Die Uhren ticken anders. Der Hafen von Sihanoukville wirkt verlassen. Der Party-Tourismus, der den aufstrebenden Badeort im Süden Kambodschas in den letzten Jahren überrollt hat, findet vorne im Zentrum statt. Hier laden nur ein paar Arbeiter Kisten auf einen Kahn. Dann, plötzlich, eilt von weiter hinten ein junger Mann herbei: frisch gebügeltes weisses Hemd, beige Stoffhosen, in der Hand ein Bündel Kofferetiketten. Er sei der Stewart, heisse Rattanak, stellt sich der schmächtige Kerl vor. Im Resort würden ihn aber alle Song Ha nennen: «Das bedeutet gut aussehend.» Er zwinkert in bester Entertainer-Manier. Und weist den Weg zu einem kleinen, eleganten Speedboot. Seit eineinhalb Jahren arbeitet Rattanak im Luxus-Resort Song Saa, er kommt aus der Gegend, hat auf der Privatinsel eine Ausbildung, eine Unterkunft und damit eine Perspektive im von Armut geprägten Kambodscha erhalten. «Unser Resort ist anders als andere», sagt er stolz. Die Fahrt dorthin werde etwa dreissig Minuten dauern. Man möge doch bitte schon mal die Uhr eine Stunde nach vorne stellen, denn auf der Insel herrsche eine eigene Zeit: «So können unsere Gäste den Sonnenuntergang länger geniessen. Das Boot braust los, fliegt über die Wellen, dem 25 Kilometer entfernten Koh-Rong-Archipel im Golf von Thailand entgegen.
Der Conservation-Manager. Die Landung auf der Privatinsel erinnert ans Ankommen auf den Malediven: weisser Sand, saphirblaues Meer, saftig grüne Palmen – und perlenkettenartig aneinandergereihte Overwater-Villen, jede von ihnen mit eigenem Infinity-Pool und Sonnendeck. Normalsterbliche wie wir legen am Hauptsteg an. VIPs wie kürzlich Fürst Albert von Monaco fliegen oft zum Helikopter-Landeplatz auf der Nachbarinsel, werden dort mit dem Boot abgeholt und nutzen dann den diskreteren Privat-Anlegeplatz bei ihrer 300 Quadratmeter grossen Royal Villa. Doch eines haben die meisten Gäste hier gemeinsam: Sie schätzen den Luxus und eine perfekte Rundumbetreuung, vor allem aber haben sie Song Saa ausgesucht, weil es weltweit eines der wenigen Luxus-Resorts ist, das es geschafft hat, Natur und Lokalbevölkerung respektvoll ins Konzept zu integrieren. Im Umkreis der Insel wurde eine grosse Marine-Schutzzone errichtet, auf der Nachbarinsel Koh Rong wird die Schule unterstützt, und eigene Conservation-Manager von Song Saa sorgen dafür, dass die Bewohner ihren Abfall korrekt entsorgen und medizinisch versorgt werden. Fast alle Mitarbeiter im Resort kommen von Koh Rong oder vom nahen Festland. Das war den Gründern von Song Saa ein Anliegen.
Ein Projekt des Herzens. Die Entstehungsgeschichte von Song Saa hat denn auch Hollywood-Potenzial. Sie beginnt 2005 mit den Auswanderungsplänen des australischen Ehepaares Melita und Rory Hunter. Er ist ein erfolgreicher Werber, sie arbeitet als Stylistin und Set-Designerin in der Modeszene. Zusammen wollen sie nach New York, davor aber noch ein paar Abenteuer erleben – bei einem Zwischenstopp in Kambodscha. Das wuslige Phnom Penh zieht sie schnell in ihren Bann, Melita und Rory bleiben länger als geplant. Bei einem Ausflug nach Sihanoukville fährt sie schliesslich ein Fischer mit dem Boot zu zwei winzigen Inseln, Koh Ouen (Mädcheninsel) und Koh Bong (Bubeninsel). Zusammen werden sie Song Saa (übersetzt: Lieblinge) genannt. Geografisch liegen die Mini-Inseln günstig, es ist windstill, das Wasser schwappt in sanften Wellen an den Strand. Song Saa ist allerdings in desolatem Zustand: Berge von Müll und eine arme, resignierte Bevölkerung. Doch Rory und Melita erkennen, wie viel Schönheit in diesem Fleckchen Erde steckt. Als sie das Angebot bekommen, Song Saa für 15 000 Dollar 99 Jahre lang zu pachten, zögern sie nicht: Sie plündern ihr Bankkonto, setzen alles auf eine Karte. Ihre Vision: ein luxuriöses Eco-Resort. Im Jahr 2012, nach vielen Rückschlägen und Schwierigkeiten, feiert die Privatinsel mit ihren 27 Villen Eröffnung.
