Interview: Elsbeth Hobmeier | Fotos: Kurt Reichenbach

Stefan Gasser, der Emmentaler AOP ist der Schweizer Nationalkäse. Wird er heute noch nach dem gleichen uralten Rezept wie vor vielen hundert Jahren gemacht?
Ja, genau gleich wie einst, das Rezept bleibt unverändert und wird von Käser zu Käser, von Generation zu Generation, übernommen. 

Auf die «berühmtesten Löcher der Welt» werden Sie sicher oft angesprochen. Trotzdem die Frage: Warum hat der Emmentaler AOP Löcher?
Diese Löcher sind unser Wahrzeichen, unser unverwechselbarer Auftritt. Sie entstehen dank der Zugabe von Propionsäurebakterien. Diese entwickeln während den zwei Monaten im warmen Gärkeller CO2. Das gebildete Gas entfaltet sich und bildet die Löcher. 

100 zumeist kleinere Dorfkäsereien produzieren den Emmentaler AOP also keine riesige Fabrik, sondern Handwerk von A bis Z. Darf ihn jeder Käser herstellen?
Nein, das darf er nicht. Wer Emmentaler AOP käsen darf und wie er das tun muss, ist genau festgelegt. Und diese Lieferrechte werden praktisch «vererbt», ein neuer Betrieb kommt da nur selten dazu. Je nach Absatz und Nachfrage wird die Liefermenge von der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland festgelegt und auf diese 100 Dorfkäsereien verteilt. 

Diese Bewilligung können Sie auch entziehen, wenn sich ein Käser nicht an die Regeln hält?
Ja, das ist richtig. Aber ich kann mich in den letzten 25 Jahren nur an einen solchen Fall erinnern. 

Emmentaler AOP Schaukäserei 2022

Schaukäserei Affoltern i.E.: Hier lagern die Emmentaler AOP, bis sie genussreif sind.

Emmentaler AOP Schaukäserei 2022

Jeder Laib trägt eine Käsereimarke mit der entsprechenden Käsereinummer.

Emmentaler AOP Schaukäserei 2022

Das Wahrzeichen: Die Löcher entstehen dank der Zugabe von Propionsäurebakterien.

Schwingerkönig Matthias Sempach ist Ihr Markenbotschafter. Wie viele Kilo Emmentaler AOP lassen Sie ihm jede Woche zukommen? 
Mättu hat ein Kontingent für seinen eigenen Gebrauch. Aber diesen Käse müssen wir ihm nicht schicken. Er nimmt ihn sich selber von seiner Käserei in Mosigen im Entlebuch; dort liefert er seine Milch hin. 

Der perfekte Emmentaler AOP Botschafter also!
Seit zehn Jahren dürfen wir Matthias Sempach an unserer Seite haben, als Markenbotschafter, Freund und nun auch als Milchproduzent für den Emmentaler AOP. Auf seinem Hof produziert er mit viel Hingabe und Sorgfalt beste Rohmilch für die Herstellung unseres Originals. Mättu repräsentiert alles, was auch den Emmentaler AOP charakterisiert: Kraft, Originalität, Authentizität, Bodenständigkeit und Tradition.

In 100 Kilo Emmentaler AOP stecken 1200 Liter Milch, soviel wie 41 Kühe an einem Tag hergeben. Finden Sie in der AOP-Region immer genügende Mengen an Milch?
Ja, das ist kein Problem. Wir pflegen auch ein sehr gutes Verhältnis mit unseren Bauern und unseren Käsereien und sind stolz auf sie. Man kann sie alle jederzeit besuchen, da ist alles tiptop im Schuss. Die Schaukäserei in Affoltern im Emmental ist unser grosses Schaufenster: Wir zählen jährlich bis 300’000 Besucher. Wir bieten Rundgänge an, führen ein Restaurant und einen Verkaufsladen. Demnächst eröffnen wir auch noch eine Schaubäckerei. 

