Text: Urs Heller
Der Chef am Mikrofon. Michele Zambaninis wichtigstes Instrument: Ein Mikrofon am Pass, Lautsprecher über allen Kochstationen. Der Mann aus dem Trentino ist ein Chef mit eisernen Nerven. Er ruft die Gerichte ab, kontrolliert, korrigiert. Das Mengengerüst? 400 Bestellungen pro Tag aus dem Fine Dining-Ristorante Veranda. 300 Bestellungen vom «Sundeck» und vom Pool, 200 Bestellungen aus der Bar Canova (gegründet 1873!), die auch zu einem Restaurant mutiert. Und 500 Essen für die 500 Mitarbeiter! Apropos Pool: Der schwebt auf dem Wasser und ist so etwas wie das Markenzeichen der 150jährigen Villa d’Este.
Klasse trotz Masse. Massenproduktion? System-Gastronomie? Nicht bei Chef Zambanini. Er lässt alles selbst machen. Brot, Brötchen und Biscottini, vor allem aber die tiefgelbe Pasta: «32 Tuorle (Eigelb) pro Kilo Mehl», verrät Michele. Zwei seiner 60 Köche sind auch Metzger: «Wir lassen die ganzen Tiere kommen, auch den 200 Kilo schweren Tuna, zerlegen alles selber, lassen wenig die einzelnen Teile geduldig abhängen.» Seine Metzger sorgen auch routiniert für einen der Signature Dishes des Hauses. «La Milanese», das Wiener Schnitzel der Italiener, mit dünner Panade, kleinem Knochen. Rack und «Filetto» werden für diesen Klassiker zusammengeschoben. Zambanini kontrolliert, lobt seine Metzger: «Sehr gut gemacht.» Die Kräuter stammen aus dem Hotelpark, aus dem «Giardino dello Chef». Natürlich sind mittlerweile auch vegane Gerichte auf der Karte, «auch wenn das nicht ganz meinen italienischen Wurzeln entspricht. Aber natürlich erfüllen wir alle Wünsche.» Zambanini hat ein paar Jahre in der Schweiz gearbeitet, in der «Villa Castagnola» in Lugano.
Grüner Risotto, rote Gamberi. Natürlich essen die Gäste auf der Seeterrasse nicht nur «La Milanese» und den Burger (auf dem «Sundeck»), sondern echt ambitionierte Küche: Zambanini ist sehr stolz auf seine Foie gras, auf seine gefüllten Zucchini-Blüten und seine erfrischenden Ceviche. Er mag das Grün und den Geschmack der Petersilie, setzt sie für seinen Spaghettone und für seinen Risotto (mit XXL-Gamberi aus Mazara de Vallo) ein. Den Hummer gibt es auf vielen Kreationen: Zu den Fettucine und vor allem ganz klassisch in der Variante «Thermidor». Der Branzino (Wolfsbarsch) kommt vom Ofen direkt an den Tisch, wird elegant und schnell mit dem Löffel von der Gräte gelöst. Der sprachgewandte Service, streng hierarchisch organisiert, morgens im weissen Jacket, abends im gut geschnittenen dunklen Anzug mit Fliege, ist eh fantastisch in der Villa: Maître Miro Pere, seit 35 Jahren im Haus, duldet keine Schwächen; ein «Bootcamp» für junge Serviceangestellte. Die wohlhabenden Gäste, überwiegend aus den USA, blicken nicht lange in die Karte, bestellen bei Maître Miro, wonach sie gerade Lust haben. Auch simple Spaghetti aglio, olio & peperoncino werden unter einer silbernen Cloche aufgetragen. Und: Die Gäste sind eigentlich immer am Essen, Tag und Nacht. Kalt bleibt der «Villa d’Este»-Herd nie.
Der «Sunday Roast». Empfehlenswert sind auch die beiden Restaurants im benachbarten «Padiglione della Regina». Im kleinen, feinen «Il Platano» spielt der Wein eine wichtige Rolle, kann sich Wine Manager Alex Bartoli so richtig austoben. Im «Grill» ist der Name Programm: Chef Nicola Campanella legt Rib Eye dry aged, Blàzques-Iberico-Schweinchen und Loch Duart-Lachs aufs Feuer. Highlight: Die berühmte «Fiorentina», Beef aus Spanien, 1,2 Kilo schwer. Stammgäste pilgern vor allem am Wochenende in den «Grill»: Da rollt der Carello mit dem «Saturday & Sunday Roast» von Tisch zu Tisch, gefolgt vom «Carello di gelati». Bella Italia.
Der «Villa d’Este»-Lifestyle. Die Konkurrenz am Lago di Como schläft nicht. «Il Sereno» und «Mandarin Oriental» haben grandiose Resorts eröffnet, aber die «Villa d’Este» hat 150 Jahre Vorsprung, einen zehn Hektar grossen Park und eine atemberaubende Servicequalität. Die 152 Zimmer und Suiten sind technisch nicht auf dem neusten Stand, aber sehr gepflegt, ausgestattet mit antiken Möbeln und reichlich Marmor. Grandios die Halle mit ihren beeindruckenden Murano-Kronleuchtern. Langweilig wird’s den Gästen nicht: Zehn Yachten von Riva und Abbate, (darunter auch ein E-Boot!) stehen zur Verfügung. Zubin Meta gibt im Mosaik-Garten schon mal ein Konzert (Mozart, «La Nozze di Figaro»), und Shoppen kann man auch im Resort: «Dior» hat sich mit einem Pop-up eingemietet, zeigt seine Dioriviera-Collection. Die Nachfrage ist enorm, die Dior-Taschendichte auf der Terrasse wohl einmalig auf der Welt.
>> Fotos: Fani Kurti, Francesco & Roberta Rastrelli, FTfoto, HO, Kristen Pelou