Text: Urs Heller

Aufregende Anreise, aufregende Lage. In Venedig reist man übers Wasser an. In uralten, angerosteten Vaporetti. Oder gediegener im eigenen Wassertaxi. Diese Motoscafi sind zwar unangenehm teuer (ca. 140 Euro, teurer als viele Flugtickets), aber es ist nicht die schlechteste Investition: Die Fahrt vom Flughafen Marco Polo zum Hotel ist bereits pure Magie, die Ragazzi am Steuer sind meist zuvorkommend und sehr gut informiert. Der Transfer in die Stadt wird zu einer ersten Sightseeingtour. Aufregend schön die Fahrt durch den Canal Grande, knapp vier Kilometer lang, 30 bis 70 Meter breit. 170 Palazzi, zwischen 200 und 700 Jahre alt. Vaporetti und die Gondeln gleiten übers Wasser. Unser Ziel: San Polo, eines von sechs Sestieri (Quartiere) der Stadt, Palazzo Papadopoli. Die Familie Papadopoli ist längst ausgezogen. Heute ist der Palast aus dem 16. Jahrhundert ein Hotel. Ein Aman-Resort. Hotel an bester Lage? Das ist typisch Aman. 14 der 40 Hotels der Gruppe liegen in Destinationen, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählen. (Grosses Bild oben: Chefkoch Norbert Niederkofler (rechts) mit Executive Chef Dario Ossola im Restaurant «Arva»).

GaultMillau Travel Aman Venice April 2021

Historisch! Ein Palazzo aus dem 16. Jahrhundert: Willkommen im «Aman Venice»!

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Wahrzeichen Venedigs: Die Gondoliere auf dem Canal Grande.

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Nur 24 Suiten beherbergt das unglaubliche Resort.

Die Karte schreibt Norbert Niederkofler. Das «Aman Venice» ist ein Juwel in der Kollektion, die diskret aus dem Headquarter in Zug gemanagt wird; der Freiburger Roland Fasel ist der Boss. Der Palazzo strahlt Grandezza aus. Im ruhigen Privatgarten direkt am Wasser (eine Seltenheit in Venedig!), vor allem aber im Piano nobile. Michelangelo Guggenheim, führender Vertreter der Neo-Renaissance und des Barocks, hat ihn gestaltet. Das Piano nobile ist heute eine Beiz. Im vergoldeten Ballsaal mit seinen Fresken, Spiegeln und Original-Kronleuchtern trifft man sich zum Dinner. Auf Weltklasse-Niveau: Norbert Niederkofler, Südtirols erster Drei-Sterne-Koch, schreibt die Karte, trainiert die Brigade; so gut wie in Venedig isst man in keinem anderen Aman-Resort. Um einen wie Niederkofler zu kriegen, muss man sich schon etwas einfallen lassen. Aman postete das «Rosa Alpina» in San Cassiano in Südtirol; Chef Norbert war dann gewissermassen die Mitgift. Niederkofler ist nicht nur in Venedig der kulinarische Berater. Er kümmert sich auch um die Neueröffnung des Jahres: «Aman New York», 5th Avenue, Ecke 57th Street.

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Mediterrane Küche: Mezzi Paccheri, Tiger Prawns, Raisin and Dill.

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Fine Dining unter der Regie von Drei-Sterne-Koch Norbert Niederkofler.

«Cook the Lagoon». Norbert Niederkofler, der seine Karriere übrigens bei Ueli Prager im Mövenpick in Glattbrugg gestartet hat, ist mehr als ein Koch. Er ist Guru, Trendsetter, Botschafter einer Küche, die zu 100 Prozent auf regionale Produkte setzt. «Ich wollte beweisen, dass man auch mit Naturprodukten aus der Gegend und mit ganzheitlichem Denken drei Michelin-Sterne holen kann.» Das ist ihm 2017 gelungen: «Die Begegnung mit seiner Küche ist keine Mahlzeit, sondern eine unvergessliche menschliche Erfahrung», schwärmten die Jungs von der Pneufirma damals bei der Preisübergabe. Niederkoflers Philosophie in Sankt Kassian heisst «Cook the Mountain». «Cook the Lagoon» soll es in Venedig werden. «Ich begebe mich auf die Suche nach den besten Produzenten. Ich ermuntere sie, neue Wege zu gehen. Oft stosse ich zunächst auf Unverständnis. Aber Beharrlichkeit lohnt sich. In Sankt Kassian haben wir die Produzenten unseres Vertrauens beisammen, in Venedig schaffen wir das auch. Venetien hat viel zu bieten: unwahrscheinlich gute Produkte. Die ältesten Fischsorten. Regionale Zubereitungsarten.» Niederkofler hat am Canal Grande einen Verbündeten: Der junge Chef Dario Ossola kniet sich rein in Norberts Küche und Philosophie. «Der Junge ist heiss», freut sich Chef Norbert, der regelmässig selber im Palazzo kocht oder seine hervorragende Nummer 2, den langjährigen Souschef Michele Lazzarini, hinschickt.

Kronleuchter im Badezimmer. Dichtestress kennt man nicht im «Aman Venice». Im riesigen Palazzo gibt es nur 24 Suiten, mit denkmalgeschützten Fresken und Reliefs, mit hohen Decken und meist mit einem wunderbaren Blick über den Canal Grande. Die Einrichtung ist dezent, modern, zeitgemäss. Interior Designer war Jean-Michel Gathy, Veredler der meisten Aman-Resorts. In der «Maddalena Stanza» wird selbst das Badezimmer von einem Kronleuchter erhellt. Die (Stamm-)Gäste, man nennt sie die «Aman-Junkies», lassen sich den Aperitif in der historischen Bar, auf der intimen Dachterrasse oder in den stillen Gärten servieren. Apéro in Venedig? Meist ist es ein Bellini, der wurde ja schliesslich in der Stadt, genauer in Harry’s Bar, erfunden.

Cichetti «da Marisa». Natürlich darf man sich als Aman-Gast ein Dinner im Restaurant Arva nicht entgehen lassen. Aber am zweiten Tag heisst es raus aus dem Hotel, dort essen, wo die Venezianer meist unter sich sind. Die Einheimischen lieben ihre Bàcari und Cicchetti, und natürlich hat jeder seinen Geheimtipp. Unsere Empfehlung: Trattoria Dalla Marisa in Cannaregio. Marisa war mal, heute kocht Tochter Vanda, und zwar himmlisch: Baccalà (Stockfisch), roher marinierter Branzino, Frittura di mare, Cozze gratinate, Lasagne di pesce. Wer bei Marisa alias Vanda einen Tisch will, muss frühzeitig reservieren (Tel. +39 041 720 211). Oder dem Verhandlungsgeschick des Aman-Concierges vertrauen.
 

www.aman.com
 

>> Fotos: Barbara Zanon, Daniel Herendi, Aman Venice.