Text: Kathia Baltisberger | Fotos: Olivia Pulver
Der Sternen Grill wird 60 Jahre alt. Was ist eure früheste Kindheitserinnerung an den Imbiss?
Peter Rosenberger: Ich erinnere mich vor allem an die Softeismaschine an der Ecke. In den Ferien mussten wir immer Softeis verkaufen.
Thomas Rosenberger: Mir ist unsere Grossmutter im Gedächtnis, die immer am Grill stand und Bratwürste grillierte. Sie war Grillchefin und stand sicherlich zehn Stunden pro Tag hinter dem Grill.
Grosses Bild oben: Thomas Rosenberger (links) und Peter Rosenberger.
Euer Vater hat den Sternen Grill ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Peter Rosenberger: Unser Grossvater hatte eigentlich die Idee dazu. Er hat unserem Vater vorgeschlagen, im Herbst Würste zu verkaufen. Beim Central gabs damals auch so einen Wurststand und er meinte, das könnte hier auch gut laufen.
Thomas Rosenberger: Das war 1963 und damals war das Bellevue nicht das Zentrum der Stadt. Das Viertel war nicht sehr angesehen, die Drogenszene grassierte hier. Unser Vater war Chef de Service im «Vorderen Sternen», er konnte dann die Pacht übernehmen. Im Erdgeschoss gabs ein einfaches Restaurant, im ersten Stock ein etwas chiceres mit weissen Tischtüchern. Der Grill stand draussen auf ein paar Harassen, daneben ein Chorb Bürli. Wie an einer Chilbi!
Vor knapp 30 Jahren habt ihr den Betrieb übernommen. Was hat sich alles verändert?
Beide: alles!
Peter Rosenberger: Ausser, dass wir immer noch Würste grillieren.
Thomas Rosenberger: Die Gastronomie hat sich ganz allgemein verändert. Der Sternen Grill wurde zu einem richtigen Business, das man professionell betreiben muss.
Peter Rosenberger: Wir sind auch kein Wurststand mehr. Es ist ein richtiges Restaurant mit entsprechender Infrastruktur.
Hat sich an der Wurst auch etwas verändert?
Peter Rosenberger: Ganz am Anfang bezog unser Vater die Wurst noch von einem Zürcher Metzger, wechselte aber bald zur Metzgerei Hirschen in Henau. Mittlerweile handelt es sich um eine zertifizierte St. Galler Bratwurst. Nur etwa 20 Metzgereien in der Ostschweiz lassen sich zertifizieren.
Ihr seid beide gelernte Köche. Viel Kochhandwerk braucht es für so eine Bratwurst ja nicht.
Thomas Rosenberger: Kochhandwerk nicht. Aber Grillhandwerk schon. Wenn ich an einem Fest die Bratwürste anschaue! Das geht zum Teil gar nicht.
Peter Rosenberger: Es gibt schon einiges zu beachten. Aber wir verraten nicht zu viel. Das ist unser Geheimnis.
Wie haltet ihr es persönlich mit dem Senf?
Peter Rosenberger: Ein guter Senf ist doch etwas Feines.
Thomas Rosenberger: Der scharfe Senf ist unser Markenzeichen. Der gehört dazu.
Nervt euch die Diskussion rund um Senf oder keinen Senf manchmal?
Peter Rosenberger: Überhaupt nicht. Das ist doch lustig. Wenn ein Ostschweizer zu uns kommt und wir ihm sagen, der Senf sei da vorne links, dann weisst du, jetzt gehts gleich los. Ich weiss nicht, wo sie das eingeimpft bekommen haben. Mir ist es Wurst, was man zur Wurst isst. Die Jungen nehmen häufig eine Bruzzito-Sauce. Und dann gibts noch solche, die Ketchup nehmen (verdreht die Augen).
Thomas Rosenberger: In diesem Jahr sind wir Ambassadoren für die Olma. Da wird der Senf sicher auch ein Thema sein.
Wieso ist der Sternensenf eigentlich so verdammt scharf?
Thomas Rosenberger: Unser Vater hat ihn so scharf gemacht, damit die Kunden nicht so viel Senf nehmen.
Peter Rosenberger: Ist das so? Das wusste ich gar nicht.
Thomas Rosenberger: Wir geben heute auch nicht sehr viel Senf. Weil es einfach nur wenig braucht.
Das Goldbürli ist ebenfalls eine unverzichtbare Konstante.
Peter Rosenberger: Das Goldbürli ist von Anfang an das gleiche. Die Bäckerei Gold ist ebenfalls ein Familienbetrieb. Die liefern sieben Tage die Woche zweimal frische Bürli.
Thomas Rosenberger: Aussen knusprig und innen weich müssen sie sein. Und es muss ganz viele Brösmeli geben, wenn man es abbricht.
Die Schlange vor dem Lokal ist immer sehr lang. Ist der Sternen Grill eine Goldgrube?
Thomas Rosenberger: Das glauben immer alle. Aber damit habe ich Mühe. Wir sind am Bellevue und das kostet ja auch viel Geld. Wir achten darauf, dass unsere Lokale schön bleiben, renovieren regelmässig, all unser einweg Geschirr ist aus recyclebaren Materialien. Es braucht sehr viele Ressourcen, um ein Lokal so zu betreiben.
