Text: Kathia Baltisberger | Fotos: Christopher Kuhn
Freie Sicht aufs Matterhorn. Auf über 2000 Meter über Meer ist die Vegetation karg. Struppiges Gras, kalter Fels. Perfekte Bedingungen für die Walliser Schwarznasenschafe. Einige stehen nahe beieinander in der Herde, andere haben sich etwas abgesondert und grasen weiter weg. Deborah Kressebuch hat alle im Blick - oder zumindest eine leise Ahnung, wo sie sein könnten. Heute grasen sie in der Nähe der Station Rotenboden beim Gornergrat.
«Komm, jäss, jäss, jäss!», ruft Deborah den Schafen zu. Die 38-Jährige ist Künstlerin, Weltenbummlerin und Hirtin. Sie ist bereits zum zweiten Mal auf der Alp in Zermatt. Die meisten Schafe folgen dem Ruf, laufen mit ihrem zotteligen Fell auf die Hirtin zu. Deborah war schon als Kind auf der Alp und auch während des Studiums verbrachte sie die Sommer auf der Alp. Bei Rindern oder Geissen. Die Schwarznasenschafe haben es ihr besonders angetan. Sie streichelt ein kleines besonders zutrauliches Schaf. «Das ist Ziti, das ist das kleinste Schaf und mein Baby.»
Vorsicht vor dem Wolf. Deborah schläft in einem Wohnwagen, die Schafe sind dann eingezäunt. Neulich ging der Wolf um. «Während etwa zwei Wochen habe ich kaum geschlafen. Bei jedem Geräusch dachte ich, es sei der Wolf.» Sobald es hell ist, steht Deborah auf. «Jeden Morgen gehe ich zuerst im Gornergratsee schwimmen. Das ist richtig schön», schwärmt sie. Danach lässt sie die Tiere auf die Alp, sucht nach Stellen, die noch nicht abgegrast sind. Hier können sie sich frei bewegen und gehen, wohin sie wollen. Allerdings ist es im Sommer 2022 auch auf dem Gornergrat ziemlich warm. «Im Moment liegen sie eigentlich nur rum, den Tieren ist es auch zu heiss.» Am Abend sammelt Deborah die Tiere wieder ein. Bis es dunkel ist, sollte sie alle gefunden haben. 121 an der Zahl.
Mit GPS zu den Schafen. Das Besondere an den Schafen? Einige von ihnen sind mit einem GPS-Sender ausgestattet. Und per App können Touristen und Wanderer schauen, wo sich die Schafe gerade befinden. Von Dienstag bis Sonntag jeweils von 13.30 bis 15 Uhr gibt Deborah Auskunft über die Schwarznasenschafe und das Leben auf der Alp.
Nose to Tail. Bei den Schwarznasenschafen handelt es sich um robuste Tiere. Ihre Verdauung ist auf die wenige aber sehr nährstoffreiche Nahrung eingestellt. Milch geben sie kaum. «Sie lassen sich nicht gerne melken», erklärt Deborah. Ihr Fleisch ist eine Delikatesse, 30 Prozent weniger fettig als herkömmliches Lammfleisch. Und ein beliebtes Gericht in Zermatt. Die Tiere gehören der Familie Julen, die im Dorf unter anderem das Hotel Julen betreibt. Den Gästen wird das delikate Fleisch unter anderem in der «Schäferstube» serviert. Und zwar nicht nur Racks und Filet, sondern auch Gigot oder Züngli.