Text: Kathia Baltisberger Fotos: Ellin Anderegg
Innovativ & vertraut. Das «Ecco» im Hotel Atlantis by Giardino ist eines der besten Restaurants in Zürich. 17 Punkte und zwei Michelin-Sterne heimst Chef Stefan Heilemann ein. In der Küche geht es vor dem Service relativ unaufgeregt zu und her. Die hinterste Ecke der ohnehin kleinen Küche ist das Reich von Pâtissier André Siedl. Der grosse Mann braucht nicht viel Platz, um Grosses zu leisten. Siedl ist einer der besten seines Fachs. Das Spektrum seiner Dessertkreationen reicht von extrem ausgefallen bis unglaublich fein. Im «Ecco»-Menü stehen immer zwei Desserts. «Das eine ist etwas spezieller, das andere spielt mit Geschmäckern, die jeder kennt», erklärt Siedl. Aktuell bedeutet das: weisse Schokolade mit Himbeeren und Dill. Und: eine Zwetschgen-Tarte mit Pistazie und Kaffee.
Dill im Dessert? Auch wenn viele Pâtissiers mit Kräutern und Gemüse spielen, ist das für viele Gäste aussergewöhnlich. «Dill und weisse Schokolade habe ich jetzt noch nie kombiniert. Mir muss das im Kopf schmecken. Wenns da klingelt, weiss ich, dass es auch auf dem Teller funktioniert.» Siedl zählt sich nicht zu den Vorreitern dieser Pâtisserie – schliesslich ist er ja auch erst 27 Jahre alt. «Ich möchte die Pâtisserie auch nicht neu erfinden. Mir geht es einzig und alleine um den Geschmack.» Dabei ist weniger oft mehr. Früher packte Siedl bis zu 20 Komponenten auf dem Teller, heute beschränkt er sich auf etwa acht bis zwölf. «Mir sind Textur und Temperatur sehr wichtig. Aber ich muss mich auch immer fragen: Macht es wirklich Sinn, wenn ich von jeder Frucht ein Sorbet, ein Gelee, eine Creme und einen Chip mache?» Das Sorbet ist meistens fix. Denn: «Ich liebe Eis. Und ich liebe es, Eis zu machen.»
Freie Hand. Was André Siedl macht, ist ihm überlassen. Rein hierarchisch gesehen, ist Stefan Heilemann der Boss. Doch der lässt seinem Pâtissier freie Hand, auch wenn er zu Beginn ob der einen oder anderen Zutat skeptisch war. «Ab und zu probiert er und sagt: zu süss! Zu sauer! Ich sag ihm dann, er soll warten, bis es fertig ist. Am Ende ist er immer überzeugt.» Natürlich müsse das Dessert stimmig sein mit den vorangehenden Gängen. Klassische Menü-Besprechungen gebe es im «Ecco» aber nicht. Dass sich André und Stefan auf Anhieb verstanden haben, die gleichen Werte und Philosophien teilen, hilft natürlich.
Auffallend: André Siedl ist die Ruhe selbst. Bei der täglichen Arbeit und auch wenn es um Trends geht. Wenn andere Pâtissiers fermentieren, was das Zeug hält, winkt der Deutsche ab und überlässt das denen, die das wollen. Wenn weisser Zucker verteufelt wird, springt er nicht auch auf den Zug auf. Sein aktuelles Dessert beinhaltet Zwetschgen. «Manch einer findet das vielleicht langweilig. Aber wieso soll ich so abgefahrene Desserts machen, die ich stundenlang erklären muss? Das ist nicht meine Philosophie. Am Ende muss es einfach sehr geil schmecken.» Und das tut es.