Text: Max Fischer I Fotos: Thomas Buchwalder, Olivia Pulver
Pioniere, Retter, Wegbereiter. Sein Grossvater Karl-Heinz Kipp war Pionier und Retter der Schweizer Luxushotellerie. Seine Mutter Ursula Bechtolsheimer-Kipp sorgte dafür, dass die Top-Häuser Tschuggen Grand Hotel und «Valsana» in Arosa, «Eden Roc» in Ascona sowie «Carlton» in St. Moritz vereint als The Tschuggen Collection Erfolge feiern. Und Götz Bechtolsheimer schafft als Vertreter der dritten Generation mit dem ganzheitlichen Ferienprogramm Moving Mountains den Spagat zwischen Genuss und Nachhaltigkeit auf Topniveau. Das «Valsana» gilt als das grünste Hotel der Schweiz, die Tschuggen Collection ist seit 2019 klimaneutral. Und in der Küche zaubert 18-Punkte-Star Marco Campanella. Was treibt Götz Bechtolsheimer an? Wohin führt seine Reise mit The Tschuggen Collection? Und was hat die milliardenschwere Besitzerfamilie mit Didier Cuche und dem Race for Nature sowie Clint Eastwood und der CIA im Kongo am Hut? Der grüne Weg in die Zukunft, das Interview mit Götz Bechtolsheimer.
Sie werden 100-jährig...
...sieht man mir nicht an, oder? (Lacht.)
Neuer Versuch: The Tschuggen Collection feiert ihr 100-Jahre-Jubiläum. Andere Luxuskonzerne zelebrieren das mit Hummer, Kaviar und einer grossen Party. Sie mit dem Skirennen Race for Nature zusammen mit der Stiftung Myclimate und verschiedenen NGOs – weshalb?
Der einfachste Grund ist wohl, dass ich selbst ein Möchtegern-Rennfahrer bin und mich so mal mit Didier Cuche messen darf. Zwar nicht sehr erfolgversprechend, aber es wird Spass machen.
Und der wahre Grund?
Sowohl das Tschuggen Grand Hotel wie auch die andern Hotels in unserer kleinen Gruppe sind Portale zur Natur. Man kommt zu uns, um die Natur zu erleben. Statt eines traditionellen Balls entschieden wir uns deshalb dafür, am 100. Geburtstag die Natur in den Vordergrund zu stellen. Und auch etwas zu machen für Organisationen, die tolle Arbeit leisten, um diese Natur zu schützen. Gleichzeitig lernen wir etwas, können zeigen, dass wir das Thema ernst nehmen, und haben erst noch Spass.
Beim Charity-Skirennen mit Stars wie Maria Walliser, Didier Cuche und Mauro Caviezel sowie Vertretern von namhaften Firmen...
...und den Auftritten von renommierten Klimaschutzexperten, die zum Denken und Handeln anregen.
War dieser Nachhaltigkeitsgedanke schon bei Ihrem Grossvater Karl-Heinz Kipp und bei Ihrer Mutter Ursula Bechtolsheimer ausgeprägt – oder ist das Ihre Schiene?
Mein Grossvater war Pionier, meine Mutter gestaltete die Firma jahrzehntelang so, dass sie als Gesamtunternehmung funktioniert und nicht als eine Reihe von Einzelhotels. Aber die Werte und das Verantwortungsbewusstsein ziehen sich wie ein roter Faden durch die Firmengeschichte.
Und Ihre Rolle?
Ich bin seit dem Neubau des «Valsana» mit an Bord. Bei diesem Projekt ging es hauptsächlich darum, wie wir die Zukunft gestalten wollen. So kam der Nachhaltigkeitsgedanke ins Spiel. Mittlerweile ist dieses Thema fest in all unseren Betrieben verankert. Doch den Grundsatzgedanken als verantwortungsvolles Unternehmen gab es weit vor mir, ich konnte den Nachhaltigkeitsaspekt aber sicher noch ein bisschen verfeinern.
Sind Sie ein Grüner oder ein Weltverbesserer?
(Lacht.) Mir geht es sehr gut. In solch einer privilegierten Situation darf man sich überlegen, was man tun könnte, um die Welt ein wenig zu verbessern. Eine grüne Ader habe ich sicher.
Sie haben bei Ihren Hotels einiges auf den Kopf gestellt.
Wir stehen erst am Anfang. Es gibt noch viel zu tun. Wir können uns nicht gross rühmen, dass alles perfekt wäre.
Das klingt jetzt gar bescheiden. Immerhin gilt das «Valsana» als grünstes Haus der Schweiz, und die gesamte Tschuggen Collection ist seit 2019 klimaneutral.
