Text: Mirjam Fassold I Fotos: Marcus Gyger
Austern & Aussicht. Am 6. Dezember waren es 20 Jahre, dass Sascha Meyer im Restaurant «Elephant» erstmals den Herd angestellt hat. Den Tag vergisst der gebürtige Basler nicht; es war sein 20. Geburtstag. Im Gourmetrestaurant auf dem Crap Masegn hat sich Meyer hochgekocht, seit 2010 sind er und seine Partnerin Yvonne Marx nicht nur Garanten für hohe Kochkunst (14 GaultMillau-Punkte) und gepflegten Service, sondern auch perfekte Gastgeber. Der Chef hat ein Faible – und ein gutes Händchen – für Meerfisch, Austern und Krustentiere. Meyers Hummerrisotto bringt Gourmets auf 2477 Meter über Meer dem Himmel ein Stück näher. Der Tagesfisch stammt aus Wildfang und wird frühmorgens vom Chef persönlich in der ersten Gondelbahn auf den Gourmetgipfel begleitet. (Grosses Bild oben: Sascha Meyer und Yvonne Marx)
Kalbskrone und Wiener Schnitzel. Auch Fleischtiger kommen im «Elephant» auf ihre Kosten. Wenn im Tal der Frühling naht, setzt Meyer das Kalbskronenkotelett mit frischen Morcheln und Quarkpizzokel auf die Karte – göttlich! Kaiserlich dagegen ist das Wiener Schnitzel, das seit jeher auf der «Elephant»-Karte steht. Zubereitet in einer Qualität, wie man es auf dieser Meereshöhe sonst wohl nirgendwo findet, begleitet von einem klassischen Kartoffel-Gurken-Salat. Der Keller hält mit: Eine gut sortierte Weinkarte mit Schwerpunkt auf Europa, die neben grossen Namen – und grossen Flaschen für den Offenausschank – auch unbekannte Preziosen beinhaltet, welche die das Gastgeberpaar aus den Ferien mitgebracht hat. Kein Ferienmitbringsel, sondern eine Reminiszenz an vier denkwürdige Tage im Sommer 1992 ist der Restaurantname. Damals fand auf dem benachbarten Crap Sogn Gion eine Zirkusvorstellung statt; während vier Tagen machte der Zirkuselephant seinen Morgenspaziergang zum Crap Masegn und genoss die atemberaubende Aussicht. Seit bald 30 Jahren tun es ihm die Geniesser unter den Schneesportlern auf der «Elephant»-Terrasse gleich. Ab dieser Saison ist allerdings eine vorgängige (telefonische) Tischreservation erforderlich.
Meyers grosses Kino. Bevor die Sonne am Horizont versinkt machen sich Yvonne Marx und Sascha Meyer auf den Weg ins Tal. Dort wartet der Abendservice im Gourmetrestaurant «Mulania» – im Winter absolviert das Paar ein Doppelpensum. Das kulinarische Aushängeschild der Destination ist in einem alten Bündnerhaus am Rande des Rocksresort angesiedelt. (Aktuell werden die oberen Stockwerke zu Luxussuiten des benachbarten Signina Hotel ausgebaut.) Mit tiefhängenden Decken, dicken Mauern und kleinen Fenstern wirkt die «Mulania» wie ein Kontrastprogramm zum «Elephant». Abgeschottet von der Aussenwelt breitet sich das wohlige Gefühl von Geborgenheit aus. Meyer legt abends in der Küche zwei Zacken zu, brilliert erneut mit exzellentem Meerfisch sowie einem 6-Gang-Menü – plus Amuse-Bouche, Pre-Dessert (Stammgäste lieben den leuchtend-grünen Basilikumjus) und Friandises. Das Käsebuffet wird im begehbaren Weinkeller aufgebaut, wo Süsswein-Fan Sascha Meyer auch gleich die passenden Tropfen präsentiert und von den Besuchen bei den Süsswein-Stars im Burgenland erzählt. Generell sind Weinkarte und die in den umliegenden Kellern verborgenen Schätze aber Yvonne Marx‘ Passion; ihr grosses Wissen teilt sie gerne mit ihren Gästen und empfiehlt gekonnt ausgewählte Weine, von denen sie viele auf den Weingütern gekostet und eingekauft hat.
