Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder
280 Gäste in der Küche. Die «Kitchen Party» ist der traditionelle Höhepunkt des St. Moritz Gourmetfestivals. Wenn nachts um 22 Uhr hungrige und durstige Gäste auf Starköche aus der halben Welt und lokale Grössen in der Grossküche des «Badrutt’s Palace Hotels» treffen, bleibt kein Glas lange leer und kein Teller lange voll. Richard Leuenberger, seit zwei Jahren Managing Director des «Palace», begrüsste am Dienstag 280 Gäste. «Der Aufwand ist enorm, wir müssen die ganze Küche umbauen. Aber es freut sich auch jeder so auf den Anlass, dass es leicht ist, die Leute zu motivieren», so der Hoteldirektor.
«Französische Grosszügigkeit.» An der «Kitchen Party» sind zum einzigen Mal während des Festivals sämtliche Gastköche mit ihren Spezialitäten zu erleben. Der indische Starkoch Manish Mehrotra servierte gut gelaunt würziges Lamm auf Fladenbrot. Gegenüber gab es von Thomas und Mathias Sühring aus Bangkok «Würzfleisch». Die wohl bekanntesten Koch-Zwillinge der Welt bereiteten eine Erinnerung an ihre alte Heimat DDR zu, verwendeten aber Ente statt Schwein und brillierten mit einer hausgemachten Worcester-Sauce. Gleich daneben: «IGNIV»-Chef Marcel Skibba und seine hervorragende Fischsuppe. «Wir wollten zuerst Dumplings machen, aber weil hier einige Asiaten sind, die das sicher besser machen, gibt es jetzt einen bewährten Klassiker von uns», so der sympathische Caminada-Schüler.
Frankreich und der Trüffel. Der französische 3-Sterne-Koch Guillaume Galliot, der in Hongkong arbeitet, pflegt einen luxuriösen Lokalpatriotismus: halbrohes Ei, Comté-Sauce und – viel! – schwarzer Trüffel. Insgesamt acht Kilogramm des Edelpilzes verbrauchte Galliot während des Festivals. «Wir Franzosen sind eben grosszügig», sagte er. Sein Landsmann Philippe Mille aus der Champagner-City Reims hobelte ebenfalls Périgord über seine Jakobsmuschel mit Nusskruste und schaumiger Buttersauce – sehr französisch auch dies.
Star aus den Niederlanden. Der unbestrittene Star des Abends – und des ganzen Festivals – war der Niederländer Sergio Herman, der eine ganze Generation junger Köche massgeblich beeinflusst hat. Seine 300 Portionen geräucherter Aal mit Gurke, Apfel, Kräutern, Dashi und Sauerrahm waren jedenfalls schon eine Stunde nach Türöffnung vergriffen. Komiker Claudio Zuccolini erwischte noch eine Portion. «Ich esse einfach gerne, aber zum Glück sieht man es nicht», sagte er mit einem Augenzwinkern.
Weitere kulinarische Höhepunkte? Der Lumare-Saibling mit Sanddorn, Kapern und Holunderblüten von Sven Wassmer, der im Sommer im «Grand Resort Bad Ragaz» neu eröffnet. Nicolai Nørregaard vom 2-Sterne-Restaurant «Kadeau» in Kopenhagen bereitete für viele die köstlichste Kleinigkeit des Abends zu: grillierte Auster mit Austernemulsion, Austernblätter-Pesto, Johannisbeerholz-Öl, eingelegte Johannisbeer-Blätter und Hefe-Kartoffel-Erbsen-Crumble. Zu den jungen wilden Köchen mit starkem Regionalbezug zählt auch der Koreaner Mingoo Kang aus Seoul, der für sein Restaurant «Mingels» eben den zweiten Stern erhalten hat und zu den angesagtesten Chefs Südostasiens gehört. Bei ihm gab’s Tatar vom lokalen Rind mit südkoreanischer Würze: Chili- und Pflaumensauce, Koriander und Algenchips.
Im Dessert-Dschungel. Eine Art Vordessert servierte der neue 19-Punkte-Chef Sang Hoon Degeimbre vom Restaurant «L’air du temps» in Belgien. «Die Foie-Gras-Praline mit Haselnuss habe ich zu Ehren meines langjährigen Lieferanten zubereitet. Er ist kürzlich verstorben, das war ein schwerer Verlust», erklärte der gebürtige Koreaner seine Wahl. Bevor die Party im «King’s Social Club» bis in die Morgenstunden verlängert wurde, machten die meisten Gäste einen Boxenstopp am Dessertbuffet von «Palace»-Chefpâtissier Stefan Gerber, der aus seiner Küche eine ganze Dschungellandschaft der Süssigkeiten gestaltet hatte.
>> Grosses Bild oben: Sergio Herman, Guillaume Galliot, Mathias & Thomas Sühring, Philippe Mille.