Text: Leandra Graf
Das Recht auf Weidetötung. Zufrieden in ihrem Herdenverbund auf dem Grasland unter der Zürcher Forch weiden und in aller Ruhe Wiederkäuen: Die Angus Rinder auf dem Bio-Bauernhof «Zur chalte Hose» sind schon zu Lebzeiten im Paradies. Und wenn sich das Landwirte-Paar Claudia Wanger und Nils Müller dann von einem Tier trennen muss, passiert auch das mit Respekt. Auf Augenhöhe und im vertrauten Umfeld, natürlich eingebettet in den Alltag. Der gelernte Gastronom, Landwirt und Jäger und seine Frau, eine talentierte Reiterin, haben während Jahren für das Recht auf eigenhändige Weidetötung ihrer Tiere gekämpft. «Aus Liebe zu ihnen», betont Claudia Wanger. Das neue Gesetz, das dank diesen Pionieren seit Juli 2020 in Kraft ist, gilt nun für alle Bauern in der Schweiz, welche die strengen Auflagen erfüllen können. Bereits haben rund 100 Betriebe um Bewilligung nachgesucht und sie auch erhalten. Nach einem intensiven Einsatz im Dienst des Tierwohls, erscheint es immer mehr Landwirten als absurd, die Tiere am Ende auf langen Fahrten in die Schlachthäuser zu quälen. Ein Abschied in Würde führt zudem erwiesenermassen zu wertvollerem Fleisch.
Tierhaltung im Grasland Schweiz. Doch trotz aller Vorzüge der stressfreien Tötung fällt es Nils Müller nicht leicht, «einem geliebten Tier in die Augen zu schauen und gleichzeitig den einen, todbringenden Schuss direkt zwischen die Augen, auszulösen», was er etwa zehn Mal jährlich mit gebotener Sorgfalt tut. So, dass die Tiere weder Angst noch Schmerzen verspüren, und auch die entspannt danebenstehenden Artgenossen nicht erschrecken. Für das Landwirtepaar, das in den letzten 10 Jahren seinen idyllischen Bauernhof «Zur chalte Hose» aufgebaut hat, kommt Tierhaltung im Grasland Schweiz nicht anders in Frage. Das edel gestaltete Buch «Zum Sterben schön», eine Eigenedition zum Jubiläum, zeigt dies eindrücklich. Getrieben von der Sorge um Natur und Umwelt, beschreibt das Paar seine Beweggründe und Gefühle, begleitet von zauberhaften Landschaftsfotos, aber auch expliziten Bildern des ganzen Tötungs- und Schlachtvorganges. Leben und Tod sind nahe beieinander. Als Leser kann man sich ein Bild machen über natürliche Vorgänge und Zusammenhänge und danach selbst entscheiden, ob und unter welchen Umständen der eigene Fleischgenuss Sinn macht.
Onglet, Ragout, Innereien. Sämtliche Erzeugnisse eines Tieres können bei einem Besuch der «chalten Hose» im Hofladen erstanden werden. Und weil die verschiedenen Teile nicht unbegrenzt vorhanden sind, gehen die begehrten Stücke entsprechend rasch weg. Sie kommen gestaffelt in den Verkauf, was jeweils auf der Website angekündigt wird. Als Erstes unter dem Titel «Delikatessen» die Innereien und Teile wie Onglets, dann als «Frischfleisch» etwa Bratenstücke, Siedfleisch, Mark oder Ragout. Es folgen «Edle Teile, mindestens vier Wochen am Knochen gereift», wie Huft, Entrecôte oder Filet. Fast immer tiefgekühlt im Angebot sind Hackfleisch, Tatar, hausgemachte Burger und je nach Saison Fleisch von eigenen Bio Turopolje Schweinen, Jagd-Wild, Ente, Hahn, eingemachte Produkte. Ausserdem eigene «Salumi artigianali» im Naturkeller gereift. Auf das Wochenende hin gibt’s auch selbstgebackenes Brot und Zopf.
Herzliche Gastgeber, exzellente Köche. Claudia Wanger und Nils Müller sind nicht nur professionelle Landwirte, sie sind auch exzellente Köche und herzliche Gastgeber. Den einst heruntergekommenen Hof haben sie eigenhändig neu erbaut. Nebst modernen Ställen für Rinder, Pferde und Schweine ist das Bauernhaus in altem Glanz auferstanden. In der gemütlichen Stube finden am langen Tisch gut 30 Personen Platz, entweder als geschlossene Gesellschaft oder jeweils am letzten Dienstag eines Monats auf Anmeldung. Dafür stehen die Beiden in der Küche und verwandeln das, was von ihren Tieren als hochwertiges Fleisch zurückgeblieben ist, respektvoll in allerfeinste Menüs. Ihre Rezepte verraten sie im Buch, das natürlich vor Ort oder im Webshop gekauft werden kann. Bevor man sich zu Tisch begibt, wird ein reicher Apéro im Freien oder in der Scheune serviert, und es gibt die Möglichkeit, sich einem Hofrundgang anzuschliessen und sich vom artgerechten Dasein der Tiere auf der «chalten Hose» zu vergewissern. Wie der Hof zu seinem Namen kam, ist nebst der ganzen Geschichte und vielen News und Infos auf der Website nachzulesen.
Fotos: Stéphane Dubromel, Raphael Koch, Alexander Jakob, Fabian Spiguel, Nils Müller und Claudia Wanger