Peter Rosenberger: Viele regen sich auch auf, wenn wir die Preise erhöhen. Aber für eine Pokébowl bezahle ich 24 Franken für Reis, Algen und ein bisschen Fisch. Aber wenn wir die handgemachte Bratwurst mit Bürli und Sauce für 8.50 Franken verkaufen würden (kostet jetzt 8 Franken), bricht die Welt zusammen.
Was viele nicht wissen: Der Sternen Grill ist mehr als nur ein Imbiss.
Peter Rosenberger: Es gibt tatsächlich Leute, die jede Woche zu uns kommen, wissen aber nicht, dass es im ersten Stock ein Restaurant gibt.
Thomas Rosenberger: Viele halten uns für einen Grillstand.
Peter Rosenberger: Schon wieder dieses Wort «Stand». Ein Stand ist draussen an einer Chilbi oder Markt. Wir haben eine Theke, Sitzplätze, WCs und alles drum und dran.
Was isst man denn im ersten Stock?
Thomas Rosenberger: Es gibt ein fixes Angebot mit unserer St. Galler Bratwurst, Wiedikerli oder Currywurst. Auf der Karte hat es auch ein Cordon-bleu, Hackbraten oder G’hackets mit Hörnli. Daneben gibt es eine Saisonkarte. Aktuell gibt es noch Spare Ribs vom Patanegra-Schwein von Luma oder Vitello Tonnato. Bald kommt die Wildkarte.
Sind vegane Würste ein Thema?
Thomas Rosenberger: Ja, aber ein heikles. Ich habe noch nie eine richtig gute vegane Wurst gegessen. Aber ich verstehe das Produkt Fleischersatz nicht. Wie viel Energie braucht es, bis eine Kichererbse aussieht wie eine Wurst? Aber wir bieten es an.
Peter Rosenberger: Rolf Hiltl ist ein guter Freund von uns. Wir haben deshalb eine Hiltl-Wurst. Aber man kommt ja auch nicht zu uns wegen den veganen Produkten. Es geht mehr um Gruppen, die zu uns kommen, und einen Vegi oder Veganer dabei haben.
Zur Bel Grill AG gehören auch das «Rosaly’s» hinter dem Sternen Grill und das Belcafe auf der Traminsel. Wie arbeiten die Lokale zusammen?
Thomas Rosenberger: Das Rosaly’s ist eine ganz andere Küche. Aber alles, was wir in grossen Mengen brauchen, wird dort produziert: Spätzli, G’hackets und Hörnli und vieles mehr. Die Desserts, die wir in Gläsli servieren, produzieren wir im Sternen Grill. Das Belcafe hingegen arbeitet fast autonom. Selbst der Pizzateig wird dort produziert. Wir schauen, dass wir keine Doppelspurigkeiten haben und nichts zweimal produzieren.
Das Rosaly’s wird immer besser, hat 15 GaultMillau-Punkte. Merkt man das auch im Sternen Grill?
Thomas Rosenberger: Fabio Lombardi ist auch der Küchenchef des Sternen Grills. Der Rehpfeffer, der hier bald auf die Saisonkarte kommt, ist von ihm. Auch wenn wir Produkte wie Spargeln servieren, beziehen wir diese für beide Lokale bei Caspar Ruetz.
Peter Rosenberger: Und wir achten auch im Sternen Grill auf die gleichen Details wie im Rosaly’s. Zum Kaffee gibt es ein Guetzli vom Züriwerk, es gibt immer frische Blumen, eine Stoffserviette. Im Belcafe brauchen wir richtigen Mozzarella für die Pizza, die Sandwiches sind immer frisch. Am Bellevue hast du so viel Konkurrenz, da kannst du dir schlechte Qualität nicht leisten.
Ihr habt mit dem Sternen Grill an den Flughafen expandiert. Sind noch mehr Filialen geplant?
Thomas Rosenberger: Die Bratwurst ist ein emotionales Essen, sie braucht ein Umfeld. Ein Fussballmatch, ein Konzert oder eben die Atmosphäre am Bellevue. Das Konzept funktioniert nicht überall.
Peter Rosenberger: Wir waren auch schon im Glattzentrum. Dort lief es mittags sehr gut, aber während der restlichen Zeit nicht. Wir wollen das, was wir jetzt machen, richtig gut machen – ohne Abstriche.
Wie oft esst ihr selbst eine Bratwurst?
Peter Rosenberger: Ich esse sicher alle zwei Wochen eine Bratwurst zu Testzwecken.
Thomas Rosenberger: Und wir essen hier jeden Tag zu Mittag. Wir wollen gut essen. Und stimmt mal etwas nicht, passen wir es an. Am Ende sind wir Gastronomen und nicht Betriebswirtschafter.
Wo esst ihr sonst gerne in Zürich?
Peter Rosenberger: Ich habe das Antiquario da Marco für mich neu entdeckt. Dort gefällt mir die Atmosphäre und das Essen ist wirklich gut.
Thomas Rosenberger: Ich bin dort, wo ich die Leute kenne. In der Schützengasse und im Kaufleuten. Und das Poulet im Emilio ist auch mega. Ich mag aber auch das Gül und das Co Chin Chin.