Text: Stephan Thomas | Fotos: Fabienne Bühler

Fleisch, erwachsen. «I love great meat!» Sven Wassmer, 18-Punktechef im Signature Restaurant «Memories» des Grand Resort Bad Ragaz, sagt es im Brustton der Überzeugung. «Ich kann Fleisch sogar roh vertilgen. Da schauen mich manchmal selbst Köche komisch an.» Trotzdem gibt es bei Wassmers zuhause eher selten Fleisch, und auch im Menu des «Memories» gehören fleischlose Teller zur Tagesordnung. Der Grund? «Ich verarbeite nur noch Fleisch von Geflügel, Wild, Kühen und teils auch von Schweinen, die ein langes Leben hatten. Wo sich der Kreislauf schliesst. Alles andere macht keinen Sinn.» Er hat sogar mit dem Gedanken gespielt, Rindfleisch ganz von der Karte des «Memories» zu verbannen. Doch dann ist er zufällig auf Michael Vogt aus Staad SG gestossen.

Schweizer Fleisch Chef Sven Wassmer bei Metzger Michael Vogt Staad SG

Fleischsommelier und Genussbotschafter: Hinterhof-Metzger Michael Vogt.

Genussbotschafter. Michael ist eine imposante Gestalt: Vollglatze, gepflegter Bart, Lederschürze und Dächlikappe als Markenzeichen. Der Offset-Drucker mit eigenem Geschäft widmet einen guten Teil des Tages seiner Leidenschaft, dem Fleisch. In bester Lage am Ufer des Bodensees konnte er dafür die «Hinterhof Metzgerei» erwerben. Er ist Fleischsommelier, was er selber mit «Genussbotschafter» übersetzt. In der «Hinterhof Metzgerei» pflegt er zwei Linien: Zunächst Fleisch von Rindern, die er persönlich aussucht und für sich aufziehen lässt. Dann kauft er Rücken von Schweizer Kühen, die locker 14 Jahre alt sein können. Diese veredelt er dann zu gesuchten Delikatessen.

Schweizer Fleisch Chef Sven Wassmer bei Metzger Michael Vogt Staad SG

18-Punkte-Chef Sven Wassmer: «Ich kann Fleisch sogar roh vertilgen.»

Schweizer Fleisch Chef Sven Wassmer bei Metzger Michael Vogt Staad SG

Genuss pur: Gut gelagertes Fleisch, direkt vom Feuer.

Schweizer Fleisch Chef Sven Wassmer bei Metzger Michael Vogt Staad SG

Wenn die Kühe mit Gras und Heu aufgezogen wurden, schmeckt das Fleisch besser.

Glückliche Rinder. Treffpunkt Grand Resort  Bad Ragaz, ein Swiss Deluxe Hotel. Wir fahren mit Svens geländegängigem Plug-in Hybrid Mercedes-Benz GLE vollelektrisch zu Roland Kübler nach Rorschacherberg. Hier, mit Traumblick über den See, wachsen Michaels Angus, Limousin, Wagyu und Braunvieh-Rinder heran. Ernährung nur mit Gras und Heu sowie Hofschlachtung sind eine Selbstverständlichkeit. Die Tiere strotzen vor Gesundheit, ihr Fell glänzt. Auch sind sie zutraulich und scheinen gut gelaunt. Aus der Herde sticht der schwarze Ochse Holger heraus. «Ein Tier der ersten Stunde, heute 6 1/2 Jahre alt», sagt Michael. «Ich hätte ihn längst schlachten müssen, aber ich bringe es einfach nicht übers Herz.»

Augenweide. Zurück in Staad stehen wir vor Michaels verglaster Schatzkammer. Drinnen hängen im Licht von Salzstein-Lampen wunderschöne Dry aged-Rücken. Michael holt sich ein Stück von 32 kg, aus dem Mitarbeiter Nick Bold das Filet herauslöst. «Die tiefrote Farbe und die feine Marmorierung sind fantastisch.» Es gibt aber auch viel zu lernen bei diesem Fleisch. Etwa, dass das gelbliche Fett kein Mangel, sondern ein Qualitätsmerkmal ist. «Es kommt vom Karotin im frischen Gras. Bei den heutigen Tieren, die mit Mastfutter grossgezogen und früh geschlachtet werden, ist das Fett in der Regel weiss.»

Geschmack ist alles. Auch Sven findet, dass die Konsumenten umdenken sollten. «Es sitzt tief in den Köpfen, dass Fleisch fettfrei und zart sein soll. Dabei sollte sich herumgesprochen haben, dass das Fett Geschmacksträger ist. Mir tut es immer weh, wenn die Gäste es abschneiden und zurücklassen.» Geschmack heisst das Zauberwort. «Es hat auch schon Gäste gegeben, die mein Fleisch wegen des zu präsenten Geschmacks beanstandet haben. Aber damit kann ich leben.» Das Fleisch im «Memories» ist nicht einfach butterzart, sondern darf etwas Struktur zeigen.

Klasse statt Masse. Für uns gibt es nun ein Steak der Extraklasse. Vom Grill natürlich, voraus im Holdomat auf niedriger Temperatur angegart. Gebannt sehen Sven und Michael auf die Glut. Nicht in allen Punkten sind sich die beiden einig. Michael salzt voraus, Sven nachher - manchmal setzt er auf Brining (vorgängiges Einlegen in Salzlake). Dass es auf Qualität und nicht auf Quantität ankommt, ist für beide klar. Michael sieht das so: «Bis 500 oder 600 Gramm bin ich dabei. Mehr ist nicht mehr zeitgemäss, sondern reines Imponiergehabe. Der Spruch 'Alles unter 500 Gramm ist Carpaccio' ist zwar lustig. Für uns gilt er aber nicht.»

 

www.hinterhofmetzgerei.ch