wohnung, ist ihr Ein und Alles und folgt ihr tatsächlich immer – wie ein Schatten.
Anja Leuenberger, Sie leben seit zehn Jahren vegan. Nie Lust auf ein Steak?
Nein, wirklich nicht. Bei einem Stück Fleisch sehe ich keinen Genuss, sondern das Tier vor meinen Augen. Und wenn ich meinen Freunden zuschaue, wie sie an den Knochen von Spareribs oder Koteletts nagen, ist das für mich etwas vom Unattraktivsten, was es gibt.
Bekehren Sie Ihre Freunde zum Veganismus?
Auf meinem Instagram-Account habe ich das versucht. Aber das muss jeder mit sich selber ausmachen. Es wäre allerdings schon schön, gäbe es mehr Veganer.
Sie sind zwar gerade Single, aber könnten Sie überhaupt mit jemandem zusammenleben, der sich nicht vegan ernährt?
Es ist keine Bedingung meinerseits. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es eh nicht viele vegane Männer gibt, jedenfalls nicht in meinem Umfeld. Aber es wäre natürlich toll, wenn ich meine Leidenschaft für Tiere mit meinem Partner teilen könnte.
Mangelerscheinungen wegen Ihrer Ernährung kennen Sie nicht?
Sich von heute auf morgen nur noch von Gemüse zu ernähren – damit ist es nicht getan. Man muss sich über Veganismus informieren, sich damit auseinandersetzen, Wissen aneignen. Ich habe sehr viele Bücher gelesen und gelernt, dass die berühmte Omega-3-Fettsäure beispielsweise nicht vom Fisch direkt kommt, sondern von den Algen, die die Fische zu sich nehmen. Das Tolle ist, dass sich der Veganismus in den vergangenen Jahren wahnsinnig entwickelt hat. Es gibt viele neue Produkte.
Genau. So sind Fleischersatzprodukte enorm im Trend. Bei Ihnen auch?
Nein, das ist gar nicht meins. Ich staune wirklich, was es da so alles an Produkten gibt. Und es ist sicher lobenswert, dass es diese Alternative auf dem Markt gibt, weil es damit vielen Geniessern leichter fällt, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren. Aber die meisten dieser Nahrungsmittel sind für meinen Geschmack zu stark industriell verarbeitet.
Sie kochen gerne?
Ja, sehr. Das liegt wohl in meinen Genen. Mein Vater war Küchenchef und hat mich stets verwöhnt. Ich habe viel von ihm gelernt. Seit ich aus New York zurück und in diese Wohnung gezogen bin, koche ich noch lieber. In New York war meine Küche klein und dunkel, hier ist sie das Herzstück der Wohnung. Offen und hell.
Ist es für Ihren Vater kein Problem, dass Sie Ihre Ernährung auf vegan umgestellt haben?
Überhaupt nicht. Es war für meine Familie auch keine Überraschung. Meine Tierliebe war schon immer gross. Heute kreiert mein Vater immer wieder tolle vegane Rezepte.
Kochen Sie oft?
Nicht so oft, wie ich möchte. Als Model bin ich halt doch sehr oft unterwegs, da fehlt mir die Zeit, lange in der Küche zu stehen. Ich lege grossen Wert darauf, immer alles selber frisch zuzubereiten. Man ist, was man isst – das war schon immer mein Motto. Ich spüre nämlich sehr schnell, dass mir die Energie verloren geht, wenn ich mal ein Fertigprodukt esse.
Was kaufen Sie denn fertig ein?
Spätzli beispielsweise. Oder vegane Chicken-Nuggets. Das ist zwischendurch total okay und auch sehr fein. Aber es darf nicht zur Gewohnheit werden.
Lassen Sie sich auch gerne mal etwas liefern?
In New York war das einfacher. Da war die Auswahl riesig. Auch in der Schweiz werden zwar tolle vegane Gerichte geliefert, aber wenn man ausserhalb einer grossen Stadt wohnt – in meinem Fall Zürich – ists schon schwieriger. Ich hole mir allerdings sehr gerne auf dem Nachhauseweg etwas zum Mitnehmen, in meinem Lieblingsrestaurant, dem «Roots» in Zürich.
Sind Sie eine gute Köchin?
Ich glaube schon, habe ich doch von klein auf sehr viel von meinem Papi gelernt. Aber ich bin manchmal eine etwas faule Köchin.
