Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver
Rare Rasse. Aljosha war ein weibliches Evolèner Rind, kam im Mai 2018 zur Welt. Das Tier lebte auf einem Demeterhof in Ursenbach im Kanton Bern, wo es sich ausschliesslich von Gras ernährt hat. Nach zehn Monaten wurde Aljosha geschlachtet. Danach liess man das Fleisch im «Dry Age»-Verfahren abhängen. Solche Informationen über ein Tier, das man essen wird, sind nicht makaber, sondern zeigen Nachhaltigkeit beim Fleischkonsum auf. Evolèner gehören zu den «Pro Specie Rara»-Tieren. Der Bestand in der Schweiz lag einst bei nur noch 75 Tieren. Sie sind kleiner als andere Rinder und deshalb nicht so interessant für die Bauern. Ein solches Tier gibt weniger Fleisch, dafür ist der Geschmack intensiver.
Gemeinsam teilen. So klein wirkt Aljosha aber gar nicht. Immerhin reicht sie für 20 Personen, die das Tier gleich auseinander nehmen werden. Moritz Maier (grosses Bild oben, rechts) ist der Kopf hinter Kuhteilen.ch, einer Plattform, auf der man nachhaltiges Fleisch kaufen kann. Das Tier wird erst geschlachtet, wenn es ganz verkauft wurde. Maier organisiert auch Events, an denen man zusammen ein Tier teilt. Die Teilnehmer zerlegen unter der Anleitung der beiden Metzger Hansueli und Marcel Gerber das Rind. Erst ist der vordere Teil dran: Schulter und Hohrücken. Die Stücke für Rinderbraten kommen aus der Schulter. Aus einem solchen Rind lassen sich 20 Braten herausschneiden. Aus dem Schulterfilet gibt es Geschnetzeltes, aus dem Rest Ragout.
Handarbeit. Im hinteren Teil des Rindes sitzen die Edelstücke. Filet und Entrecôte. Aber auch das Eckstück, die runde und die flache Nuss und wiederum Haxen. Die Teilnehmer portionieren, schneiden mühselig das Fleisch aus den Rippen – schliesslich soll so wenig wie möglich weggeworfen werden. «Für diese Arbeit gibt es keine Maschinen. Man macht alles von Hand», erklärt Hansueli Gerber. Rund vier Stunden hätten die Profis, bis sie das Rind ganz zerlegt hätten – ohne Erklärung, Zuschauer und Laien-Metzger.
Wurst vom Hexer. Knochen und Fett werden aussortiert. Verwenden kann man auch das, für Fond zum Beispiel. Was nicht zum Ragout taugt, kommt in den Topf für Gehacktes. Und um diesen Topf kümmert sich heute Stefan Wiesner, der «Hexer aus dem Entlebuch». Der 17-Punkte-Chef kann nicht nur Naturküche auf höchstem Niveau, er ist auch leidenschaftlicher Wurster. «Ich habe das Handwerk von meinem Vater gelernt», sagt Wiesner, der jeden Samstag einen Wurstkurs anbietet. «Auch in meinem Gourmet-Menü gibt es immer einen Gang mit einer Wurst.» Schweinefleisch ist optimal, auch Geflügel geht gut zum Verwursten. Beim Rind muss man noch Schweinefett beigeben.
Die Gewürz-Regel. Auf ein Kilogramm Fleisch kommen 18 Gramm Salz. «Nehmt nicht irgendein Salz, sondern ein gutes. Alpines Salz, Fleur de Sel oder Himalaya-Salz», rät der Experte. Bei der Würze gibt es eine Grundregel: vier Gewürze verwenden. In der Entlebucher Wurst hats zum Beispiel Kümmel, Muskat, Nelken und Pfeffer. Der Fantasie sind aber keine Grenzen gesetzt. Koriander, Minze, Thymian und Verveine gibt eine marokkanische Wurst, mit Zitronengras und Kefirlimetten wird’s asiatisch.
Rind im Dessert. Filet braten ist nicht so ein Kunststück. Aber was macht man mit der Zunge, den Innereien oder gar dem Blut? Kevin Wüthrich, Souschef bei Stefan Wiesner, und Adrian Lerch, Eventgastronom von «Anno Bern», verarbeiteten gleich ein paar Teile des Rindes zu einem Menü. In einem Gang verwerteten sie die Zunge. Auch das Filet wurde verwendet – allerdings auf eher unkonventionelle Art. Es gab ein Ceviche, eingelegt in einem Sud mit Chili, Koriander und Kefirlimettenblätter. Zum Dessert gabs einen Flan aus Rinderblut mit Topinambur.