Das «Valsana» ist ein tolles Projekt. Wir durften da neu planen. Vor dem Neubau galt das Hotel als Sorgenkind der Gruppe. Mittlerweile ist das neue «Valsana» ein Vorzeigeprojekt.
Im Keller des Hauses wurde ein Eisspeicher installiert, der mit einem Wärmerückgewinnungssystem und Erdsonden den kompletten Gebäudekomplex ohne fossile Brennstoffe beheizt.
Wir haben beim neuen «Valsana» viel gelernt und lernen noch immer jeden Tag dazu. Das befruchtet auch alle andern Häuser. Das ist genau das, was wir wollten. Wir haben unsere CO2-Emissionen über alle Betriebe wesentlich verringert, wir haben den Verbrauch von Einwegplastik massiv reduziert, wir setzen verstärkt auf Bio-Produkte, gerade auch im Spa-Bereich, und wir bieten Abenteuer, die unsere Gäste mit der Natur verbinden.
Wohin soll die Reise noch gehen?
Seit einigen Jahren machen wir jedes Jahr einen Emissions-Audit der Stiftung Myclimate. In den letzten knapp zehn Jahren haben wir unseren Verbrauch an fossilen Brennstoffen um mehr als 40 Prozent reduziert. Bis Ende 2025 wollen wir all unsere fossilen Brennstoffe komplett ersetzen.
Die grösste Baustelle?
Das ist der Restaurationsbereich. Im Rahmen von Moving Mountains bieten wir ein ausgewogenes pflanzliches Angebot als Teil unserer Speisen an. Das ist schon ein enormer Fortschritt. Aber ich glaube, da können wir noch viel mehr tun.
Wo und wie?
Sicher im Einkauf und auch im Waste-Management. Doch wir haben ganz tolle Köche, die sich da voll reingeben. Mit Leuten wie Executive Chef Uwe Seegert und 18-Punkte-Koch Marco Campanella macht es einen Riesenspass. Sie nehmen diese Herausforderung an und kreieren ganz tolle pflanzliche Menüs. Sie machen sich auch Gedanken, wie wir noch saisonaler, noch lokaler werden können.
Sind die übrigen Mitarbeitenden und vor allem die Gäste auch so begeistert?
Manche Sachen werden auch mal kritisch gesehen, werden belächelt oder stossen auf Unverständnis. Auf der anderen Seite merken wir, dass Nachhaltigkeit ein Trend ist, der mir Hoffnung gibt. Viele Gäste suchen mittlerweile gerade so ein Produkt. Wenn ein Gast ein gewisses Genusserlebnis sucht, dann wollen wir die Adresse sein, wo er es auf eine verantwortungsbewusste Art und Weise wirklich erleben kann. Das Gleiche bei den Mitarbeitenden. Vor zehn, fünfzehn Jahren war nicht die erste Frage, die man in einem Interview gehört hat: Wofür steht dieses Hotel? Gerade junge Mitarbeitende wollen das heute wissen. Ich finde diese Entwicklung super. Aber klar, es funktioniert nur mit der Überzeugung und dem Einsatz aller. Wir betreiben ein Detailgeschäft und dürfen uns in all unseren Häusern auf tolle Teams verlassen, die unsere Ideen weiterentwickeln und leben.
Sie arbeiten auch mit einer australischen Ernährungswissenschafterin zusammen und bieten Speisen zur Stärkung des Immunsystems an.
Rhaya Jordan ist spitze. Überwiegend pflanzliche Gerichte, die einen lokalen Bezug haben und die Saisonalität wirklich zelebrieren, haben eine ganz andere Nährstoffdichte und sind gesünder für den Menschen und den Planeten. Dazu gehört dann auch, dass unsere Köche all diese verarbeiteten Nahrungsmittel wie zum Beispiel raffinierte Mehle und Zuckerprodukte weglassen – im Vordergrund stehen pflanzliche Gerichte.
Wollen Sie alle zu Veganern umerziehen?
In unseren Hotels geht es nicht nur vegan zu. Natürlich will man auch einmal schlemmen, etwas Ungesundes essen und in den Ferien ein Glas Wein mehr trinken. Aber gerade diesen Winter habe ich in den Bergen sehr viel positives Feedback gehört. Sehr viele Gäste schätzen es, dass sie nach den Ferien nicht drei Kilo mehr drauf haben und sie sich vitaler fühlen und mehr Energie haben. Und genau das ist das Ziel unseres Moving-Mountains-Programms – noch schöner, dass das Ganze auch noch naturschonender ist.
