Text: Anita Lehmeier | Fotos: Digitale Massarbeit
Belle Epoque am Brienzersee. Wer im Giessbach ankommt (über den kurvenreichen Landweg von Brienz Richtung Axalp oder stilvoll per Schiff und Standseilbahn), checkt nicht einfach in einem Grandhotel ein, sondern betritt ein ureigenes Universum. Eine kleine heile Welt, die Historie zum Anfassen und Zukunft zum Erleben bereithält. Im Belle-Epoque-Palast hoch über dem Brienzersee gehen die Uhren etwas anders, hier herrscht der Geist der Entschleunigung. Langsam ist der neue Luxus, doch slow & easy ist schon seit Eröffnung des Grandhotels anno 1875 Programm. Hierher in die abgelegene Oase des Naturparks kamen und kommen die Gäste weniger wegen des «Gesehen-Werdens», sondern wegen des Sehens.
Zuckerbäckerpalais & Alpenchalet. Eine der Sehenswürdigkeiten ist der Hotelbau selbst, eine elegante Mischung aus Zuckerbäckerpalais und Alpenchalet. Auf der einen Seite des Hotels lockt der WOW-Blick über See und Berge, auf der anderen Seite die Giessbachfälle, die neben dem Hotel schäumend in die Tiefe stürzen und nachts illuminiert sind. Drinnen in den Salons, der Lobby und den Restaurants taucht man tief ein in die elegante Empire-Zeit. Gemälde und Möbel sind original aus der Zeit. Sie wurden von Privatpersonen gespendet, als das Hotel dank der Tierschützer und Giessbach-Retter Franz und Judith Weber 1982 vor dem Abbruch zwar gerettet, aber leer war. Ein Aufruf ans Schweizervolk genügte, und die Sachspenden flossen. Bald war das Grandhotel wieder prächtig möbliert. Neu sind hingegen die Horgen-Glarus-Stühle im «Le Tapis Rouge», die mit dem dicken dunkelroten Samt bezogen sind, der auch im Bundesrats-Zimmer den Ton angibt. Der kluge Rat von Astrid Lindgren, sich hin und wieder einfach hinzusetzen und zu schauen, lässt sich im und um den Giessbach trefflich umsetzen: Wo man hinsieht, gibt es was zu sehen. Grosses Bild oben: Perle im Grünen: Über dem Brienzersee inmitten eines Naturparks liegt das Grandhotel Giessbach mit historischer Standseilbahn.
Wald, Wiesen, Wasser, Wellness. Der Naturpark rund ums Grandhotel umfasst 22 Hektaren Wald und Wiesen, alle Wege führen zum Wasser: dem See oder den Fällen. In einigen Becken der Giessbachfälle gibt’s kühlende Natur-Duschen. Wer’s wärmer und ruhiger mag, plantscht im Naturpool mit Schilf, Seerosen, Molchen und Libellen. Inbegriffen im Zimmerpreis ist ein «Nostalgie-Pass» für die Bahnreise aufs Brienzer Rothorn, Schifffahrten auf dem Brienzersee und mit der historischen Standseilbahn, Eintritt ins Freilichtmuseum Ballenberg und die Besichtigung der Schule für Holzbildhauerei in Brienz. Mark von Weissfluh, Gastgeber und Mastermind im Grandhotel, lädt Interessierte ausserdem zu Hotel(ver)führungen ein und erzählt mit Verve von der wechselvollen Geschichte des Hauses.
Sina, Stefanie Heinzmann, DJ Bobo unplugged. Auch die Giessbach-Sessions, Abende mit hochkarätigen Musikern aus dem In- und Ausland, sind seine Erfindung. «Die Künstler lieben die intimen Auftritte im Saal, der zweihundert Leuten Platz bietet. Wie alle Gäste sind auch die Künstler begeistert vom Spirit des Giessbachs», sagt von Weissenfluh. Als nächstes stehen hier Sessions auf dem Programm mit Sina, Candy Dulfer, Philipp Fankhauser, Marc Sway, Stefanie Heinzmann, Jaël und DJ Bobo, exklusiv unplugged.
Chefin Barbara & das grüne Wunder. Zum Rundum-Wellness-Programm des Grandhotels gehört natürlich auch eine gehobene Küche. Executive Chef Lukas Stalder und sein Team pflegen im Parkrestaurant Cascade und auf der Terrasse eine französisch-schweizerische Küche mit regionalen Produkten. Im Fine-Dining-Restaurant Le Tapis Rouge ist seit einem Jahr die junge, ambitionierte Barbara Blaser der Chef. Die gebürtige Emmentalerin kann für ihre Atelier-Küche (14 GaultMillau-Punkte) aus den hauseigenen Gärten, Wiesen und Gewächshäusern aus dem Vollen schöpfen. 80 Arten Gemüse, Kräuter und Grünzeug, alle biologisch gezogen, viele davon Pro-Spezie-Rara-Sorten, landen in ihren Töpfen. Sie verarbeitet mit viel Sorgfalt, Können und Fantasie die Rinder und Kälber, die auf betriebseigenen Wiesen grasen und in der Hausmetzgerei Blaue Kuh in Interlaken geschlachtet werden, sowie die Fänge von Fischer Beat Abegglen aus Iseltwald.
Die Bienen des Briefträgers. Der Honig stammt von Imker Heinz Gertsch, der neben seinem Job als Briefträger die 16 Giessbach-Bienenvölker liebevoll betreut. Die Bienen wohnen beim Garten, sie sind so friedlich, dass man sie besuchen kann. Auch die vier Gärtnerinnen führen Interessierte gern durch die Beete und Gewächshäuser und zeigen ihre grünen Zöglinge, die man dann abends auf dem Teller wiedersieht. Nach einer Nacht in einem der 74 Zimmer oder Suiten, in denen das Rauschen des Wasserfalls für den Soundtrack und eine natürliche Kühlung sorgt, erwartet die Gäste ein opulentes Frühstück im Ballsaal mit Dutzenden Brot- und Gebäcksorten von der Bäckerei Steiniger in Brienz, hausgemachten Konfis und Honig, regionalem Käse aus der Molki Meiringen – und danach ein neuer Tag und viele neue Entdeckungen im Universum Giessbach.