Fotos: Roy Matter
Hansmartin Amrein, sind Sie mehr der Erdbeer-, Vanille- oder Schokoladenglace-Typ?
(Zögert einen Moment.) Ich bin der Schoggi-Typ, eindeutig. Weil ich vor einigen Jahren sogar mal eine Mikro-Schokokadenmanufaktur betrieben habe – mit Bio-Kakaobohnen, die ich in kleinsten Chargen aus Tansania importiert habe. Noch heute kommt es vor, dass ich morgens zum Frühstück eine Tasse Assam-Tee mit einem Stück Schokolade geniesse.
Bleiben wir beim Glace: Warum haben sie bei der Antwort gezögert?
Ich finde auch Vanilleglace eine tolle Sache, wenn es gut gemacht ist. Wer weiss denn heute noch, wie komplex die Produktion solcher Vanilleschoten ist, wenn man sie in Handarbeit trocknet und fermentiert? Leider ist Vanille zur Dutzendware geworden – doch gute Qualität bedeutet mehr als nur ein paar schwarze Tupfer im fertigen Glace.
Wie kommt es, dass sich die genannten drei Sorten zu Klassikern gemausert haben?
Das ist historisch bedingt. De grossen Milchverarbeiter wie Lusso-Eldorado wollten kein Risiko eingehen und beschränkten sich auch in der Schweiz bei den damals beliebten Glaceblöcken auf drei, vier Sorten, die international schon funktioniert hatten. Den Zeitenwechsel hat Mövenpick im Laufe der Achtzigerjahre eingeläutet – neue Sorten wie Caramelita oder Maple Walnut waren von da an das A und O.
Wie bringt man heute neue Sorten an Herrn und Frau Schweizer?
Hierzulande ist man da noch immer eher vorsichtig und hat so seine Vorbehalte. Wenn wir bei der Gelateria di Berna ganz ausgefallene Sorten produzieren – zum Beispiel Blue Stilton mit Traubentrester – kommt man nicht drumherum, den Kunden auch mal ein Löffeli davon über den Tresen zu reichen.
Wer wagt sich an Lavendel oder an Ananas-Basilikumsorbet?
Wir haben inzwischen mutige Stammgäste, die mit uns gewachsen sind und sich nicht ungern ein kleines sensorisches Abenteuer leisten.
Eignet sich jeder Geschmack für Sorbet?
Grundsätzlich ja, auch wenn wir Sorten wie Zuppa Inglese niemals als milchfreies Sorbet produzieren würden. Mit Schokolade oder den meisten Nüssen geht das aber spielend, was dann nicht zuletzt Veganer schätzen. Was wir übrigens tatsächlich machen: Wir schauen während der laufenden Produktion auf die Wetterprognose, weil wir wissen, dass an heissen Tagen die Kundschaft mehr Sorbet bestellt.
Zurzeit verkaufen Sie die Sorte «Erbsli & Rüebli». Braucht es wirklich Gemüse im Glace?
Die Frage ist natürlich berechtigt. Wir stellen aber fest, dass sehr viele Leute solche Sorten nicht nur einmal bestellen, sondern beim nächsten Besuch wieder darauf zurückkommen. Schliesslich kann beispielsweise die Erdigkeit von Rande in einer Süssspeise durchaus eine Offenbarung sein. Oft sind solche Gewohnheiten ja kultureller Natur: Denken Sie an Safran, dass bei uns meist in salzigen Gerichten wie Risotto oder Fischsuppe verwendet wird – in Süditalien aber nicht selten für Desserts. Das gleiche gilt für Adzukibohnen, die uns Europäer an Bohnensuppe erinnern, in Japan aber vorzugsweise für Desserts verwendet werden.
Noch eine Glaubensfrage: Becher oder Cornet? Was finden Sie?
Aus sensorischer Sicht bin ich natürlich Becherli-Befürworter – weil der Geschmack des Cornets bestimmte Glacesorten aromatisch überdecken kann. Das Cornet gewinnt aber tatsächlich zunehmend Befürworter – weil es ein nachhaltiges, sprich essbares Einweggeschirr ist. Bei Kindern war der Fall ja schon immer klar…
Über zwanzig Sorten sind bei Ihnen im Angebot. Wie hält man da die Hygienegebote ein?
Das ist ein grosses Thema, auch wenn es weniger dringlich ist als früher, wo man die verschiedenen Sorten noch mit Eigelb eingedickt hat. Heute nimmt man meistens Johannisbrotkernmehl. Man darf sich punkto Hygiene trotzdem keine Fehler leisten, wir bilden darum unsere Verkäufer regelmässig aus: Wann wechselt man den Spachtel? Wie oft werden die Hände desinfiziert? Auch die Produkte werden regelmässig kontrolliert. Klar, hält Glace als gefrorenes Lebensmittel vergleichsweise lang, aber es schmeckt halt schon besser, wenn es frisch ist! Glücklicherweise können wir bei uns täglich neue Glaces in die Vitrinen stellen; selten ist eine Sorte älter als 48 Stunden alt.
Falls ich mich trotz Ihres grossartigen Angebots dazu entschliesse, selber ein Glace zu machen – geht das ohne professionelle Glacemaschine?
Das ist grundsätzlich eine grandiose Idee! Sammeln Sie zum Beispiel einen Korb voll frischer Brombeeren – und ab in die Glacemaschine damit. Wenn die Gäste dieses frische Glace zwei, drei Stunden später aufessen, wird es perfekt sein. Das grosse Problem ist die Lagerung, die zu Hause meist bei etwa minus 20 Grad passiert. Da wird fast alles zum Eisblock, wenn nicht mit äusserst kraftvollen Profigeräten gearbeitet wird, die möglichst feine Eiskristalle bilden.
Also doch lieber ein Magnum kaufen?
Magnum ist gut gemacht, die Knackigkeit der Schokolade absolut verführerisch. Leider mag ich es nicht mehr so wie früher, weil ich als Profi das Kokosfett und den Glukosesirup rausschmecke. Aber hey, es ist trotzdem ein Kultglace!
>> Hansmartin Amrein hat gemeinsam mit seinen Brüdern David und Michael sowie seiner Partnerin Susanna Moor 2010 die «Gelateria di Berna» als kleines Start-up gegründet. Inzwischen betreiben sie neun grosse und sieben kleinere Filialen in Bern, Zürich, Basel und Thun.