Text: Max Fischer | Fotos: Stephanie Mullins
«The Jack» Die Schlacht der BBQ-Giganten am Smoker, der Kampf der Grill-Titanen um magische Saucen und auf den Punkt gegarte Briskets, Spareribs & Pulled Pork. Die Jack Daniel’s World Championship ist kein gemütliches Gartenfest, das ist die ultimative Challenge. Für 88 Pitmasters mit ihren Teams – darunter 22 aus der ganzen Welt – geht’s an der 35. Weltmeisterschaft um den heiss-begehrten Titel «The Jack». Auch für das Schweizer Team von «Bell’s 1869». Mit dabei Lorenz Wyss (grosses Bild oben, l.), der bis diesen Sommer 13 Jahre lang die Geschicke der Bell Food Group leitete: «Ein tolles Erlebnis», schwärmt er, «Lynchburg zählt 6500 Einwohner, am Finalwochenende besuchten rund 30 000 Gäste das BBQ-Gelände. Die Stimmung war fantastisch.» In Amerika ist BBQ ein Volkssport. Spitzen-Teams reisen von Wettkampf zu Wettkampf. «Die Pitmasters werden wie Volkshelden verehrt.»
Zwetschgenkonfi & Hickory-Chips Die Hitze ist an, das Fleisch ready, die geheimen Ingredienzen parat. «77 Kilo haben wir eingekauft. Vier Briskets, vier Schweineschultern, zwölf Babybackribs und fünf Poulets», so Wyss. Den ganzen Freitag über mariniert das Team die verschiedenen Fleischstücke. Sie setzen auf die bewährte Bell-BBQ-Mischung, verfeinert mit Schweizer Zwetschgenkonfi. «Gegen 21 Uhr legten wir das Brisket in den Smoker», sagt Jan Schemmer. Dort verbringt die Rinderbrust eine gemütlich-warme Nacht. Bei niedriger indirekter Hitze von 85 Grad. Befeuert wird der Smoker mit Hickory-Holz und Chips aus Kirschbaum und Hickory. «Diese haben wir vorher befeuchtet und dann mit Wacholder, Lorbeer und Thymian auf die glühende Kohle gelegt.» Ein paar Stunden später sind die Schweineschulter für das Pulled Pork und gegen 5 Uhr morgens die Spareribs reif für den Smoker. Von jeder Fleischsorte muss das Team der Jury von 11 bis 14.30 Uhr im Halbstundentakt sieben Stück abliefern. «Schön drapiert in einer Styropor-Box in einem Beet voll Peterli, den wir frisch gezupft haben», verrät Schemmer.
The big challenge Dem Team von «Bell’s 1869» wird nichts geschenkt. «Anders als die heimischen Teams konnten wir nicht unsere eigenen gewohnten Geräte einsetzen», so Bell Fleischsommelier Jan Schemmer. Das Miet-Equipment mit Küchen-Truck, Festzelt und vier Smokern bringt Grill-Ueli Bernold kurz ins Schwitzen: «Beim Testlauf rauchte der eine Smoker viel zu stark», regt er sich auf. «Das zerstört den Geschmack.» Schlimmer noch: «Beim zweiten Smoker schwankte die Temperatur stark.» Doch die routinierten Schweizer Grill-Profis – ebenfalls im Team sind die mehrfachen Schweizer Barbecue-Meister Philipp Glauser und Peter Spörndli – holen im wahrsten Sinne des Wortes die Kohlen aus dem Feuer: Nach langem hin und her schmieden sie den entscheidenden Plan, wie sie mit nur zwei Smokern in den Wettkampf im tiefsten amerikanischen Süden gehen.
American Taste & Swiss savour Die Schweizer Crew kennt die Vorlieben der Amerikaner: «Sie stehen auf sehr, sehr rauchige und süsse Aromen», weiss Grill-Ueli Bernold. Entgegen seiner sonstigen Gepflogenheiten setzt er in Lynchburg wie die Amerikaner aufs «Impfen»: «Ich spritzte als Fettstoff flüssige Butter und zusätzlich einen Kalbsfonds ins Brisket. Die amerikanischen Grill-Docs hämmern dann noch anderthalb Liter Coca-Cola hinein.» Als Metzger ist Bernold überzeugt: «Das braucht es nicht! Ein lang abgehangenes Stück Fleisch hat wunderbare Aromen und ist zart und saftig.» Die Geschmäcker sind verschieden.
Cheesecake & Züri Gschätzlets Am meisten Chancen auf einen vorderen Rang rechnet sich «Bell’s 1869» in der Kategorie «Homecooking» aus. Sie zaubert ein Schweinefilet Züri Gschnätzlets vom Grill mit Röschti auf den Tisch. «Das hätte in der Schweiz 15 Gault-Millau-Punkte verdient», ist Lorenz Wyss überzeugt. Und auch mit ihrem Dessert will sie punkten: Ein Cheesecake aus dem Smoker. Mehr noch: Aus einem «fliegenden Löffel» - er ist an einem langen Metall-Stift befestigt – rinnt eine Caramel-Schoggi-Sauce auf den Cake. Nicht nur kulinarisch ein Hingucker. «Doch es war 30 Grad heiss. Den ganzen Tag hat das Werk gehalten. Bis zur Präsentation: Da kippte der Löffel», bedauert Wyss das bittere Ende des süssen Traums.
Zuerst kein Glück, dann auch noch Pech Die Stimmung wird nicht besser. An der Preisverleihung räumen in allen Kategorien einheimische Teams ab. Der mit 25’000 Dollar dotierte Gesamtsieg geht an das Team der «Scuffletown Smokers» mit Pitmaster Alby Ransom aus Boonville in Indiana. «Vor Jahren gewann mit der Britin Jackie Weight zum einzigen Mal eine Nicht-Amerikanerin den Titel – seither waren immer US-Teams auf allen vorderen Rängen», sagt Grill-Ueli Bernold. Es seien eingespielte Teams auf ihren eigenen Geräten, die in der Saison Wochenende für Wochenende an Barbecue-Wettkämpfen teilnehmen. «Hinzu kommt: Ein Gericht wie unser Züri-Gschnätzlets hat es bei den süss-rauchigen Vorlieben der Amis einfach schwer.» Auch Jan Schemmer hat sich ein besseres Abschneiden erhofft. «Doch das Niveau des Wettkampfs war sehr hoch. Und alle Teams sind nur durch minime Punktunterschiede voneinander getrennt. Deshalb müssen wir uns nicht verstecken», sagt der Bell Fleischsommelier. Enttäuscht ist der Ex-Bell-Chef Lorenz Wyss. Auch aus einem anderen Grund: «Ich wollte den Amerikanern unsere weltbeste Bratwurst servieren – doch die Würste lagen während zehn Tagen ungekühlt in unserem Hotel herum. Als wir in Lynchburg ankamen, waren die Würste verdorben.»
Trockene Whisky-City Veranstalter der BBQ-World Championship ist der Whisky Produzent Jack Daniel’s in Lynchburg/Tennessee. Kaum zu glauben: In der Südstaaten-Kleinstadt gilt seit 1910 ein Alkoholverbot. Nur in der Brennerei darf man Flaschen kaufen und degustieren. Das Besondere an «The Jack»: Die Jury vergibt Punkte und urteilt knallhart – aber die Teams erfahren nicht, was gut oder schlecht war. Es gibt am Schluss eine Gesamtnote. «Das ist schade», bedauert Lorenz Wyss. «Es wäre für alle Teilnehmenden besser, wenn man erfahren würde, weshalb das eigene Brisket besser oder schlechter war als das Stück der Konkurrenten.»