Galloway-Rinder vom Nachbarn. Zurück auf den Berg. 63 Meter höher als die Talstation in Laax-Murschetg liegt die «Tegia Larnags». Pächter Rainer Anders, ein gebürtiger Rheinländer mit Laaxer Bürgerrecht, ist für seine Capuns berühmt. Welche Bündner Grossmutter ihm das Rezept für die schmackhaften Mangoldwickel überlassen hat, verrät er nicht. Alles andere als geheim ist dafür die Herkunft des Rindfleischs: Die Tiere wachsen 500 Meter entfernt am sonnigen Südhang auf. Bauer Giusep Gliott lässt den Tieren Zeit, sie dürfen auf dem Laaxer Galloway-Hof zweieinhalb bis dreieinhalb Jahre alt werden, wiegen dann soviel wie Mastrinder mit zehn Monaten. «Die Edelstücke dieser Tiere kommen abends auf den Teller», erklärt Anders. Mittags tischt er Braten, Bratwurstschnecke oder Ghackets mit Schwingerhörnli vom Galloway-Rind auf. Auch das Fleisch für die Andutgel stammt vom Nachbarhof. Lokal, fair und lecker. Gilt übrigens auch für das handgeschnittene Fondue Chinoise, das abends im «Tegnia Larnags»-Keller serviert wird.
Heidelbeersalsiz & Doppelmagnum. Auf erstklassige Produkte aus der Region setzt auch Mathias Ludescher in der «Tegia Miez». Die Skihütte mit der grossen Terrasse am Südhang des Crap Sogn Gion ruft geradezu nach Bündner Plättli. Diese werden nach Gusto der Gäste mit Trockenfleisch und Salsizen von Beno Pally, Andutgel von Aldo Arpagaus und Käse von der benachbarten Alp Sogn Martin zusammengestellt. Wer etwas Warmes im Magen möchte, bestellt eine Gerstensuppe. Auf Regionalität setzt Ludescher auch beim Wein: Bei den Weissen stehen nur Herrschäftler auf der Karte, selbst der Schaumwein kommt aus Malans und wird aus der seltenen Completer-Traube gekeltert. Spektakulär ist der Offenausschank von Rotweinen: «Wir öffnen dafür konsequent nur 3-Liter-Flaschen», sagt Ludescher und hantiert elegant mit einer Doppelmagnum. Dazu vielleicht ein Stück Linzertorte? Die backt Caterina Ludescher nach dem Rezept der Grossmutter ihres Gatten, das – man ahnt es –ein Familiengeheimnis bleiben soll.
Stall oder Tipi? Käse oder Fleisch? So könnte die Frage auch lauten. Die muss vor der Tischreservation beantwortet werden. Wem der Sinn nach Käse steht, reserviert im «Stalla». Auf der Alp Nagens wird im Sommer Käse produziert. In beeindruckenden Mengen – 700 Kilogramm Alpkäse wandern im Winter vor Ort in die Caquelons sowie eine Tonne Raclette auf die Teller der «Stalla»-Gäste. Auf 1980 Metern über Meer bewahrheitet sich auch, dass Fondue gute Laune macht: Das Serviceteam rund um Claudia Müller übt vormittags schon mal die Hebefigur aus «Dirty Dancing» oder den Handstand. So übermütig ist das Team um «La Vacca»-Chefin Jutta Maletzki im ein paar Höhenmeter tiefer gelegenen Plaun nicht. Das ist gut so, im Tipi-Zelt lodert nämlich ein Lagerfeuer; darum herum geniessen die Gäste auf Kuhfellen sitzend grosse Steaks und gehaltvolle Rotweine.
Feuer, Wein & Walliser Charme. Feuer ist auch das Element von Ueli Grand, einem «Bergler» wie aus dem Bilderbuch: Vollbart, sonnengebräunt, zupackende Hände, Schalk in den Augen, Walliser-Dialekt. In Graubünden hat er in knapp vier Jahrzehnten ein kleines Gastro-Imperium geschaffen. Seit der Eröffnung des Rocksresort (2009) betreibt er die «Ustria da Vin Grandis». 365 Tage ab 15 Uhr geöffnet, stehen über 1000 Weine in den Vinothek-Regalen. Gekocht wird auf offenem Feuer, namentlich Fleisch und Raclette. Im Winter aber ist der Chef auf dem Berg; seit der Saison 1998/99 pilgern seine Fans in die via Skipiste oder Winterwanderweg erreichbare «Ustria Startgels». Abends schickt Grand dann das Pistenfahrzeug mit Passagierkabine nach Flims, um die Gäste in die romantische Alphütte zu bringen, wo seine Gattin Ana am Holzgrill steht.
