Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver

Entenparadies. Saftige Liegewiesen, acht Pools und kleine Bungalows für die Nacht. Die Rede ist nicht von einem neuen Luxushotel. Es ist das Zuhause von 95 Pommernenten und 25 Diepholzer Gänsen. Enten-Mami ist Anja Tschannen aus Pensier unweit der Stadt Fribourg. Die 28-Jährige züchtet die «Pro Specie Rara»-Tiere auf dem Grundstück ihrer Eltern, um diese alten Rassen zu erhalten. Das Fleisch der Pommernenten gilt als Delikatesse, dennoch werden sie in der Schweiz kaum gehalten. Im Vergleich zur Pekingente haben die «Pommis», wie Anja Tschannen sie nennt, weniger Fleisch am Knochen und brauchen auch länger als die beliebten Artgenossen, bis sie zum Schlachten bereit sind. Anja, die sich eine artgerechte Tierhaltung und eine nachhaltige Produktion auf die Fahne geschrieben hat, sieht aber viele Vorteile. «Es handelt sich um eine robuste Rasse, sie sind weniger anfällig», erklärt sie. 

Anja Tschannen Pommernenten

Nachtlager: Die Häuschen hat Anja zusammen mit ihrem Lebenspartner Laurent Blaser und ihrem Bruder gebaut.

Anja Tschannen Pommernenten

Im Entenmarsch: Die Pommis watscheln vom Stall runter zu den Pools.

Ambitioniertes Projekt. Angefangen mit der Zucht hat Tschannen für ihre Bachelor-Arbeit an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen. «Mir machten alte Rassen schon immer Freude, aber mit Enten hatte ich vorher noch nie etwas zu tun. Ich habe auch noch nie gebrütet.» Anja organisierte sich von Züchtern 300 Eier, die Hälfte davon schlüpfte. Füttern, misten, wiegen, Daten erfassen – alles in der Schule. «Als sie schlüpften, war ich praktisch Tag und Nacht dort. Aber meine Kollegen haben mir immer geholfen.» Wurden die Küken zu gross fürs Klassenzimmer, durften sie zum benachbarten Bauern. Als Biotope dienten der Studentin Kinderbassins und kleine Pools. Was nach einem abenteuerlichen Schulprojekt klingt, war für Anja Tschannen aber schon immer Ernst. «Ich wusste, dass ich das auch nach meinem Abschluss weiterziehen will.»

Anja Tschannen Pommernenten

Leidenschaft: Anja kuschelt gerne mit den «Pommis».

Anja Tschannen Pommernenten

Die «Pommis» leben zusammen mit den Diepolzer Gänsen.

Gesagt, getan. Anja arbeitet zu 80 Prozent als Journalistin, daneben baute sie in den vergangenen Jahren ein Reich für die Pommis – und das alles mit zwei linken Händen, wie sie selbst über sich sagt. «Momentan kann ich die Kosten decken. Doch das Pommernenten-Projekt soll nicht einfach ein teures Hobby sein. Langfristig soll es ein rentabler Betriebszweig werden», sagt sie selbstbestimmt. Bei den Enten und den Gänsen soll es nicht bleiben, Anja will einen Pro-Specie-Rara-Hof, Evolèner und Rhätisches Grauvieh besitzt sie bereits – sie sind auf dem benchbarten Partnerbetrieb unter gebracht.. Auch ein neuer Aufzuchtstall ist in Planung. Das ist noch viel Arbeit für die Fribourgerin und ihren Freund, der sie bei allem tatkräftig unterstützt – genau so wie ihre Familie, die stets hinter ihr und dem Projekt steht. «Manchmal bringt es uns schon an die Grenzen und ich wurde auch schon von vielen als Träumerin abgestempelt.» 

Beim Schlachten dabei. Klar, träumt die Jungunternehmerin manchmal. Doch die Arbeit holt sie auch immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Zum Beispiel wenns ums Schlachten geht. «Als die ersten Enten in der Schule geschlüpft sind, hatte ich fast einen Nervenzusammenbruch, weil ich realisierte, dass sie ja geschlachtet werden.» Nur: Wenn man die Pommernenten erhalten will, muss man sie auch nutzen. «Trotzdem sind die Pommis für mich nicht einfach nur Enten. Deshalb will ich auch mit dabei sein, wenn sie geschlachtet werden.» Das übernimmt für sie die Metzgerei Kopp in Heimisbach BE. Anja begutachtet jeden Schritt ganz genau. «Mir ist es wichtig, dass es schnell und ruhig passiert, dass die Tiere nicht noch warten müssen.» Nach vier Tagen kommt Anja zurück und bereitet sie je nach Wunsch des Kunden vor. Auch die Auslieferung macht sie persönlich. 

Anja Tschannen Pommernenten

Bunte Vielfalt: die Eier der «Pommis».

Anja Tschannen Pommernenten

Die jünsten Pommernenten schnappen frische Luft.

Caminada ist Fan. Einer der den Wert von Anjas Projekt erkennt hat, ist Andreas Caminada. Der 19-Punkte-Koch hat die Pommernenten vergangenes Jahr getestet und seinen Stammgästen serviert. «Die Enten haben einen guten Biss und sind perfekt im Geschmack», schwärmt der Chef. Deshalb hat er für diesen Herbst seine Bestellung aufgegeben: 30 Pommernenten. Auch Urs Achermann, Chefkoch bei Swiss Re, sowie private Abnehmer gehören zu Anjas Kunden. Anja strebt ein Optimum von 800 Masttieren an und  würde sich über weitere Spitzenköche als Kunden freuen. «Mir ist einfach wichtig, dass die Köche meine Philosophie teilen und dass sie auch verstehen, was ich hier mache und was alles hinter dem Endprodukt steckt. Ich lade jeden ein, sich die Anlage anzuschauen.»

 

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