Text: David Schnapp I Fotos: Jürg Waldmeier
Ziel: Top-Adresse. In der Familie der Bindella-Ristoranti hat das «National» in Winterthur eine Sonderstellung. Das grosse Lokal mit rund 200 Sitzplätzen serviert gleich beim Bahnhof seit Jahrzehnten gutbürgerliche Klassiker, und an dieser Ausrichtung will auch das neue Duo an der Spitze nichts ändern: Geschäftsführer und Gastgeber Luigi Ricchiuto sowie Küchenchef Daniel Käser haben sich vielmehr zum Ziel genommen, mit diesem Konzept «unter die Top-Adressen in Winterthur zu kommen, damit das Restaurant durchgehend voll ist», wie es Maître Ricchiuto formuliert. Grosses Bild oben: Luigi Ricchiuto (r.) und Daniel Käser.
Geschnetzeltes, Stroganoff, Wild. Seit zwei Monaten ist der 41-jährige Daniel Käser für die «National»-Karte verantwortlich, er soll mit Konstanz und hohem Qualitätsverständnis mithelfen, das Ziel zu erreichen. Frühere Stationen im Zunfthaus zur Waag oder im «AuGust» in Zürich qualifizieren ihn zweifellos für eine Aufgabe, die er im Einsatz für «die klassische französische Küche schweizerischer Ausprägung». Im Trend sei vielerorts asiatische Küche, Käser möchte mit seiner Arbeit einen gewissen Ausgleich schaffen. Aber, kein Missverständnis, der engagierte Küchenchef ist durchaus weltoffen und neugierig: «Ich habe auch schon in einem Sushi-Restaurant in Deutschland gearbeitet, aber auf die Dauer war mir das zu eintönig.» Zürcher Geschnetzeltes – mit oder ohne Nierli –, Rindsfilet Stroganoff oder klassische Wildgerichte, für welche die Winterthurer jedes Jahr wieder im «National» reservieren sind Daniel Käser näher als Reisrollen.
«Wir passen perfekt zusammen.» Als entscheidenden Faktor auf dem Weg zum Erfolg sehen Luigi Ricchiuto und Daniel Käser – neben offensichtlichen Faktoren wie guter Küche und aufmerksamem Service – aber insbesondere die Art, wie sie als Führungsduo zusammenarbeiten. «Ich arbeite gerne eng mit dem Küchenchef zusammen», sagt dazu Ricchiuto. Er koche selbst gerne und gehe viel auswärts essen. Ideen, wie der am Tisch zubereitete «Bratapfel» mit Spekulatius-Glace hat denn auch der Gastgeber in die gemeinsame Arbeitsbeziehung eingebracht.
Keine bewachten Grenzen. Für Daniel Käser stellt die Aufhebung der oft gut bewachten Grenzen zwischen Küche und Gastraum kein Problem dar: «Ich bin froh um die Unterstützung», sagt er und findet, man passe perfekt zusammen: «Wir haben uns gesucht und gefunden: gleiches Alter, beiden haben zwei Kinder und die gleichen Vorstellungen davon, was man den Gästen bieten will», so der Küchenchef. Sein Kollege fasst die Auffassung über die Art der Zusammenarbeit gradlinig zusammen: «Es gibt kein Rumgezicke und keinen Stress am Pass. Wenn wir mal nicht gleicher Meinung sind, kann man das bei einem Kaffee oder Bier ausdiskutieren.»
Liebe zum Detail. Die «ehrliche traditionelle Schweizer Küche», wie sie Daniel Käser anstrebt, wird in einer Atmosphäre serviert, die von der Liebe zum Detail geprägt ist. Das auf jedem Tisch eine Kerze brennt, ist Gastgeber Luigi Ricchiuto ebenso wichtig wie der Einkauf der Bürli, die von «Bread Love» aus Basel kommen, und auffällig viel besser sind als das meiste, was einem in einem Brotkörbchen aufgetischt wird. Der Charme des Restaurants ist daneben natürlich geprägt von den Räumen und der grosszügig eingebrachten Kunst, die Patron Rudi Bindella sorgsam ausgesucht hat. 248 Kunstobjekte, Gemälde ebenso wie Plastiken und Objekte machen das «National» zu einer Villa Kunterbunt mit Stil, eingerichtet von Erwachsenen mit Geschmack. Stündlich schlägt etwa ein Glockenspiel im fast schon spektakulären modernen Anbau neben dem Hauptgebäude aus dem Jahr 1875. Wobei die Glocke nicht bloss klingende Dekoration ist, sondern durchaus symbolischen Charakter hat: Eine Mahlzeit im Restaurant National, so kann man es sehen, ist ein Ereignis zwischen zwei Glockenschlägen, wenn im besten Fall die Zeit kurz stehen geblieben ist.