Text: Max Fischer I Fotos: Marcus Gyger & Kurt Reichenbach

Das Projekt Abländschen. Abländschen bei Gstaad, Gemeinde Saanen. Ein innovatives, ungewöhnliches Projekt in einem abgelegenen, wunderschönen Tal. Mit heimeligem Berghotel («Zur Sau»), samt einheimischen Produkten, tollen Produzenten und natürlich einer Beiz. Für Wanderer, Biker & Geniesser. Die Anreise? Im ersten E-Postauto der Schweiz im Saisonbetrieb!

 

So eine Sauerei. Feines vom Duroc-Alpsäuli zaubert Koch Ralph Pietsch auf den Teller. Die Säuli kommen von der Alp Fideritschi, eine Wanderstunde entfernt vom Berghotel, zuhinterst im Saanenland. Hier ist das Reich von Hanspeter Dänzer (grosses Bild oben) und seinen 10 Duroc-Alpsäuli. Ende Mai dieses Jahres sind sie eingezogen: «Sie wogen etwa 31 Kilo», so Dänzer. Im August haben sie ihr Schlachtgewicht von 120 Kilo erreicht, gefüttert wurden sie mit Alpgras, Schotte und Kraftfutter. Zarte Fettadern durchziehen das Muskelfleisch der Tiere und verleihen ihm einen kräftigeren Geschmack im Vergleich zu herkömmlichem Schweinefleisch. Das Highlight auf der Karte von Pietsch: Das Côte de Cochon mit Abländscher Brathärdöpfel und allem, was die Felder am Fuss der Gastlosen gerade hergeben. Vom Duroc-Schwein gibt es zudem saftige panierte Schnitzel, eine würzige Schweinsbratwurst sowie Rösti mit Schinken und Speck, Käse und Spiegelei. Ab und zu werden Schnörrli, Züngli & Co. zu einem sauguten Schwartenmagen verarbeitet. Nose to tail ist in Abländschen keine Modeerscheinung: Früher war es gang und gäbe, die Tiere restlos zu verwerten.

Grünes Tal im Saanenland

Grün beruhigt: Das Berghotel «Zur Sau» mitten im Niemandsland.

Einmal richtig abländschen. Wer einmal im Leben wirklich abschalten, runterfahren und eben «abländschen» will, schläft hier saugut. Das Bergdorf am Ende der Welt liegt langgezogen am Fuss der mächtig-schroffen Kalksteinspitzen im Grenzgebiet von Berner Oberland und Fribourger Alpen im Saanenland. Seit kurzem fährt ein blaues E-Postauto von Saanen aus ins Tal. Früher war hier das Feinschmecker-Restaurant «Weisses Kreuz» und stand dann jahrelang leer, heute wird hier wie gesagt die Sau rausgelassen. Und auch wenn aromatisches Fleisch von Duroc-Säuli die Karte des Berghotels «Zur Sau» prägt, Koch Ralph Pietsch fühlt sich auch mit Rind, Kalb und Fisch sauwohl. Das Bijou gehört Géraldine und Patrick Rolle, deshalb auch der Hauswein «Rolle sur Mont» als Fendant oder Pinot Noir. Die Philosophie des Hauses: 100 Prozent Abländschen. So profitieren die Bergbauern – und die Gäste. Die kreativen Köpfe hinter dem Projekt sind Hans-Peter Reust (Saveurs Gstaad), die Bernerhof-Hoteliers Brigitte und Thomas Frei aus Gstaad – und Clà Frei als operativ verantwortlicher Wirt. Zehn im Alpenchic liebevoll renovierte Zimmer (ab 170 Franken), mit Grand Restaurant, Fumoir und Terrasse.

Wertschöpfung und Wertschätzung. «Circular Economy» heisst der aktuelle Trend in der Wirtschaft. Für das Berghotel «Zur Sau» und die Bergbauern in Abländschen ist das ein alter Hut. Die Kreislaufwirtschaft funktioniert bereits in der dritten Saison bestens. Das Berghotel «Zur Sau» bezieht Produkte der Bauernfamilien aus Abländschen, Jaun und dem Saanenland. Es fördert so die Wertschöpfung in der Region und sorgt für ein zusätzliches Auskommen der Bauern. «Und wir können unseren Gästen authentisch-lokale Produkte anbieten», freut sich Wirt Clà Frei, «saisonaler geht nicht».

