Text: Stephan Thomas I Fotos: Thomas Buchwalder, HO
Fabio Müller: Schweine statt Design. Wie kommt ein Industrie-Designer dazu, Schweine zu halten und zu züchten - und dies mit grossem Erfolg? Fabio Müller (grosses Bild oben) designte in seinem angestammten Beruf so ziemlich alles vom Auto bis zum Nuggi. «Zunächst war die Schweinezucht ein Ausgleich, den ich handhabte wie manches andere Projekt. Dann gab es aber in der Zucht und der übrigen Arbeit gleichzeitig Spitzen, so dass ich mich entscheiden musste. Heute mache ich nur noch nebenher ein wenig Grafik.»
Kurobuta, eine Art Kobe-Schwein. Müllers Projekt nennt sich Kuro. Das ist die Kurzform von «Kurobuta», mit dem die Japaner das Fleisch bezeichnen. In Japan wird es sehr geschätzt und mit dem Kobe-Beef verglichen. Ursprünglich stammt es aber aus England und wird zur Rasse Berkshire gezählt. Besonderen Wert legt man auf Stammbäume und Rassenreinheit. Bis dreissig Jahre kann man diese Angaben im Internet nachschlagen. In Berkshire wird sogar seit 1825 darüber Buch geführt. Bis zu 150 Generationen können manchmal zurückverfolgt werden. Da kann wohl mancher englische Lord nicht mithalten.
Nur Salz und Pfeffer. Das schlägt sich in der Verfügbarkeit des Kuro-Fleischs nieder. Wenn man Glück hat, kann man an einer ausgesuchten Verkaufsstelle ein Stück ergattern. Bestellt man direkt auf dem Hof im Zürcher Oberwil Dägerlen, riskiert man auf eine Warteliste zu kommen. Immerhin besteht manchmal die Möglichkeit, das Fleisch im (gehobenen) Restaurant auf dem Teller zu haben. So hat etwa Tobias Funke gleich zwei Muttersauen bestellt. «Er hat sie restlos verarbeitet, nicht nur die Edelstücke. Aus dem restlichen Fleisch hat er beispielsweise Würste hergestellt.» Rezepte? «Es braucht da nichts Kompliziertes. Eigentlich reicht das gebratene Fleisch mit etwas Salz und Pfeffer hinterher. So kann sich der komplexe Geschmack ungestört ausdrücken. Für viele eine Überraschung ist das Tatar vom Schwein. Es kommt ausgesprochen frisch daher.»
Happy pigs. Heutzutage wichtig: Den Kuro-Schweinchen geht es restlos gut. «Sie sind dauernd im Freien, haben Platz und können sich bewegen. Wenn es zu heiss oder zu kalt ist, können sie in Hütten Zuflucht suchen. Das ist in der Schweinebranche überhaupt nicht üblich.» Die Haltung ist extensiv, die Tiere bekommen viel Grünfutter. Dadurch dauert allerdings die Aufzucht doppelt so lange als üblich. Die Schweine sind relativ klein - ein weiterer Grund für die sehr beschränkte Verfügbarkeit von KURO-Fleisch.
Sozial und schlau. Müllers Kuro-Schweinchen zeigen ein erstaunlich ausgeprägtes Sozialverhalten. «Sie machen alles gleichzeitig: Herumrennen, fressen, suhlen ... wenn jemand ein Ferkel hochhebt, kommen alle gerannt und bedrohen die Person mit bellenden Lauten. Auch wenn es nicht das eigene Ferkel ist.» Verblüffend ist auch ihre Intelligenz. «Die Schweinchen verfügen über eine Art Sprache mit einer grossen Zahl verschiedener Laute. Unterdessen verstehe ich einiges davon.» Kaum zu glauben ist folgende Geschichte, die uns Fabio Müller erzählt: «Eine trächtige Sau sollte über Nacht werfen. Das verzögerte sich dann aber, und ich war ziemlich übernächtigt. Am anderen Morgen stand die Sau vor meiner Haustür, um mir mitzuteilen, dass es jetzt so weit sei. Ich habe keine Ahnung, wie sie aus dem Gehege ausgebüxt ist. Auch konnte sie eigentlich gar nicht wissen, wo ich wohne ... »
Die Kuro-Party der Winzer. Die Qualität der Kuro-Schweinchen begeistert auch qualitätsbewusste Winzer: Patrick Adank, der Jungstar aus der Bündner Herrschaft, und seine Partnerin Eva Pensel luden ihre jungen Winzer-Kollegen zu einer Grill-Party auf den Hof. Thema: «Das Beste vom Kuro-Schwein». Heisst: Kuro-Markbein vom Feuerring mit feinen Kapern. Dicker Bauchspeck, 60 Stunden lang sous-vide gegart und dann zwecks knuspriger Kruste kurz auf dem Grill. Kuro-Koteletten mit Fläscher Polenta und Fläscher Safran. «Eine Symphonie der Aromen», schwärmte Geny Hess, der Präsident der GaultMillau-Weinjury. Er kam nicht mit leeren Händen an die Grill-Party, bereitete handgeschnittene Hacktäschli vom Engelberger Hirsch zu. Einen Extraapplaus kriegte Gastgeberin Eva Pensel – für ihr grandioses Labneh mit saftigem Ofengemüse.