Im Kajak durch die Mangroven. Schon bald findet Song Saa ihr Klientel: Nicht selten sind es Leute über vierzig, die früher Abenteuerreisen gemacht haben, immer noch das Ungewöhnliche schätzen, nun aber ungern auf Luxus verzichten. Tatsächlich fehlt es einem im Resort an nichts: Über einen Trampelpfad erreicht man durch den Dschungel ein kleines, aber feines Gym mit Blick aufs Meer. Bei Sacha Bryce, einer fröhlichen Kanadierin, kommt man beim privat oder in Gruppen unterrichteten Yoga in einen wunderbaren Flow. Wers ausgefallen mag, kann sogar unter Wasser meditieren. Auch Tauchen ist möglich. Die Fischpracht hält dem Maledivenvergleich zwar nicht stand, wer beim Schnorcheln am Riff aber der Strömung trotzt, bekommt was vor die Brille. Lohnenswert: ein Ausflug mit Conservation-Managerin Emma Gallacher. Sie und ihr kambodschanisches Team bieten zum Beispiel Kajaktouren durch den Mangrovenwald an, führen Gäste sympathisch unaufgeregt durchs einheimische Dorf Prek Svay oder quer durch den Regenwald auf Koh Bong (Singvögel und Flughunde!).
„Organic Farming“. In der Küche hat Executive Chef Michael Pataran das Zepter übernommen. Er war zuvor im von Tiger Woods mitgegründeten Luxus-Resort Albany auf den Bahamas. Der Kanadier bringt frischen Wind, versucht, wo immer möglich, auf importierte Zutaten zu verzichten, und setzt stattdessen auf lokalen Fisch, Organic Farming und auf der Nachbarinsel produzierten Käse aus Büffelmilch. «Es gibt viel zu tun, aber ich will Gerichte auf der Karte haben, die zu 80 Prozent aus nachhaltig produzierten Zutaten bestehen», sagt Pataran. Diniert wird an wechselnden Orten auf der Insel – mal am Pool, mal am Beach, alternativ im edlen Restaurant Vista auf Stelzen oder in der lockeren DriftwoodBar mit eigenem Pizzaofen. Nicht immer schmeckt das gleiche Gericht oder der gleiche Frühstückssaft am nächsten Tag wieder genau gleich, und ab und zu wird nicht das serviert, was man bestellt hat, aber die entspannten Gäste nehmens – auch wegen der ungemein freundlichen lokalen Mitarbeiter – offensichtlich gelassen. Gut schmeckts allemal! Übrigens wird auch kambodschanische Küche angeboten. Souschef Phal Narin gibt sogar Kochkurse und zeigt, wie man Pasten für Currys zubereitet.
Die Botschaft der Mönche. Im Spa setzt Song Saa neben indisch inspirierten Behandlungen ebenfalls auf einheimische Massagen und Therapeutinnen sowie lokale Beauty-Produkte – etwa das Kokosnussöl, das Frauen in Prek Svay herstellen. Am Ende jedes Treatments erhält man eine zusammengerollte, von buddhistischen Mönchen gesegnete Botschaft. Da steht dann zum Beispiel: «Wenn du dein Leben verändern willst, beginne sofort damit, tue es kompromisslos und ohne Entschuldigungen.» Ein Spruch, den sich die Song-Saa-Gründer Melita und Rory Hunter zu Herzen genommen haben.
Sie leben übrigens mittlerweile in Hongkong und versuchen von da aus, ihre Philosophie von nachhaltigen Luxus-Resorts in Südostasien zu verbreiten.