Text: Anita Lehmeier | Fotos: Christopher Kuhn, Thomas Buchwalder
CARCENATS LAIB-SPEISE. Einen prominenten Gast-Auftritt feierte ein zweijähriger Sbrinz AOP von Fritz Vonarburg bei der Gala von Benoît Carcenat in Rougemont, als dieser am 7. November zum Koch des Jahres gekürt wurde. Carcenat servierte den Pasta-Gang, Nudeln mit Trüffeln, in einem ausgehöhlten Laib Sbrinz AOP von der Käserei Sage aus Rain. Den kulinarischen Ritterschlag hat der Meisterkäser aus dem Luzernischen in seinem Handy gespeichert. Ein Bild von diesem Event aber sucht man im Laden, der zur Käserei gehört, vergebens. Vonarburg ist zwar stolz über die Ehrung durch den Starchef vom «Valrose», aber grossen Wirbel mag er deswegen nicht machen; er lässt lieber seinen Sbrinz AOP für sich sprechen.
SCHATZTRUHE DES GENUSSES. Und die Mundpropaganda funktioniert bestens: Bei unserem Besuch in der Sage in Rain geben sich die Kunden die Klinke in die Hand – an einem ganz gewöhnlichen Werktag. Die Autokennzeichen zeigen, dass Käseliebhaber auch über die Kantonsgrenze hinweg anreisen. «In der Woche vor Weihnachten war der Andrang so gross, dass ich vor dem Laden eine Wartebank und ein Öfeli eingerichtet habe, wo sich die Leute mit Glüh-Gin bedienen konnten, um sich warm zu halten», erzählt Ruth Vonarburg, Fritz’ Geschäftspartnerin. Sie steht täglich ausser sonntags im Laden. «Der nahegelegene Golfplatz Sempachersee ist ein toller Multiplikator, er bringt uns gute und anspruchsvolle Laufkundschaft», meint sie lächelnd. Die gelernte Servicefachfrau sorgt für das exquisite Sortiment im liebevoll gestalteten Lädeli. Neben dem eigenen Sbrinz AOP erschiedener ahrgänge liegen Dutzende von Delikatessen der besten Schweizer Käser in der gekühlten Schatztruhe: Galait und Bou’Lait von Agnès Beroud aus dem Jura, der Jersey Blue von Willy Schmid, ein Bleu de la Gruyère von der Laiterie de Pont-la-Ville, der Noula-Mozzarella von Thomas Bucheli aus Fribourg, ein Délice de Rougemont von Arnaud Guichard von der Fromagerie Fleurette in Rougemont. Dieser hochgelobte junge Käser habe auch den Kontakt zu Benoît Carcenat hergestellt und ihm Vonarburgs Sbrinz AOP ans Herz gelegt. Ergänzend zum Käsesortiment gibt’s im Sage-Laden auch Spezialitäten wie Chutneys und Konfis von Pura Culina, der Manufaktur, die ebenfalls in Rain produziert.
100 JAHRE FAMILIENTRADITION. Die Käserei Sage blickt auf eine hundertjährige Geschichte zurück, schon der Grossvater und der Vater von Fritz Vonarburg haben hier Sbrinz und andere Sorten hergestellt. «Im April feiern wir das 100-Jahr-Jubliäum», sagt der heutige Chef nicht ohne Stolz und zeigt im Familien-Fotoalbum die diversen Um- und Ausbauten, die er in der Sage erlebt hat. Für ihn sei immer klar gewesen, dass er Käser werden und den Familienbetrieb weiterführen wolle. «Das geschah ganz ohne Druck – ich bin mit diesem Handwerk aufgewachsen und liebe es.» Fritz Vonarburg übernahm 1995 im Alter von 26 Jahren den Betrieb, als Alleinkäser. Er produziert in den zwei mächtigen Kupferkessi jährlich 1800 Laibe Sbrinz AOP, das sind über 70 Tonnen aus einer Million Liter Milch pro Jahr. Viel Arbeit für einen allein! «Ja, eigentlich zu viel, aber für zwei würde es als Auskommen nicht reichen», erklärt Fritz Vonarburg. In seiner Freizeit ist er Hobby-Imker, betreut fünf Völker. «Wir leben auf dem Land, wo Milch und Honig fliesst.»
SCHOGGI ODER KÄSE? Die Käserei Sage mit dem Sbrinz-Schriftzug auf dem Dach, idyllisch eingebettet zwischen Wiesen und Wäldern, an der Kreuzung zweier Landstrassen hinter Rain gelegen, sei die letzte ihrer Art. «Im vorletzten Jahrhundert gab hier es in der Umgebung fünf Sbrinz-Käsereien. Die Eröffnung der Schoggifabrik Lucerna in Hochdorf anno 1906 bedeutete für viele der regionalen Käsereien das Ende: Die Schoggibarone zahlten den Bauern einen höheren Milchpreis, die Käser gingen leer aus. Auch nach dem schnellen und skandalösen Konkurs der Schoggifabrik 1911 blieben viele der Käsereien geschlossen, nur wenige stiegen wieder in die Käseproduktion ein. Ob die Käserei Sage an die nächste Generation weitergeht, steht noch in den Sternen. «Unsere Tochter Zoey ist neun!», sagt Ruth Vonarburg lachend. «Sofort nach ihrer Geburt ging Fritz heim an seine Kessi und käste. Ein Laib Sbrinz AOP von diesem Tag, dem 28. Januar 2014, reift im Keller weiter – genau wie Zoey zwei Stockwerke weiter oben.»
MILCH VON HORNKÜHEN. Fritz Vonarburg bezieht seinen Rohstoff für den Sbrinz AOP von sieben Milchbetrieben, die im Umkreis von gerade einem Kilometer um die Käsi liegen. Einer davon ist der Hof Chnülle, den Christof Furrer ebenfalls in der dritten Generation betreibt, mit 12 Hektaren Weideland. «Schon mein Grossvater lieferte Milch in die Sage, an den Grossvater von Fritz», erklärt der Jungbauer bei der Stallführung. Hier stehen jetzt im Winter 26 Kühe der Rasse Schweizer Original Braunvieh, alle mit Hörnern. An einem Ende des blitzsauberen Anbindestalls ist Eiger daheim, der amtierende Stier, ein Mocken von 900 Kilo Gewicht, riesigem Schädel und doch sanftem Charakter. Am anderen Ende steht schon sein Nachfolger bereit. Noch ist der Junior mit rund neun Monaten voll in der Pubertät – die Kühe sind noch eine Nummer zu gross für ihn. Gab’s diesen Sommer weniger Milch wegen der Hitze und der langen Trockenheit, wollen wir von Bauer Furrer wissen. «Nein, wir hatten Glück hier in der Gegend. Es kam immer im richtigen Moment ein Gewitter und sorgte für Feuchtigkeit im Boden.» Sein Vater Niklaus, der seit zwanzig Jahren frühmorgens die Milch auf den Rainer Höfen abholt und in die Käserei Sage fährt, habe den Tankwagen auch im Hitzesommer 2022 stets füllen können. Liebhaber von Sbrinz AOP dürfen sich also auf einen guten Jahrgang von Fritz Vonarburg freuen.