Text: Max Fischer I Fotos: Nik Hunger
Tagwache um 6 Uhr. Herzhaft beisst der St. Galler Spezialitäten-Metzgermeister Jörg Bechinger (52, Bild oben) in eine soeben frisch hergestellte St. Galler Olma Bratwurst IGP: «Das traditionelle Metzgerfrühstück», lacht er, «das ist das Allerfeinste!» In aller Herrgottsfrühe geht’s in seiner Metzgerei im Stadtteil St. Georgen mit dem Wursten los. Wie bei Köchen mit der Mise en place: Für 400 Exemplare legt Bechinger 20 Kilo Kalbfleisch und 10 Kilo Schweinefleisch auf die Seite.
Die 160-Gramm-Delikatesse. Alle Kritiker und Stänkerer belehrt er eines Besseren: «Bei mir kommt nur hochwertiges Fleisch in die Bratwurst – Voressen, Braten, Schultern», verspricht Bechinger. Ihm ist nicht wurst, was in der Wurst ist: «Was man hineingibt, das kommt auch heraus. Ich will Qualität!» Das sei schon bei der ersten Erwähnung der Bratwurst so gewesen. In der Satzung von 1438 der St. Galler Metzgerzunft heisst es: «Item die Bratwürste söllend sy machen von schwinignen Braten, und darunter hacken gut Kalbelen und jung Ochsen mit Kalber Zenen».
Goldmedaille & beste Stadionwurst der Schweiz. Er ist detailversessen, qualitätsbewusst und ein Genussmensch: Dafür schätzen Kunden und Experten Jörg Bechinger und seine Bratwürste. Die Profis des Schweizer Fleisch-Fachverbands zeichneten sie mit Gold aus – und die Autoren eines Buches wählten sie zur besten Stadionwurst der Schweiz.
Blitz & Spritze. Jörg Bechinger setzt sich Ohrhörer auf, legt das Fleisch in den lauten Blitz. Er würzt es mit Pfeffer, Salz und Macis, der Schale der Muskatnuss, fünf Zwiebeln und einer geheimen Gewürzmischung aus Kardamon, Koriander, Ingwer, Zwiebel, Lauch, Sellerie und Zitrone. Dazu gibt er Milch und Speck, der für ein kräftiges Aroma sorgt. «Es braucht Fingerspitzengefühl bei der Herstellung eines feinen Bräts mit guter Konsistenz und schön glänzender Farbe.» Wenn der Blitz zu lange laufe, werde das Brät zu heiss und der Biss der Wurst sei nicht knackig. Vom Blitz füllt Bechinger das Brät von Hand in die Spritze. «Mit dieser fülle ich es in Schweinedärme ab.»
Ab ins Bad! Nach 25 Minuten in 72 Grad heissem Wasser erreichen sie die erwünschte Kerntemperatur von 69 bis 70 Grad. Nach einem schnellen Abschrecken in mit Eis gefüllten Wasser sind die Bratwürste bereit für das Metzgerfrühstück. Frischer geht nicht. Erwartungsvoll schneidet Bechinger eine Bratwurst auf: «Die beiden Schnittflächen sind leicht gewölbt – so müssen sie sein», sagt er und freut sich wie ein kleiner Bub.
Klare Regeln. IGP steht für Produkte mit einer geschützten geografischen Herkunft. Das heisst: Die St. Galler OLMA Bratwurst IGP muss in den Kantonen St. Gallen, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserhoden und Thurgau hergestellt werden. Und die Säuli und Kälber müssen in der Schweiz oder im Fürstentum Liechtenstein auf die Welt kommen, hier gemästet und geschlachtet werden. Bis ins Detail geregelt sind im Pflichtenheft von IGP die Zusammensetzung des Fleisches sowie die erlaubten Gewürze.» Der Mix sei frei. «Jeder hat sein Rezept, das oft über Generationen weitergegeben wird und der Bratwurst ihren unvergleichlichen Geschmack gibt», sagt Bechinger. Alain Farine, Geschäftsführer der Vereinigung AOP-IGP ist stolz: «Es ist toll, mit einem Top-Handwerker wie Jörg Bechinger als Vertreter der St. Galler Bratwurst IGP zusammenarbeiten zu dürfen!»
6 ½ Minuten entscheiden. Wenn es um die Wurst geht, so isst sie Vater Jörg am liebsten vom Grill mit einem St. Galler Bürli. Für das Braten zu Hause empfiehlt er: «Am Anfang eine hohe Temperatur wählen und dann zurückfahren.» Das verhindere, dass der Darm auf der ganzen Länge aufspringe. Tipp: «Zuerst eine Seite der St. Galler Olma Bratwurst IGP sechseinhalb Minuten braten – und dann nur einmal kehren», verrät er. Für ihn ist ganz klar: «Meine Bratwurst ist zu gut, die braucht keinen Senf.» So viele Geniesser können sich nicht irren: Jörg Bechinger verkauft jährlich über 200’000 seiner Bratwürste!
Tradition & Sportsgeist. Jörg Bechinger hat die Metzgerei in St. Georgen von seinem Vater übernommen. Seine Frau Andrea (52) ist für den edlen Laden verantwortlich. Hinzu kommen vier Kinder. Die grosse Leidenschaft der Familie gehört dem Fleisch, aber auch dem Sport. Vater Jörg kickte in der 1. Liga bei Brühl St. Gallen. Metzgerlehrling Tobias (18) spielt dort als Junior, Zwillingsbruder Gabriel bei der U19 des FC St. Gallen, Tochter Sofia (20) war Handballerin bei Brühl St. Gallen, Tochter Antonia (22) blockt und schlägt für das Volleyball-Team des STV St. Gallen. Ein Leben für den Sport. Und für die Bratwurst!
>> Vom 1. bis 16. Februar können Geniesser in der ganzen Schweiz bei «IGP-Gastrowochen» das kulinarische Erbe der Schweiz selbst kennenlernen. Die teilnehmenden Köche bieten auf ihrer Karte mindestens drei IGP-Spezialitäten und zwei Schweizer Weine an.