Christian Kaiser in der «Ustria Startgels». Vormittags backt die Chefin im Holzofen vor der Eingangstür Brot und Merengue, die Küche produziert frische Pasta. Der Weinkeller ist Hoheitsgebiet des Hausherrn und so gut bestückt, man liesse sich durchaus für einen Winter einschneien. Langweilig würde es nicht, Ueli Grand kann zu jeder der zahlreichen Mützen über der Bar eine Geschichte erzählen. Noch bis Ende dieser Wintersaison, denn wenn Ueli Grand im April 70 Jahre alt wird, will er kürzertreten. Einen Nachfolger für die «Ustria Startgels» hat er sich bereits ausgesucht: Christian Kaiser, bis vor kurzem noch Küchenchef im Golfrestaurant «Vista» in Sagogn und dort mit 14 GaultMillau-Punkten ausgezeichnet, ist seit Beginn der Wintersaison als Co-Gastgeber auf Startgels tätig. Im Mai wird der charmante Wiener als Pächter übernehmen. Man darf gespannt sein, welche seiner Küchenklassiker Christian Kaiser mit auf den Berg bringen wird.
Caffè NoName & Panini. Geschichten erzählen kann auch Reto Poltéra, Geschäftsleitungsmitglied der Weissen Arena, Halbitaliener und bekennender Caffè-Aficionado. Poltéra ist unter anderem für die grösste Halfpipe der Welt verantwortlich. Mit seinem Team baute er Mitte der Neunzigerjahre oberhalb dieser Pipe ein leerstehendes Kläranlagen-Gebäude zum «Caffè NoName» um und installierte den ersten Kaffeehalbautomaten weit und breit. «Die Kaffeemischung – 70 Prozent Arabica, 30 Prozent Robusto – haben wir bis heute beibehalten», sagt Poltéra stolz. Anders als in den Anfangsjahren kommt er jetzt aber nicht mehr jeden Morgen vorbei um Mahlgrad und Kaffeemenge einzustellen. «Melanie Schmid und ihr Frauenteam beherrschen diese Abstimmung mittlerweile bestens.» Sie wissen auch, was ihre jungen, nachhaltigkeits-afinen Gäste schätzen: die hausgemachten Panini, deren Recyclingpapier-Verpackung gleichzeitig als Teller dient. Auch hier überzeugt der Geschmack: «Wir haben die Zubereitung gewärmter Panini in Genua gelernt und mit Bäcker Aldo Buchli lange an der Brötchen-Rezeptur gearbeitet», erklärt Poltéra. Logisch, passt der Goût; Buchlis «Urigs Brot» geniesst bei Einheimischen und Feriengästen nahezu Kultstatus. In der Rocksresort-Filiale seiner Pasternaria Romana lässt sich der kleine Hunger oder «Gluscht» auch mit Crêpes und frischen Berlinern stillen.
Cappuccino und Buttergipfeli. Die sündig-guten Buttergipfeli des Laaxer Bäckers gibt’s auch nebenan im «Piazza». Gastgeberin Jasmin Arpagaus lebt dort das «cafedeli»-Konzept – Kaffee und kleine, gesunde und faire Leckereien (in Selbstbedienung) – mit Herzblut. Die Kaffeespezialitäten gibt’s auch «to go» – und zwar schon für die erste Bergbahnfahrt am Morgen. Den zweiten Cappuccino des Tages gibt‘s auf die Flimser Seite. In Nagens hat der Rettungsdienst der Weissen Arena Bergbahnen AG im Sommer 2017 seine Rettungszentrale zur «Freeride Base» umgebaut, einen Kaffeehalbautomaten installiert und einen Shop mit Freeride-Ausrüstung eingerichtet. Auf Bildschirmen wird über die aktuelle Lawinensituation informiert. Wer mehr wissen will, fragt Corsin Clopath, Leiter Pisten- und Rettungsdienst. Schleckmäuler ordern veganes Bananenbrot.
Selbstbedienung war gestern. Apropos Sicherheit. In Zeiten von Covid-19 muss das Konzept der Selbstbedienungsrestaurants neu gedacht werden. Weisse-Arena-Chef Reto Gurtner hat eine digitale Lösung gefunden: Statt Schlange stehen am Buffet heisst es nun QR-Code scannen am Tisch, über die LAAX-App ordern und mit Kreditkarte bezahlen. Das Essen für die ehemaligen Self-Service-Lokale wird in der Zentralküche im Tal vorgekocht und ab dieser Saison in bruchfestem Mehrweggeschirr auf den Berg gebracht. Noch einen Zacken nachhaltiger geht’s am Grill zu: auf der Terrasse des Gletscherrestaurants am Vorab dient das Brötchen zur Grillwurst gleichzeitig als essbarer Teller. Der schmeckt prima, weil das Bürli in der Mitte aufgeschnitten und die Innenseite kurz auf dem Grill getoastet wird.