Und das zeigt sich wie?
Ich mache gern einfache Gerichte: Currys, Eintöpfe, Pizza, Lasagne, viel Gemüse vom Blech. Eigentlich schmeckt mir alles gut, was aus dem Ofen kommt. Ich experimentiere auch sehr gern. Da kann halt auch mal etwas schiefgehen.
Haben Sie oft Gäste?
Das ist leider ein Zeitproblem. Ich kann nie lange im Voraus planen wegen der Model-Jobs. Aber ich bin natürlich sehr froh, dass ich auch mit 30 noch so gefragt bin.
Gehören Sie zu den beneidenswerten Frauen, die essen können, was sie wollen, und trotzdem nie zunehmen? Oder müssen Sie Kalorien zählen?
Ich bin von Natur aus schlank, muss nicht gross auf Kalorien achten. Und seit ich mich vegan ernähre, hat sich mein Stoffwechsel total verändert. Das heisst, ich kann – nein, ich muss – sogar mehr essen. Deshalb habe ich mir angewöhnt, alle zwei Stunden etwas Kleines zu essen, damit ich keine Heisshungerattacken kriege.
Wie ernähren Sie sich bei einem Shooting?
Da habe ich stets Safety- und Emergency-Snacks dabei. Das sind zum Beispiel Haferflockenmüesli, die ich von zu Hause mitnehme.
Und wenn Sie auf Location in einem Hotel übernachten müssen?
Dann bereite ich mir das Müesli am Morgen im Hotel zu, weiche es ein und nehme es in einem Glas oder Tupperware-Geschirr mit. Da habe ich keine Hemmungen. Viele meiner Kunden wissen allerdings, dass ich vegan lebe, und es steht immer etwas bereit, was ich essen kann. Die Zeiten haben sich in Sachen Food ja total geändert; an den Sets gibts Verpflegungsoptionen für alle – mit oder ohne Fleisch.
Essen Sie oft auswärts?
Ja, durchaus. Es ist zwar etwas anstrengend, immer einen Kompromiss zu finden. Denn ich kann von meinen Freunden nicht verlangen, immer nur in veganen Restaurants einzukehren. Aber mittlerweile gelten Veganer in den Städten zum Glück ja nicht mehr als Exoten.
Wie finden Sie Restaurants im In- und Ausland? Blättern Sie auch mal in einemn Gourmet-Guide?
«Happy Cow»heisst eine App, die mich schon viele Male gerettet hat. Denn sie gibt an, wo vegan oder vegetarisch gekocht wird. Auf der ganzen Welt, selbst in ganz kleinen Dörfern. Was bestellen Sie in Restaurants? Immer nach Lust und Laune. Ich schätze die Abwechslung, bin keine, die immer das Gleiche isst. Bowls schmecken mir sehr, ausgefallene und klassische. Und Pasta- oder Reisgerichte und Rösti kann ich sowieso immer essen.
Trinken Sie Wein zum Essen?
Das muss nicht sein. Ich trinke generell sowieso fast keinen Alkohol mehr, gönne mir nur noch selten ein Glas.
Haben Sie schlechte Erfahrungen damit gemacht?
Nein, Alkohol schmeckt mir einfach nicht mehr. Ich habe ja auch eine Reiki-Ausbildung gemacht und gelernt, was Alkohol alles im Körper anstellen kann. Das Gute daran: Da ich so wenig Alkohol trinke, genügen mittlerweile zwei, drei Schlückchen, und ich habe das Gefühl, ein paar Gläser intus zu haben.
Aber Ihren Gästen tischen Sie Wein auf?
Selbstverständlich. Ich stosse auch heute noch gerne an. Ich lasse dann einfach das Glas stehen. Das ist meine Sache, meinetwegen muss niemand auf den Genuss verzichten.
Gibt es etwas, wonach Sie regelrecht süchtig sind?
Brot mit einer knusprigen Kruste. Und Hummus. Das ist einfach etwas Wunderbares, schmeckt köstlich. Knuspriges Brot habe ich in New York wahnsinnig vermisst.
Und worauf können Sie gerne verzichten?
Auf Oliven. Seit 15 Jahren versuche ich es jedes Jahr wieder. Mein Mami sagt, dass sie Oliven auch erst im Alter von 30 Jahren zu schätzen gelernt habe. Jetzt bin ich so alt – aber sie schmecken mir immer noch nicht.