Text: Kathia Baltisberger Fotos: David Krüger
3 in 1. Die «Vier Jahreszeiten» von Vivaldi kennt jeder. Die «Zehn Jahreszeiten» von David Krüger gilt es noch zu entdecken. Der ehemalige Küchenchef des «Opéra» in Zürich (15 Punkte) hat die Coronazeit genutzt, um sein über Jahre hinweg gesammeltes Wissen über Ur-Pflanzen und Kräuter in ein Buch zu packen. Das knapp 300 Seiten starke Buch ist ein Mix aus Rezepte-Sammlung, Biologie-Lehrbuch und Enzyklopädie. «Auf meinen Kräuterwanderungen haben mich die Leute immer gefragt, welches Buch ich empfehlen würde. Und es gibt viele gute Kochbücher oder Enzyklopädien. Aber keines, das alles vereint», erzählt Krüger. Der Chef hat 80 Pflanzen herausgepickt. Er schreibt über deren Vorkommnis, Wirkung und Anwendung in der Küche.
Zeigerpflanzen geben den Ton an. Der Titel «Ten Seasons» bezieht sich auf den phänologischen Kalender, der von zehn Jahreszeiten ausgeht. Der Kalender richtet sich nicht nach Daten, sondern nach der Vegetation der sogenannten Zeigerpflanzen. Die Flora reagiert sensibel auf Temperaturen, Sonnenstunden oder Wassermengen. Wenn eine Zeigerpflanze auftritt, beginnt die entsprechende Sasion - und mit ihr treten auch die anderen Pflanzen der Saison auf. Halten Sie also Ausschau nach der Holunderblüte, sie läutet die nächste Saison, den Frühsommer ein. «In jeder Saison gibts auch Anleitungen zum Einmachen, damit man Vorräte für den Winter hat.»
Wald als Supermarkt. Im hinteren Teil gibt es Basis-Rezepte für Läuterzucker, Kaninchenjus oder Wegwartenkaffee, die weiter vorne immer wieder zum Einsatz kommen. Dank Querverweisen ist es aber ein Leichtes sich in dem Buch zurechtzufinden. Ganz so leicht wie die Orientierung scheinen die Rezepte aber nicht. Einzelne Komponenten müssen über mehrere Tage vorbereitet werden. Das wirkt aufwendig. Aber wer sich die Mühe macht, den Wald als Supermarkt zu benutzen, durch Wiesen robbt, um an ganz bestimmte Kräuter zu kommen, der will ja in der Küche auch nicht in fünf Minuten mit allem fertig sein. Der Umgang mit den Urprodukten braucht Zeit, Feingefühl und Respekt.
What's next? Wie es für David Krüger nach dem Buch-Projekt weitergeht, steht noch in den Sternen. Das Hotel Ambassador in Zürich wurde verkauft, befindet sich im Umbau. Der Küchen-Crew wurde im Oktober gekündigt und der neue Besitzer sieht kein Gourmet-Restaurant mehr vor für den Hotelbetrieb. Krüger lässt sich bei der Jobsuche nicht stressen. «Ich habe Anfragen, ich schaue mir verschiedene Sachen an, will es mir aber gut überlegen. Mir ist einfach die Nachhaltigkeit in einem Restaurant wichtig.» Im unwahrscheinlichen Fall, dass David Krüger nichts Passendes findet, kann er ja noch auf die Fotografie umsatteln. Denn: Der Chef hat das ganze Buch selber fotografiert. Hut ab!