Text: David Schnapp Fotos: 3Plus/Njazi Nivokazi, Olivia Pulver, Lucia Hunziker

Herr Bumann, Sie sind jetzt zehn Jahre als Restauranttester unterwegs. Gibt es keine Ermüdungserscheinungen?

Jetzt bin ich gerade 60 Jahre alt geworden, es gibt also noch reichlich Zeit, um müde zu werden. Mein neues Leben ohne Restaurant hat sich so ergeben, und jetzt gebe ich auch hier vollen Einsatz.

 

Ist das nicht eine sehr belastende Arbeit, Sie blicken laufend in menschliche Abgründe?

Die Arbeit ist nicht immer leicht, aber wir suchen ja nach unterschiedlichen Geschichten, um nicht nur Abgründe sondern auch Freude zu zeigen. Aber natürlich ist es oft belastend. Mittlerweile habe ich herausgefunden, wie ich eine gewisse Distanz zu diesen Schicksalen haben kann. Ich fange mit jeder Sendung bei null an, das bin ich den Leuten schuldig, und das hilft mir auch, mich auf die jeweils neue Aufgabe zu fokussieren.

 

Als was sehen Sie sich, als Sozialarbeiter der Schweizer Gastronomie?

Ein schöner Vergleich, doch ich sehe mich auch als so eine Art Psychologe und Praktiker und Experte – dieser Beruf ist extrem vielseitig, und er verlangt dem Gastronomen sehr viel ab. Man muss vieles können, das gilt auch für mich in meiner neuen Rolle. Dafür braucht es einen grossen Rucksack an Erfahrungen. Mit 44 Jahren Berufserfahrung kann ich da schon einiges anbieten.

Daniel Bumann

«Ich habe einen grossen Rucksack an Erfahrungen»: Restauranttester Daniel Bumann.

Welches Problem bringen Sie fast nicht aus der Welt?

Das werde ich oft gefragt, und eine Antwort ist nicht so einfach. Die Probleme sind oft miteinander verknüpft. Was ich aber oft sehe, ist ein Mangel an Selbstkritik: Man gibt gerne anderen die Schuld, statt Selbstverantwortung zu übernehmen.

 

Also haben Sie es eher mit menschlichen statt fachlichen Schwächen zu tun?

Es gibt schon beides. Aber zu Beginn beispielsweise habe ich Quereinsteiger nicht betreut. Ich wollte nur mit ausgebildeten Köchen zu tun haben. Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, dass ein Quereinsteiger mit Leidenschaft seinen Job besser machen kann, als ein Koch mit zwanzig Jahren Berufserfahrung, dem das Herzblut für den Job fehlt.

 

Denken Sie manchmal: «Da würde ich jetzt gerne wieder selber als Koch einsteigen»?

Das kommt tatsächlich vor. Nach einigen Tagen an einem Ort, denke ich anschliessend, «ich wüsste genau, wie ich diesen Laden in einem halben Jahr zum Laufen bringen könnte, damit er jeden Tag voll ist.» Einerseits wäre es sicher cool, sich nochmals zu beweisen, aber das neue Leben ohne Restaurant hat andererseits auch seine Vorzüge.

 

Wie sähe eine Bumann-Beiz heute aus?

Die Anforderungen an den Gastronomen ändern sich enorm schnell. Ich würde auch heute noch den Gästen meine Philosophie anbieten: die besten und frischesten Produkte mit Respekt, Liebe und Leidenschaft verarbeitet. Heute würde ich noch einfacher und spontaner kochen – vielleicht sogar ohne feste Speisekarte, aber zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Produkte werden immer wichtiger; die Menschen wollen wissen, was sie essen. Und fünf Stunden im Restaurant zu sitzen, macht vielen Leuten keine Freude mehr, sie wollen Spass haben.

 

Wenn Sie selber kochen, was gibt es dann?

Eine Bratwurst vom Grill mit Rösti zum Beispiel ist ein wunderbares Essen.

 

Und wie bereiten Sie eine Rösti zu?

Wenn wir Raclette am Vorabend hatten, mache ich die Rösti klassisch aus gekochten Kartoffeln, aber auch die Variante mit rohen Kartoffeln kommt vor. Eine gute Rösti braucht vor allem Zeit: Mindestens 45 Minuten, um sie langsam goldgelb zu braten. Und es braucht Liebe, denn man muss wissen und spüren, was in der Pfanne passiert.

Bernadette Lisibach, Neue Blumenau - Gault&Millau Garden Party - 19. August 2018 - Bad Ragaz - Copyright Olivia Pulver

Erfolgreiche Bumann-Schüler: Bernadette Lisibach…

Rolf Fuchs. Panorama Hartlisberg, Steiffisburg BE; 20.09.2018, Foto Lucian Hunziker

… und Rolf Fuchs.

Was ist Ihr Fazit nach zehn Jahren Restauranttester: Können sie wirklich etwas bewirken oder sind sie auf aussichtloser Mission unterwegs?

Nein, ich weigere mich, das so zu sehen. Ich habe ein offenes Ohr für alle Probleme der Gastronomie. Immer wieder berate ich auch Leute, die GaultMillau-Betriebe führen. Da kann es zum Beispiel um Personalfragen gehen, wie bei einem Fall in der neuen Staffel. Dort sind Küchenchef und Sous-Chef ein Paar und verlassen das Restaurant, um sich selbstständig zu machen. Dieses Problem konnten wir lösen. Als aussichtslos sah ich zunächst den Stromer an, der nebenbei im Muotathal noch eine Beiz führt. Das kann nirgendwo sonst funktionieren als dort, wo die Leute einander noch helfen.

 

Stéphane Décotterd, Dario Cadonau, Rolf Fuchs, Bernadette Lisibach, Matthias Brunner, Robin Höfer – die Liste Ihrer ehemaligen Mitarbeiter, die heute erfolgreiche Küchenchefs sind, ist lang. Was haben diese Leute bei Ihnen gelernt?

Bildung und Weiterbildung ist die Grundlage unseres Berufs, und die grosse Kunst besteht darin, daraus etwas zu machen. Es gibt Leute, die 13 Jahre bei uns waren, andere nur eine Woche. Aus den meisten ist etwas geworden. Das ist in erster Linie das Verdienst dieser Köche selbst, die aus ihrem Talent etwas gemacht haben. Wir konnten ihnen eine Plattform bieten, um dieses Talent zu entwickeln. Und sicher haben wir Ihnen Leidenschaft vermittelt und gezeigt, dass man um zu überleben, wirtschaftlich denken muss. Diese Tugenden haben wir 27 Jahre lang vorgelebt.

 

>> Die neue Staffel «Bumann der Restauranttester» startet Ende Februar auf dem TV-Sender 3plus.