Text: Elsbeth Hobmeier Fotos: Kurt Reichenbach

Oh, ein Moorgeissbart! Unterwegs mit zwei «Kräuterhexen» im Saanenland! Freudig beugt sich Studentin Irene Aeschbacher über ein Wiesenbort und greift nach einer weissen Blütenrispe. Nett schaut sie aus, diese Blume. Aber sie kann noch viel mehr: «Die schmeckt wie Marzipan, damit würze ich Crèmen, Crêpes oder auch mal einen Kuchen», verrät Hélène Lavaux, ihre Kräutertechnikerin. Sie lege die Blüten in kalte Milch ein, erwärmt und lässt sie zehn Minuten ziehen - fertig ist die gesunde Würze. Denn im Moorgeissbart - auf französisch viel poetischer «la reine des prés» - findet sich auch der Wirkstoff Salicysäure, der in Aspirintabletten enthalten ist. Den beiden Kräuterfrauen entgeht nichts. Die strahlenlose Kamille, die beim Zerbeissen an Ananas erinnert und in einen Fruchtsalat das gewisse Extra bringt; das rosa Weidenröschen, mit dem sie ihr Trinkwasser aromatisieren; die Blüte der wilden Karotte, die sich später zu einer vogelnestartigen Kralle zusammenzieht und der Mousse au chocolat ein leichtes Fenchelaroma verleiht. Sie alle werden freudig entdeckt und gesammelt.

Gault Millau Channel, Kräuterweg Gstaad

Gesammelt: Strahlenlose Kamille. Gut für Marinaden, Desserts oder im Fruchtsalat.

Gault Millau Channel, Kräuterweg Gstaad

Die Kräuterfrauen, v.l.: Irene Aeschbacher und Hélène Lavaux.

Gault Millau Channel, Kräuterweg Gstaad

Eine Augenweide: Der Feldthymian, gefunden auf dem Gstaader Kräuterweg.

Ab in die Gstaad Palace-Küche. Küchenchef Franz Faeh schaut zuerst etwas skeptisch, als die beiden jungen «Kräuterhexen» ihre Ernte vor ihm ausbreiten. «Kann man das wirklich essen?», fragt er zweifelnd. Doch zunehmend lässt er sich vom Eifer der beiden anstecken, probiert dieses und jenes Kraut, dekoriert schliesslich mit den rosa Blüten ein Schokoladen-Dessert. «Ich verwende in meiner Küche viele Kräuter und Blümchen, meistens so bekannte wie Rosmarin, Thymian und Basilikum», sagt der mit 15 GaultMillau-Punkten bewertete Faeh, «aber da gibt es offenbar noch viel zu entdecken.» Davon sind die beiden jungen Frauen überzeugt. «Ich möchte das verloren gegangene Wissen rund um Wildkräuter gerne einem breiteren Publikum weitergeben», erklärt die im nahen Feutersoey aufgewachsene Irene Aeschbacher. Deshalb absolviert sie die «Ecole de plantes médicinales l’Alchémille» in Evolène VS und steht kurz vor dem Abschluss. Hélène Lavoux unterrichtet dort, gibt Wildkräuterkochkurse und stellt pflanzliche Kosmetik her, die sie unter dem Label «Châlet des fées» vertreibt.

Gault Millau Channel, Kräuterweg Gstaad

Ab in die Küche: Chef Franz Faeh, «Palace» Gstaad mit Irene Aeschbacher und Hélène Lavoux.

Gault Millau Channel, Kräuterweg Gstaad

Mal sehen, wie das schmeckt: Schokoladen-Dessert mit Blüten und Weidenroeschen.

Ein Alpkräuterweg für Gstaad. Dass das Interesse auch bei Feriengästen für die unbekannten Schätze der Natur gross ist, haben die Tourismusverantwortlichen von Gstaad schon länger erkannt. Angelegt wird deshalb ein Alpkräuterweg rund um die «Swiss Alpine Lodge» am Rinderberg, der gratis auf eigene Faust oder aber mit fachkundiger Führung begangen werden kann. Er soll im Frühling 2021 eröffnet werden, wie Antje Buchs von Gstaad Marketing verrät: «Wir werden sicher mit Irene Aeschbacher zusammenarbeiten.» Diese freut sich schon jetzt auf die neue Aufgabe und sammelt inzwischen bereits Erfahrungen als Guide bei den Waldbaden-Retreats für Saanenwald in Saanenmöser. Ihr erklärtes Ziel: Den Menschen vergessenes Wissen über die Natur näherbringen.

 

  

www.gstaad.ch

www.alchemille.swiss

www.chalet-des-fees.com

www.saanenwald.org