Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver

Sister Act! Es hackt, es haut, es hämmert – und schwupps fliegt ein Hühnerbein durch die Gegend. Am Stand der Fiechter-Schwestern auf dem Helvetiaplatz in Zürich werden nicht nur feinste Produkte feilgeboten, sondern auch beste Unterhaltung. Hanna, 60, Mirjam, 59, und Lisa Fiechter, 56, verkaufen seit Jahrzehnten Fleisch mit Leidenschaft. Geflügel ist ihr Spezialgebiet, doch eigentlich findet sich vom Wildschwein bis zum Wildbrett fast alles.

 

Strenger Vater. Gelernte Metzgerinnen sind sie nicht. «Wir können ja gar nichts», sagen die drei unisono – wohlwissend, dass dies so überhaupt nicht der Wahrheit entspricht. Grund für die Tiefstapelei: Die Fiechter-Schwestern – die drei jüngsten von insgesamt acht Kindern – hatten nie eine Lehre gemacht. «Wir durften nicht. Unser Vater hat gesagt, das bräuchten wir nicht, wir würden sowieso bald heiraten. Und damals waren wir nicht so emanzipiert, dass wir uns dagegen gewehrt hätten», erinnert sich Lisa. «Ich hatte lange Mühe damit», sagt Mirjam offen.

«Unsere Mutter war ein Engel», sagen die Fiechter-Schwestern.

Ernst Fiechter war ein charismatischer aber strenger Vater.

Früher hatte die Familie Fiechter eine Hühnerfarm. Heute kaufen sie das Fleisch zu.

Wursten à la Hausfrau. Trotzdem: Heute sind sie glücklich über die Entscheidung, die der Vater für sie traf. «Alles, was wir wissen, haben wir von ihm gelernt», sagt Hanna. Fast alles. Wursten haben sie sich selbst beigebracht - nach «Hausfrauenart» wie sie es nennen. «Ein Metzger müsste vermutlich lachen, wenn er uns sehen würde.» Soll heissen: Den Würsten fehlt es zwar an Norm, aber keineswegs an Geschmack. Schlachten gehört heute nicht mehr zu ihren Aufgaben. Sämtliches Fleisch wird eingekauft. «Wir achten sehr darauf, wie die Tiere gehalten werden. Die Tiere werden sogar so gefüttert, wie wir das den Produzenten sagen», erklärt Hanna. 

Comb to tail: Das oberste Credo bei den Fiechter-Schwestern: nichts wegwerfen! «Wenn man das Tier schon tötet, soll man auch alles essen. Das wäre doch sonst nicht fair.» Herz, Magen sogar der Kamm: Die drei wissen für alles eine Verwendung. Von den Kunden ernten sie dafür sowohl ungläubige als auch neugierige Blicke. Doch Hanna Fiechter sagt bestimmt: «Es ist eine Sünde Fleisch wegzuwerfen!»

Alles muss weg! Sogar den Kamm kann man essen.

Weihnachts-Chrampf. Bei den Kunden kommen die drei Schwestern und ihre Haltung an. Die Schlange am Stand ist entsprechend lang. Das liegt auch daran, dass die Marktfrauen praktisch alle kennen, mit ihnen plaudern und Witzchen reissen. Wer lange nicht da war, erzählt den Fiechter Schwestern warum – zum Beispiel weil man von einem Menschen gebissen wurde und danach an einer Blutvergiftung litt. «Wir lachen und wir weinen mit unseren Kunden. Sie sind die Besten. Ohne sie würden wir das alles nicht machen.» Und machen wollen sie das noch eine Weile. «Noch neun Weihnachten, dann hören wir auf!», sagt Hanna. Denn die Fiechters rechnen nicht in Jahren, sondern in Festtagen. «Weihnachten ist immer ein richtiger Chrampf. Kinder kriegen ist einfacher.»

 

>> Fiechter Markt
Freitag: Helvetiaplatz, Zürich
Samstag: Marktplatz, Zürich Oerlikon

www.fiechter-markt.ch