Text: David Schnapp
Der Pionier. Angefangen hat es mit Jens Jung, Sohn eines Bäckers und überzeugt davon, dass Brotkultur neu definiert werden sollte. Ende 2013 eröffnete er mit drei Freunden am Stadelhofen in Zürich die Bäckerei John Baker, wo junge tätowierte Leute aus biologischen Zutaten Brote und Brötchen buken, die schnell sehr gefragt waren, und wo man gleich noch einen anständigen Espresso mit auf den Weg nehmen konnte. Die Bäckerei mit einem modernen Auftritt, als Trend-Lokal und als Werkstätte für ursprüngliches Handwerk und verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen war in Zürich geboren.
Handwerk statt Industrieprodukte. Der heute 50-jährige Jens Jung hat seine Vorstellung von Backkunst auch als eine Antwort auf die Bäckereien der Neunziger Jahre gesehen, als Fredy Hiestand zum «Gipfeli-König» erklärt wurde, und Brot mit allerlei chemischen Zutaten versetzt, plötzlich ein allzeit verfügbares Industrieprodukt war, das pseudo-frisch auch nachts um zwei Uhr an der Tankstelle erhältlich war. Jung und seine Geschäftspartner waren hingegen inspiriert von der «Sauerteig-Revolution» mit dem Ziel, «ein urtümliches Brot» herzustellen, wie er sagt. «Wir wollten sehr handwerklich sein, nur Bio-Zutaten verwenden, alles selber machen und keine Logistik mit einem Zombie-Filialnetz aufbauen», erklärt Jung seinen Ansatz.
Knetmaschine im Schaufenster. Im April 2022 geht im Gebäude der Zürcher Kantonalbank an der Bahnhofstrasse – beim Nashorn! – die dritte John-Baker-Bäckerei auf. «Die Knetmaschine wird im Schaufenster stehen», verspricht Jens Jung. Auch an der prominenten Adresse wird Mehl in der Luft liegen, und jedes Brot vor Ort von Hand gemacht, geformt und gebacken sein. Im Auftrag von Andreas Caminada stellt John Baker ausserdem in Fürstenau das Brot für Schloss Schauenstein, die «Igniv»-Filialen und weitere Restaurants her.
Wiederentdeckung des Handwerks. Nicht zuletzt ist es Jens Jung und seinen Mitstreitern gelungen, das Brothandwerk im urbanen Raum für junge Leute wieder attraktiv zu machen. «Eine Bäckerei, die es anders macht, und die auch als Arbeitsplätz cool ist, war in Zürich überfällig. Das generierte zu Beginn eine unglaubliche Aufmerksamkeit, was wiederum auch anderen Zuversicht und Vertrauen gab, dass so etwas funktionieren kann», sagt Jung. Die von John Baker mitangestossene Wiederentdeckung des ursprünglichen Brots hat eine ganze Reihe von Leuten inspiriert, von denen wir hier einige vorstellen.
Brot und Kaffee: Collective Bakery. Bäckermeister Nino Brüllmann hat erst im Pop-up-Stil auf sich aufmerksam gemacht, wegen des grossen Erfolgs hat er sich 2021 dann mit einer Mischung aus Backstube und schlichtem Café in Zürich West niedergelassen. Das Angebot ist klein und immer schnell ausverkauft, es gibt etwa ein ausgezeichnetes Sauerteig-Brot nach Vorbild des «Country Loaf» der legendären Tartine Bakery aus Kalifornien, hervorragende Plunder und Croissants, sowie mittags vegane und vegetarische Sandwiches oder Suppen. Das Kaffee-Thema verantwortet der schwedische Barista-Meister Matt Winton, und der kleine Laden im Industriequartier ist in kurzer Zeit zum beliebten Treffpunkt geworden. Samstags und sonntags wird ausserdem Brunch serviert.
Baguette-Meister Seri. Seine Geschichte kennt die halbe Stadt: Seri Wada war Banker, bevor er sich zum Ziel setzte, das beste Baguette Zürichs herzustellen. 48 Stunden Zeit nimmt er sich dafür, das luftig-knusprige Resultat ist nach Pariser Vorbild etwa 60 Zentimeter lang und rund 250 bis 300 Gramm schwer. Mittlerweile hat Seri auch andere Bäcker-Disziplinen wie Croissants, Pain au Chocolat oder Pastel de Nata perfektioniert, seine Baguettes und Gebäcke sind unter anderem im Jelmoli, im «Bridge» an der Europaallee oder in Seris kleinem Shop im Hauptbahnhof erhältlich.
Zuckerbäcker Marc Döhring. Der sympathische junge Mann, der gerne mit eleganter Fliege auftritt, macht «fast alles aus Zucker», wie er sagt. Seit einigen Jahren produziert Döhring mit seinem Team Torten und Törtchen, die bereits Kultstatus erreicht haben. Erhältlich sind diese bunten Kunstwerke der Patisserie im Jelmoli. Wie seine Bäckerei-Kollegen suchen Döhring und seine Lebens- und Geschäftspartnerin Cornelia Vock ihre Zutaten sorgfältig aus: «Wir verwenden ausschliesslich hochwertige Zutaten, die wir sehr sorgfältig auswählen und wenn immer möglich von Produzenten aus der Region beziehen», sagt Cornelia Vock.
Züri Brot: «Ohni Gugus». Ihre Erfolgsgeschichte ist ein Lockdown-Projekt, als Larissa Stamoulos und Sascha Graf 2020 in ihrer Wohnung begannen, Brot ohne Zusatzstoffe zu backen – «ohni Gugus», wie die beiden sagen. Biologische, regionale Zutaten sind für die Autodidakten selbstverständliche Grundvoraussetzung für ausgezeichnetes Roggensauerteigbrot mit Koriander, Fenchel und Kümmel, Bürli-Brot oder Chörndlibrot. Zu kaufen gibt es das Züri Brot beispielsweise im Bachsermärt. Im «Kosmos» von Markus Burkhard und Flavia Hiestand wird es als eigener Gang serviert.
Japan-Bäcker Hiro Takahashi. Mit einem unverkennbaren japanischen Anspruch an Perfektion, bäckt und produziert Hiro Takahasi in Adliswil – gut sichtbar in seiner verglasten Backstube – Brot und Patisserie. Der Spross einer Bäckersfamilie war zuvor mehrere Jahre lang Chef de Patisserie im Zürcher Savoy Hotel, heute stellt er unter anderem 17 verschiedene Sorten japanisches Brot her. Die beliebteste Spezialität von Hiro Takahasi ist vermutlich sein Toastbrot, es wird auf Bestellung frisch gebacken. Etwas Vergleichbares ist in und um Zürich kaum zu bekommen.