 

Heimelige Terrasse in einem Bergrestaurant

TV vor der Nase: 40 Personen finden Platz auf der Terrasse.

älterer Mann mit Fleischplatte vor einem Berggasthaus

Saumässig gut: Küchenchef Ralph Pietsch mit einer Schweinehälfte.

Teller mit rustikalem Gericht

Käse von den lokalen Alpen: Malakoff - eine Spezialität aus der angrenzenden Waadt.

Kartoffeln vor dem Haus. Annabelle, Désirée & Innovator heissen die Kartoffelsorten, die das Berghotel «Zur Sau» von Bauer Hanspeter Dänzer auf einem 8 Aren grossen Acker anbauen lässt. Die hellschalige Annabelle ist sehr robust. Die rötliche Désirée ist wie gemacht für eine Abländscher Rösti. «Und neu haben wir jetzt auch noch die Sorte Innovator angepflanzt», sagt Clà Frei. Die grossen, robusten Knollen eignen sich bestens für knusprige Pommes-Frites: «Pro Saison ernten wir etwa drei Tonnen.» Ende August ist es soweit: Dann sind die neuen Bergkartoffeln reif. Das Besondere: Wenn auf einem Acker Kartoffeln gewachsen sind, dürfen darauf vier Jahre lang keine mehr angepflanzt werden. Diese Fruchtfolge muss eingehalten werden, der Boden soll sich erholen. Doch die Abländscher lassen das Feld nicht einfach brach liegen, bauen auf der Fläche Roggen an. Nicht nur zur Freude der Vögel - daraus entsteht Mehl für Teigwaren und Brot.

Das Gold der Alpen. Früher erhielten die Bergbauern rund um Abländschen für einen Liter Milch 58 Rappen – jetzt dank der Herstellung von hochwertigem Käse 82 Rappen. Ziel ist es, sie mit einem Franken pro Liter zu vergüten. Die 55 Kühe der drei Bergbauernfamilien Dänzer, Poschung und Bergmann geben ihre Milch für einen der schmackhaftesten Rohmilch-Kräuterbergkäse her. Dieser entsteht im benachbarten Jaun, in der Bergkäserei. Genau wie ein wunderbar-würziger Rohmilch-Raclette-Käse. Der grösste Teil der Milch wird aber auf den Alpen verkäst. Zum Beispiel von Heidi, der Frau von Duroc-Bauer Hanspeter Dänzer. Die Käsemeisterin stellt auf Alp Fideritschi Berner Alpkäse AOP, Berner Hobelkäse AOP und Mutschli her. Diese finden sich dann wieder auf dem Zmorgebuffet und auf dem «Plättli» im Berghotel «Zur Sau». Nicht genug: Bei der Herstellung von Käse entsteht eine wässrig grünlich-gelbe Restflüssigkeit, die nach der Gerinnung der Milch zu Käse abgesondert wird. Diese so genannte Schotte transportiert Bauer Hanspeter Dänzer in einem Schlauch direkt zu seinen 10 Duroc-Säuli, die sich über den Gaumenschmaus freuen.

 

Cirmolo, Chico & mehr. Die Getränkekarte im Berghotel «Zur Sau» ist zu 100 Prozent schweizerisch. Speziell: Das Abländscher Wasser, der «Cirmolo Spritz» mit Bündner Arvenholz und der Appenzeller Chico mit der Hauptzutat Zichorienwurzel. Ofenfrisch: Jedes Wochenende legt sich die Nachbarsbäuerin und gelernte Bäckerin Heidi Bergmann ins Zeug. Je nach Anzahl der Gäste bäckt sie ein bis sechs Kilo ihrer beliebten Züpfe. Und logischerweise kommt auch der Honig – man schmeckt die reiche Bergflora – vom lokalen Imker Werner Dänzer. Und wenn der Tischler und Bienenfreund einmal eine freie Minute hat, spielt er mit seinem Trio «Abländscher Gruess» lüpfige Ländler im Berghotel «Zur Sau». Als Absacker wartet ein Enzian von Hans Dänzer. Und in Abländschen schliesst sich der Kreis.

 

www.zur-sau.ch