Kommt dies auch bei den Älteren an?
Das macht in der Hotellerie Spass: Zu beobachten, was funktioniert und mit wem. Das Alter ist nicht ausschlaggebend. Hingegen gibt es Gäste aus gewissen Gegenden, die sich dafür weniger begeistern. Andere haben mehr Freude. Ein amerikanischer Gast sagte mir kürzlich, die Hafermilch sei das Wichtigste beim Frühstück. Und ich habe gerade mit Marco Campanella gesprochen. Er kochte jüngst an einem Abend für eine Gruppe von 25 Leuten – 18 genossen das vegane Moving-Mountains-Menü.
Viele vermögende Menschen kaufen sich Fussballklubs, Sterne-Restaurants oder Luxushotels. Wollen Sie mit The Tschuggen Collection hauptsächlich grüne Ideen verwirklichen – oder auch Geld verdienen?
Ziel ist immer die schwarze Zahl unter dem Strich. Absolut. Wir haben nur eine Berechtigung als grüne Vorreiter, wenn wir zeigen, dass das auch wirtschaftlich funktioniert. Wir sind ganz gut unterwegs.
Ihre Mutter ist VR-Präsidentin, Sie Vize. Gibts da nie Familienzoff?
In unserer Familie nie (lacht). Da wären wir die erste… Im Ernst: Bei den Hotels bin ich seit dem «Valsana»-Projekt dabei, das Hotel wurde im Dezember 2017 wiedereröffnet. Ich bin jetzt zwar schon eine Weile an Bord. Aber es gibt das breiter aufgestellte Familienunternehmen, das ich schon länger leite. Ich habe von Anfang an Strukturen ausgearbeitet, damit jeder informiert ist und mitreden kann. Und das funktioniert eigentlich sehr gut. Und in der Hotellerie ist meine Mutter die Chefin und Aktionärin – wir haben ein super Verhältnis. Wir sehen nicht immer alles gleich, aber im Grossen und Ganzen findet sie die Ideen sehr gut, die wir jetzt entwickelt haben. Sie steht voll dahinter und ist zufrieden, wenns gut läuft. Sie interveniert aber auch, wenn es nicht so läuft, wie sie es für richtig hält.
Sie sind jetzt Hotelier, kommen aber aus einer ganz anderen Ecke.
Ich bin in England gross geworden und habe zuerst Geschichte studiert. Danach Internationale Beziehungen und internationale Wirtschaft als Nachstudium. Jetzt leite ich den kommerziellen Immobilienbereich und das Familienunternehmen allgemein – und das seit fast 20 Jahren. Nebenbei habe ich in Zeitgeschichte promoviert und viel Zeit in Afrika verbracht.
Worüber haben Sie doktoriert?
Der Kalte Krieg in Afrika. Ich habe mich mit den CIA-Interventionen im Kongo befasst. Ich durfte einige Zeit dort und in den umliegenden Ländern verbringen. Das war eine tolle Zeit.
Sie sind seit knapp vier Jahren verheiratet und Vater eines 20 Monate alten Buben.
Ein Lockdown-Kind (lacht).
Kommen Sie noch zum Schlafen?
Gestern Nacht sehr wenig.
Wo tanken Sie auf?
Ich bin unheimlich gern in der Natur. Wenn ich in England bin, dann auf dem Land. Seit drei Jahren haben wir dort auch ein Lockdown-Projekt: Wir haben eine Farm in eine Bio-Farm umgebaut. Mit ein paar Kühen und viel
Getreide. Hier kann ich Kraft und Energie tanken. In der Schweiz ziehts uns in die Berge – ich gehe sehr gern auf Skitouren. Meine Frau ist aus Irland. Mittlerweile hat sie das Bergfieber auch erwischt. Im Sommer wandern wir oft, und im Winter sind wir auf Tourenski unterwegs.
Welche Figur aus Literatur oder Film hat Sie geprägt?
Da fällt mir nur Clint Eastwood ein. Mein Vater hat Western geliebt, daran erinnere ich mich gut. Er hat sich einiges von diesem stoischen Helden abgeschaut.
>> 100 Jahre Tschuggen Collection! Gefeiert wird am 17. März in Arosa. Nicht mit einer rauschenden Gala, sondern mit einem Benefiz-Skirennen: Der Erlös kommt anerkannten Naturschutzorganisationen als Spende zugute. Am Start auch ehemalige Skicracks wie Didier Cuche, Maria Walliser-Anesini, Erika Hess, Mauro Caviezel und Brigitte Oertli.