Kommt jeder Emmentaler AOP aus dem Emmental?
Das AOP-Gebiet (Appellation d’Origine Protégée/geschützte Ursprungsbezeichnung) ist weiter gefasst, neben dem Bernbiet zählen auch die Zentral- und Ostschweiz dazu. Aber überall gilt ein hohes Qualitätsniveau, das regelmässig kontrolliert wird. Und: In jeder Käserei darf die Milch nur aus maximal 20 Kilometern Umkreis angeliefert werden.

Stichwort Tierwohl: Wie wohl ist den Emmentaler-Milchkühen?
Sie haben es schön, sie haben viel Platz im Stall, grossen Auslauf, gutes Gras oder Heu ohne jeden Zusatz, nie Silage-Futter. Das alles ist in unserem Pflichtenheft genau geregelt. Die Kälber dürfen frei herumlaufen, jede Kuh hat einen Namen. Das lässt die Besucher aus dem Ausland immer wieder staunen.

Emmentaler AOP Schaukäserei mit Stefan Gasser Direktor Emmentaler Switzerland 2022

«Mister Emmentaler»: Stefan Gasser ist seit 2014 Direktor von Emmentaler Switzerland.

Viel Kalzium, so viele Vitamine. Ersetzt ein gutes Stück Emmentaler AOP die Vitamintabletten und Osteoporose-Vorsorge?
Unbedingt! Eigentlich könnte man den Emmentaler AOP in der Apotheke verkaufen! Dazu ist er auch noch absolut laktosefrei und einer der salzärmsten Käse überhaupt. Kurz: Jedes Stück ist gemacht zum Geniessen und erst noch ein sehr gesundes Nahrungsmittel. 

Emmentaler ist nicht gleich Emmentaler, es gibt inzwischen acht verschiedene Sorten von Classic über Eidgenoss bis Urtyp. Welche ist am begehrtesten?
Classic wird am meisten verlangt. Aber wir wollen die Sortenvielfalt noch mehr als bisher ausspielen. Denn es ist ja wirklich interessant: Der Grundkäse ist bei allen acht Varianten genau derselbe, die verschiedenen Aromen von nussig-mild bis aromatisch-kräftig entstehen erst aufgrund der Dauer und der Art der Reifung, seien es vier oder dreissig Monate, sei es im Käsekeller oder in einem feuchten Stollen.  

Kein Käse wird so oft kopiert wie der Emmentaler AOP. Wie schützen Sie ihn? 
Die Qualität wird jeden Monat kontrolliert und mit Punkten taxiert. Jeder Laib trägt eine Käsereimarke mit der entsprechenden Käsereinummer. Mit dieser Nummer kann jeder Laib bis zur Käserei zurückverfolgt werden kann. Das ist wie ein Wasserzeichen auf einer Banknote und ein Alleinstellungsmerkmal, das nicht kopiert werden kann.

Früher wurde immer behauptet: Der beste Emmentaler AOP geht ins Ausland. Stimmt das?
Überhaupt nicht, wir machen nur guten Käse. Im Inland und Ausland kommt genau dieselbe Qualität in den Verkauf.

Wie sieht für Sie persönlich eine perfekte Käseplatte aus?
Ein Plättli mit vier Emmentalern AOP in verschiedenen Reifegraden, um zu zeigen, wie unterschiedlich sie schmecken. Auf unserer Website finden sich übrigens auch viele Rezepte, falls es mehr als ein Plättli sein darf.

Und im Restaurant?
Da sollte auf jeder Käseplatte ein Emmentaler AOP dabei sein, auf dem Frühstücksbüffet ein eher milder, nach dem Essen gerne ein rezenter. Übrigens bieten Gastroverteiler wie Aligro und Prodega eine schöne Auswahl an. In unserer Schaukäserei empfangen wir liebend gern auch Gastronomen und zeigen ihnen alle unsere Produkte; solche Besuche sind uns eine grosse Freude.

 

>> Stefan Gasser ist seit 2014 Direktor der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland (ES).

 

www.emmentaler.ch
www.e-sk.ch